Gemeinnütziger Journalismus: Das Karla Magazin

Mit einer breit angelegten Kampagne, die sogar das Foyer der Universität erreichte, gelang es dem Karla Magazin per Crowdfunding über 100.000 Euro zu mobilisieren. Unsere Redakteure sind dem Projekt nachgegangen und haben mit dem Redaktionsleiter, Michael Lünstroth, gesprochen.

Karla“ – schwarze Schrift, auf einem weißen Balken. Mit diesem unverwechselbaren Layout wird in vielfältiger Weise für ein neues Online-Stadtmagazin geworben, sowohl auf Plakaten, Flyern, Stickern, etc., als auch digital im Web. Klickt man auf die Website von Karla, so wird schnell klar, dass sich das Projekt mehr als nur ein reines Online-Stadtmagazin versteht. Vielmehr handelt es sich um ein gemeinnütziges Gesamtvorhaben, dass auch Podiumsdiskussionen und Workshops, etwa an der Universität, überparteilich anbieten möchte. Nach einem erfolgreichen Crowdfunding, soll es nun im Herbst losgehen.

Die Grundidee

Schon im Dezember 2020 entsteht die Idee um das Magazin, erzählt uns Michael Lünstroth, Redaktionsleiter bei Karla. Dabei ging es in erster Linie um den Wunsch, die Medienvielfalt in Konstanz zu bereichern und den Wert von Journalismus herauszuarbeiten. Während der Corona-Pandemie sei vielen der Wert von seriöser Berichterstattung gegenüber Fake-News bewusst geworden.

Vor drei Jahren hält Michael Lünstroth ein Seminar an der Universität. „Ich fande es sehr interessant, was es da für Vorstellungen von Journalismus gibt“, sagt er, „Für mich war ab dem Punkt klar, dass wenn ich irgendwann einmal so etwas machen würde, dann müsste es auch einen Medienbildungsteil haben.“

Ursprünglich stand im Raum, ein normales Unternehmen (GmbH) zu gründen, doch man entscheidet sich, den Weg der Gemeinnützigkeit zu gehen. Dass es sich bei Karla tatsächlich um ein gemeinnütziges Projekt handelt, wurde auch durch das Finanzamt bestätigt. Für Karla ist diese Einstufung aus verschiedenen Gründen wichtig: Zum einen für das Marketing und die Eigenwerbung im Crowdfunding, zum anderen aus finanziellen Aspekten. Denn neben den Abonnements, die man ab 4 Euro pro Monat auf der Website von Karla erwerben kann, sollen es vor allem Stiftungen sein, die Karla finanzieren. Denn Teil des Gesamtkonzepts ist es auch, dass Karla werbefrei bleibt.

„Es ist ja auf der politischen Agenda, dass Journalismus allgemein gemeinnützig werden soll“, so Michael Lünstroth, „Wenn das passiert, haben wir natürlich noch einmal eine ganz andere Finanzierungsmöglichkeit. Wir müssen im Moment noch ein wenig um die Ecke herum denken, weil wir nicht sagen können: ‚Wir machen Journalismus und sind deshalb gemeinnützig‘, sondern: ‚Wir sind gemeinnützig, weil wir Volks- und Berufsbildung machen‘.“

Wer dahinter steckt

Im Moment besteht das Kernteam des Magazins aus acht Leuten, die laut Michael Lünstroth aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommen. Der Unterstützungskreis ist groß, zum Beispiel spricht sich Martina Vogl (Besitzerin des „Voglhaus“) für Karla offen aus. Auch Menschen mit großem Bekanntheitsgrad arbeiten für Karla, der Schauspieler Oliver Wnuk etwa ist dort nun Kolumnist.

