Geduldsprobe Digitalisierung: Warum Papier noch immer regiert
Für die Hälfte der Studierenden beginnt der Antrag vielversprechend am eigenen Laptop. Im Konstanzer Amt jedoch endet diese digitale Reise vorerst abrupt am Drucker. Olaf Klotz beschreibt diesen Zwischenschritt mit einem fast resignierten Lächeln: „Wir drucken die Anträge aus. Wir müssen die ausdrucken.“ Jeder Online-Antrag wird zu Papier gebracht und in einem klassischen Aktenordner für die Bearbeitung vorbereitet. Der Grund für diesen analogen Zwang ist fehlende Spezialsoftware, weshalb noch Papierakten geführt werden müssen. „Für das BAföG kann man nichts von der Stange kaufen, es ist zu aufwendig und vielschichtig“, erklärt Klotz. Ein einfaches Scansystem reiche nicht aus. Zwar ist die Zukunft digital – eine neue Software wird von den Studierendenwerken in Baden-Württemberg für die BAföG-Ämter entwickelt -, doch bis zur vollständigen Umstellung wird es laut Klotz‘ Schätzung „tatsächlich noch mindestens drei Jahre dauern“.
Sechs Wochen oder sechs Monate? Was über die Bearbeitungsdauer entscheidet
Sobald der Antrag in Papierform vorliegt, entscheidet sich, wie lange seine Reise dauert. Die größte Hürde und häufigste Ursache für Verzögerungen: unvollständige Anträge. „Sehr oft kommt es vor, dass Formulare nicht vollständig ausgefüllt werden“, seufzt Klotz. Jede fehlende Angabe, jeder vergessene Nachweis löst eine Kette von Rückfragen aus und verlängert den Prozess unnötig.
Im Idealfall – bei einem einfachen und vollständigen Antrag – kann das Geld schon nach vier bis acht Wochen auf dem Konto sein. Komplexe Fälle mit Fachrichtungswechseln, fehlenden Leistungsnachweisen oder Änderungen im Elterneinkommen können sich jedoch bis zu einem halben Jahr hinziehen. Proaktive Kommunikation sei hier der Schlüssel. „Wenn wir erst im Nachhinein herauskriegen, dass jemand wieder zu Hause wohnt, müssen wir den erhöhten Bedarf zurückfordern. Das ist für alle unangenehm“, warnt Klotz.
Die Konstanzer Realität: Wenn der Höchstsatz kaum für die Miete reicht
Selbst ein bewilligter Antrag ist keine Garantie für ein sorgenfreies Studium, denn in Konstanz trifft das Bundesgesetz auf eine harte lokale Realität. „Konstanz ist bekanntermaßen ein teures Pflaster“, sagt Klotz. „Wenn man den Höchstsatz erhält, eine private Miete aber vielleicht schon 600 oder 700 Euro kostet, bleibt nicht mehr viel übrig.“
Trotz finanzieller Anspannung gibt es ein paradoxes Phänomen: Während Einzelappartements heiß begehrt sind, gibt es in den Wohnheimen plötzlich leere WG-Zimmer. „Da geht die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit auseinander“, kommentiert Klotz die Situation. Um in diesem Spannungsfeld ein greifbarer Ansprechpartner zu sein, setzt das Amt auf persönliche Nähe durch tägliche Telefon- und wöchentliche Sprechzeiten.
Ein hartnäckiges Vorurteil und ein klarer Appell
Angesichts des Aufwands stellen sich viele die Frage nach dem Sinn. Bundesweit gehen die Antragszahlen zurück, auch in Konstanz spürbar. Klotz vermutet dahinter nicht nur Unwissenheit, sondern vor allem ein hartnäckiges Vorurteil: BAföG sei nur etwas für die Ärmsten.„Das ist längst überholt“, stellt er klar. „Auch wenn die Eltern 60.000 oder 80.000 Euro verdienen, ist oft noch ein Teil-Förderbetrag möglich, besonders wenn noch weitere berücksichtigungsfähige Geschwister vorhanden sind.“
Sein Appell an alle Studierenden, die unsicher sind, ist daher unmissverständlich: „Auf jeden Fall beantragen! Sie haben nichts zu verlieren. Im schlimmsten Fall bekommen Sie einen Null-Bescheid. Jeder Cent sollte mitgenommen werden. Stellen Sie einen Antrag und probieren Sie es aus!“