Romulus der Große

„[…] ist Kultur etwas, das man retten kann?“, fragt der Weströmische Kaiser in Friedrich Dürrenmatts Tragikomödie „Romulus der Große“. Eine Frage, die durch die Aufführung des Unitheaters eine entschlossene Antwort bekommt. Von der Premiere berichtet unser Redakteur Paul Stephan.

Theater in Zeiten von Corona

Es ist Freitagabend, 19:30 Uhr. Im Foyer der Universität bildet sich eine kleine Menschenmenge. Vor dem Eingang zur Bühne, die sich unterhalb des Audimax befindet, werden Kontaktdaten gesammelt und 2G+-Nachweise überprüft. Zur Premiere sind 35 Zuschauer:innen zugelassen – etwa die Hälfte der Raumkapazität.

Der Bühnenaufbau zu Anfang des Stücks

Es ist die erste Aufführung des Unitheaters seit Beginn der Pandemie. Die Proben begannen Anfang Dezember, da erst zu diesem Zeitpunkt die Universität grünes Licht gab. Innerhalb von zwei Monaten stellte man das Stück auf die Beine. Mit Ausnahme von wenigen Tagen, gab es jeden Abend eine Probe.

Ein Stück der krassen Gegensätze

Ein Zeitdruck, von dem auf der Bühne nicht mehr viel zu sehen ist. Die „ungeschichtliche historische Komödie“ kreist um die Ereignisse des Niedergangs Roms, im Besonderen um seinen letzten Kaiser. Zumindest wird das behauptet. Tatsächlich nimmt sich Dürrenmatt viele Freiheiten im Umgang mit historischen Ereignissen. Der historisch letzte Kaiser bestieg den Thron im Alter von 15 Jahren und wurde nach nur einem Jahr wieder gestürzt. Romulus, der in Dürrenmatts Stück der letzte Kaiser ist, herrscht dort schon seit zwanzig Jahren. Vordergründig scheint ihm der Untergang des Römischen Imperiums gleichgültig zu sein. Er befindet sich mit seiner Frau und Tochter auf dem kaiserlichen Sommersitz in Campanien, von wo aus er das ganze Jahr über regiert. Mit Leidenschaft hat er dort eine Hühnerfarm aufgebaut. Um das bankrotte Rom finanzieren zu können, verkauft er nach und nach die vergoldeten Blätter seines Lorbeerkranzes. Geplant ist eine Evakuierung vor dem Einmarsch der Germanen, die Italien immer weiter einnehmen. Doch das Geld für ein ordentliches Schiff fehlt, nur der Bau eines Floßes gelingt.

Eine Lösung scheint in Sicht, als der Hosenfabrikant Cäsar Rupf anbietet, durch Geld die Germanen von einem Einmarsch in Italien abzuhalten. Als Gegenleistung fordert er die Hand von Romulus’ Tochter Rea. Aufgrund der angespannten Lage gibt sogar der vom Krieg schwer gezeichnete Ämilian, der Geliebte von Rea, dieser Heirat seinen Segen. Alles scheint geregelt, doch letztlich ist es Romulus, der sein Einverständnis zu dieser Hochzeit verweigert. Infolgedessen bildet sich eine Verschwörung um Ämilian, der die Ermordung von Romulus beabsichtigt. Nachdem diese scheitert, missglückt am nächsten Morgen auch die Evakuierung per Floss nach Sizilien. Rea und Ämilian kommen dabei ums Leben.

Als Romulus vom Tod seiner Tochter erfährt, kippt die Stimmung des Stückes. Sah man zuvor einen Kaiser, der den schlimmsten Nachrichten mit Humor begegnen konnte, sieht man nun einen Menschen, der durch den Verlust seiner Tochter verzweifelt ist. Doch für ihn kommt es noch schlimmer: Die Germanen marschieren ein und sein Gegenüber, Odoaker, möchte sich Rom unterordnen. In einem Gespräch, in dem sich beide als Expert:innen der Hühnerzucht erweisen, stellt sich heraus, dass Romulus seit zwanzig Jahren das Ziel verfolgt, das Römische Reich aufzulösen, um der blutrünstigen Herrschaft ein Ende zu setzen. Unglücklicherweise geht sein Plan nicht auf, er wird in Pension geschickt.