Mit „Konstanz gestalten* e.V.“ gibt es mit Nik Volz, der von Beruf Kommunikationsstratege ist, eine personelle Überschneidung. Auf der Website von Karla stellt er in einem Transparenzhinweis klar, dass er selbst parteilos ist, aber etwa für Luigi Pantisano gearbeitet habe. „Das ist ein Kritikpunkt, der im Crowdfunding an uns geäußert wurde“, sagt Michael Lünstroth, „Luigi Pantisano hat mit dem Projekt nichts zu tun, er ist nur über Nik verbunden. Luigi Pantisano ist aber weder Teil der Gründungsgesellschaft noch inhaltlich involviert – er ist Abonnent. Wir haben von Anfang an die Verbindung offengelegt. Man kann niemanden verurteilen, wenn er sich demokratisch engagiert. Letztendlich wird man uns an unserer Berichterstattung messen müssen.“       

Zusammenarbeit mit der Universität

Mit dem SQ-Zentrum zusammen möchte Karla in Zukunft Seminare an der Universität anbieten, denn sowohl bei den Studierenden als auch bei den Mitarbeitenden habe man ein Interesse am journalistischen Arbeiten wahrgenommen, sagt Michael Lünstroth. In den Semesterferien könnten Studierende ein Praktikum in der Karla-Redaktion absolvieren. So soll auch dem Schwund an zukünftigen Journalist:innen entgegengewirkt werden. Die Seminare und das Praktikum seien grundsätzlich für alle Studiengänge offen. Die Seminare beginnen im Wintersemester, das erste Praktikum in den Semesterferien zwischen Winter- und Sommersemester, also im Februar oder März.

„Voraussetzung für das Praktikum ist Grundinteresse am Journalismus“, so Michael Lünstroth, „Der Einstieg soll sehr niederschwellig sein.“

Aussichten

Mit über 100.000 Euro Einnahmen durch das Crowdfunding in einer Stadt, die weniger als 90.000 Einwohner zählt, wird deutlich, dass auch in der Bevölkerung ein Interesse an einer Bereicherung des Lokaljournalismus besteht. Dabei wählt das Karla-Magazin mit der Gemeinnützigkeit einen anderen Weg wie viele andere kommerzielle Tageszeitungen. Der Südkurier hat bisher noch nicht über das Karla-Magazin berichtet.

„Weil die Finanzierung einfach extrem schwierig geworden ist, ist es für den Südkurier ein Wettbewerb, den sie so bislang nicht hatten – als Monopolist“, sagt Michael Lünstroth, ergänzt aber: „Mit unserer Ausrichtung auf ein jüngeres Zielpublikum, mit einer anderen Art von Journalismus, haben wir es von Anfang an nicht als Anti-Projekt verstanden, sondern als etwas, das von uns kommt. Was der Südkurier letztlich damit macht, ist uns egal. Wenn wir es gut machen, dann machen wir auch den Südkurier am Ende besser, weil die dann vielleicht sehen, dass sich guter Journalismus auszahlt.“

Karla wirbt damit, weniger tagesaktuell zu informieren, sondern themenorientiert und ohne Zeitdruck. Laut Michael Lünstroth ist dieser Weg eingeschlagen worden, da vor allem am Anfang noch das Personal für eine tagesaktuelle Berichterstattung fehlen würde, aber auch aus ideellen Gründen, da eine hintergründige Berichterstattung in den letzten Jahren immer seltener zu finden sei. Doch genau das sei unerlässlich für eine funktionierende Demokratie. Ergänzend wird es aber auch kürzere Formate bei Karla geben, zum Beispiel auf Instagram. Man würde anfangs etwas experimentieren und schauen, ob das Format längerer Artikel bei Karla angenommen wird, oder ob man diese kürzer gestalten müsse. Dass sich das Medium des Journalismus verändert habe, wolle man dabei nicht aus dem Blick verlieren.

„Ich finde es spannend, dass alles im Fluss ist – dass nichts wirklich fix ist, dass nichts für immer so sein muss.“

Michael Lünstroth, Redaktionsleiter bei Karla

Fazit

Karla scheint ein neuartiges, durchdachtes Projekt, dass sich den schwierigen Verhältnissen im Lokaljournalismus stellen möchte. Zu der Berichterstattung des Südkuriers scheint es momentan keine Alternative zu geben. Doch bei seiner Zielgruppe gibt es ein echtes Problem: Die Menschen werden älter, bei jüngeren Menschen funktioniert das Konzept einer Tageszeitung nur selten.

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