Am 08.03.18 findet die Uraufführung ihres Theaterstücks „i never meant to heart you, babe/anticrescendo“ unter der Regie von Yannick Zürcher im Kulturzentrum K9 in Konstanz statt.
Wie kamst Du zum Schreiben und was bedeutet es für Dich?
Angefangen zu Schreiben habe ich durch eine Freundin, die auch geschrieben hat. Eher aber Richtung Poetry Slam. Ich war zurückhaltender und habe gemerkt, dass ich eine andere Sprache habe.
Für mich ist Schreiben eine realistische Betrachtung der Dinge. Ich will die Dinge, die ich sehe, so klar und realistisch wie möglich ausdrücken. Um darin eine Art von Wahrheit zu haben.
Warum hast Du Dich für die lyrische Form Deiner Sprache entschieden? Denn sie scheint, auf den ersten Blick zumindest, eher abstrakt zu sein.
Was mir sehr oft gesagt wird, wenn mich jemand fragt, wie ist deine Sprache, deine Lyrik, sage ich, meine Lyrik ist konkret, real und einfach. Und jeder schüttelt komplett den Kopf. Viele fragen sich, wie sie das denn überhaupt aussprechen sollen. Konkret? Was Du da teilweise auch für Geschichten erzählst – sagen viele. Von Hochseefischern und Bluebirds, was hat das mit der Realität zu tun?
… Aber für mich ist meine Sprache eben genau das – konkret, real und einfach.
Und was bedeutet Sprache dann für Dich?
Ich sehe Sprache als ein Werkzeug. Das ist wie der Maler seine Farbe hat oder der Schreiner sein Holz oder der Steinmetz seinen Stein. Ich nehme diese Sprache und gehe dabei mit Dingen oder Begriffen um, die jeder zu kennen meint. Ich betreibe ein Spiel mit der Sprache als Oberfläche. Meine Sprache an sich ist sehr spielerisch. Mit sehr vielen Wiederholungen, mit sehr viel Rhythmik. Ich nutze gerne große und aufgeladene Begriffe, von denen jeder meint, sie eindeutig zu kennen wie „Liebe“ und „Leidenschaft“, oder Worte wie „tief“ und „düster“ und „dunkel“ und „sanft“ und „samt“ und „sacht“. Diese immensen Bedeutungen werden aber vollkommen enthebelt, wenn ich diese großen Worte so aufeinander aufbaue. Dieser ganze Schein fällt weg. Schicht für Schicht.
Warum hast Du Dich dafür entschieden, hier in Konstanz zu bleiben? Wie beeinflusst das Dein Schreiben?
Konstanz bietet für mich das Potential, mich selbst frei zu entfalten. Ich hatte hier viele Kontakte, viele Leute, die ich schätze. So habe ich sehr schnell eine Selbstständigkeit entwickeln können, an die ich mich jetzt gewöhnt habe. Hier habe ich räumliche Freiheit und auch emotionalen Freiraum. Das habe ich so in anderen Städten, in denen ich gelebt habe, wie Berlin, Paris oder München, nicht empfunden. Dort war mir die Sicht verbaut. Und meine Atmung.
In Konstanz kann ich meinem Schreiben öffentlichen Raum geben. Ich kann Sprache schaffen für das Hören.
Was sind Deine Themen, die Dich beim Schreiben beschäftigen und wie wählst Du sie aus?
Ich suche mir nicht aktiv Themen. Beispielsweise schaue ich nicht in die Tageszeitung und denke, ah jetzt könnte ich mal über diese und jene politische Richtung schreiben. Mich interessieren vor allem Prozesse. Prozesse von bewegten Dingen. Ob das nun Beziehungen zwischen Menschen sind, Beziehungen zwischen Tieren, oder zwischen Dingen. Oder natürliche Vorgänge. Es sind immer Prozesse, die ich betrachten kann. Das heißt nicht, dass die Prozesse mit mir zu tun haben, sondern dass das, was ich verhandle, vielleicht auch anderen Leuten passiert ist. Und mit diesen Prozessen, mit dieser Vielschichtigkeit, spiele ich gerne. Ich weiß, mich interessiert alles, was mehr als zwei Seiten hat. Ich möchte immer wissen was darunter ist, diese Splittung von Wesenhaftigkeit, von Persönlichkeit.
Dieser Wesenszug kommt in vielen großen Themen vor. Liebe, Beziehung, Freundschaft, aber auch ganz extrem in Krankheit oder Verletzungen – bei sehr ernsten Themen eben. Was mich gerade sehr interessiert: Wie geht der Mensch mit Erfahrung um, speziell mit negativer Erfahrung? Kann man jemals über eine emotionale Verletzung wegkommen? Und ist es dann nicht vielleicht verständlich, dass man nach einer tiefen Verletzung mehrere Wesen, mehrere Empfindungen in seinem Körper hat. Das Krankheitsbild der Bipolarität, das ist zum Beispiel etwas, was mich interessiert. Wie viele Möglichkeiten eines „Ich“ gibt es. Und diese Möglichkeiten sehe ich eben auch in der Sprache.
Es geht in meinen Texten viel um Zuschreibung, die von Außen passiert. Ob das jetzt konkret auf die Person bezogen ist oder auf die Sprache. Jeder meint zu wissen, was Wörter bedeuten. Jeder meint zu wissen, was diese Person macht. Jeder meint zu wissen, was diese Situation bedeutet. Und ich zeige das ganz klar und eindeutig und plakativ, ich blättere die Schichten ab, bis sich auf einmal alles um 180 Grad dreht. Ich glaube nicht an Eindeutigkeit.
Und um was geht es dann in Deinem bevorstehenden Stück „i never meant to heart you, babe/ anticrescendo“?
Um den Umgang mit den Verletzungen, die der Mensch erlebt. Aber auch um den Prozess, wie sie verarbeitet werden.
Ich entwerfe eine Realität, die aber nicht in der hiesigen Welt angesiedelt ist. Und ich seziere sie, Schicht für Schicht.
Es geht um zwei Figuren in einem luftleeren Raum, die mit scheinbar bekannten Situationen und Empfindungen konfrontiert werden. Es ist aber nicht klar, wo sie sind. Sie leben eher in einer Art Parallelwelt, die in einer Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit aufgeht.
Mehr muss man nicht wissen.