Es ist ein Stück der krassen Gegensätze. Auf der einen Seite sehen wir pflichtbewusste Soldat:innen und Politker:innen, wie etwa den Präfekten der Reiterei, der stolz darauf ist, seit 120 Stunden nicht geschlafen zu haben. Auf der anderen Seite sehen wir einen Kaiser, der in vielen Fällen den Menschen über die Pflicht stellt, ganz getreu dem Motto: „Ein Widerstand um jeden Preis ist das Sinnloseste, was es geben kann.“

Eine studentische Inszenierung

Für den Regisseur, Sebastian Beck, ist das Stück nicht unbekannt. Bereits 2018 wirkte der Doktorand der Biologie im Unitheater in Würzburg an einer Aufführung von „Romulus der Große“ mit. Nun ist es seine erste Inszenierung als Regisseur geworden. Warum gerade dieses Werk? „Wir hatten nichts wirklich in der Pipeline“, erzählt uns Sebastian Beck, „ich kannte das Stück schon. Ich hatte eine fertige Vorstellung von dem, wie ich es inszenieren wollte.“

Sebastian Beck (links)

Teil dieser Vorstellung war es auch, „Romulus der Große“ um ein Viertel zu kürzen. „Das Stück ist von 1949“, so Sebastian Beck, „also für ein Publikum mit ein bisschen anderem Sitzfleisch gemacht.“

Und doch erscheint das Stück kurzweilig, vielleicht auch wegen der Kürzungen. Für manche Schauspieler:innen ist es das erste Mal, dass sie auf der Bühne stehen. Andere haben schon Vorerfahrungen oder sind schon länger beim Unitheater dabei. Sie alle sind Studierende. Die meisten studieren Literatur-Kunst-Medien, aber nicht alle. So studiert ausgerechnet der Darsteller des skrupellosen Fabrikanten Cäsar Rupf Wirtschaftswissenschaften.

Anders als in den vorherigen Jahren wurde dieses Stück ohne externe Leitung inszeniert. Bis eine neue externe Leitung gefunden wird, wurde für die Übergangszeit ab Februar 2021 eine Hiwi-Stelle geschaffen. Auf einmal war das Unitheater komplett in Studierendenhand. Das motivierte einige zusätzlich. So wurde etwa das Bühnenbild vollständig in Handarbeit geschaffen.

Was bringt die Zukunft?

Im neuen Semester wird es wieder eine externe Leitung geben. Man hoffe aber, dass das Gefühl, dass das Unitheater ein rein studentisches Projekt sei, erhalten bliebe. Mitmachen könne jede:r, ein guter Einstieg seien die regelmäßig stattfindenden Theaterworkshops. Neben Schauspieler:innen sei auch immer Bedarf an weiterem Personal, denn hinter der Bühne stünden fünf Mal mehr Menschen als auf der Bühne.

Und was kommt als nächstes? Ein Stück sei in Planung, geschrieben von einem Studierenden aus Konstanz. Wer die Autorin oder der Autor ist, wollte man uns nicht verraten.

„Wir hoffen, dass die, die jetzt dabei waren, auch im Sommersemester dabei sein werden, dann kann die neue Leitung aus dem Vollen schöpfen.“

Sebastian Beck

Nach der Vorarbeit, die durch „Romulus der Große“ präsentiert wurde, keine unbegründete Hoffnung. Und eine, die den Glauben an eine starke Kulturlandschaft an unserer Universität stärkt. In der Studierendenvertretung wird häufig über die vergleichsweise hohen Förderbeträge des Unitheaters gestritten. Und doch kann jede:r stolz sein, dass es in Konstanz so viele engagierte Studierende gibt. Die Antwort auf Romulus‘ Frage, ob man Kultur retten könne, wird durch das Unitheater klar bejaht. Trotz der langen Pause durch die Corona-Pandemie, ist es gelungen, mit „Romulus der Große“ ein Meisterwerk deutschsprachiger Literatur auf die Bühne zu bringen. Und wie es scheint, bestand auch Bedarf: Die Vorstellungen waren komplett ausverkauft, die Premiere schon am ersten Tag.

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