Zufrieden erhebe ich mich, öffne die Fenster und atme tief die frische und saubere Luft ein, die durch die autofreien Wochenenden in der Altstadt reiner ist denn je. Beim Blick nach unten sehe ich einen Elektro-Bus die Hauptstraße entlangfahren. Ich grinse, wenn ich mich an die ausufernde Diskussion zum Thema „Auto fahren in der Konstanzer Innenstadt“ erinnere:
Ein Mann mittleren Alters mit lichtem Haaransatz argumentiert hitzig, fast brüllend:
„Das können wir doch nicht machen, man denke nur an den Tourismus!“
Wieder ein Mann, diesmal mit vollem rötlich-blondem Lockenkopf:
„Was soll aus den Anwohnenden werden?“
entgegnet die ältere Dame, die ihre rechte Hand abwehrend vor sich streckt.
„Ohne Auto zu sein, ist ein sehr rückschrittliches Denken. Wir sind nicht alle Studierende, die so einfach mit dem Fahrrad überall hinkommen,“
Neben meinem Ohr brummt es – gemächlich fliegt eine kleine Erdbiene an meinem Kopf vorbei und lässt sich auf dem Löwenzahn nieder, der aus dem Asphalt sprießt. Sie ist sehr beschäftig damit, eifrig die Pollen aus der Blüte zu nesteln, während ihr flauschiges Fell sich langsam gelb färbt. Es ist schön zu sehen, dass die Bienen in der Stadt wieder ein zu Hause sehen können, seitdem an die Hauswände Insektenhotels installiert und Neubauten begrünt konstruiert werden. So gut wie niemand verfällt mehr in hektisches um sich Schlagen, wenn eine Biene den Weg kreuzt. Es ist zur Normalität geworden.
Jetzt muss ich aber los, genug der Tagträume.
Die Sonne scheint auf meine Nasenspitze. Zum Glück habe ich daran gedacht, mich einzucremen. Zwar schaffen wir es mittlerweile, durch viele einzelne Maßnahmen das Klima stabil zu halten. Was allerdings bisher geschehen ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass wir mit den bisherigen Folgen der Erderwärmung leben müssen. Auch eine Stadt voller Insektenhotels kann daran leider nichts mehr ausrichten.
Auf meinem Weg in die Universität komme ich an zwei Unverpacktläden vorbei und einem Second-Hand-Kleidungsladen. Am Herosé lasse ich mein Rad ausrollen und mache einen kleinen Stopp. Ich platziere mich auf einen der Outdoorsessel aus recyceltem Plastik. Bequem ist etwas anderes – aber wenigstens dem Klima zugutekommend. Das Rauschen des Seerheins lässt mich kurz die Augen schließen und in Erinnerungen schwelgen. Seit die Schifffahrt auf öffentlichen Personentransport und Nutzfahrten beschränkt wurde, sind die Wellen kleiner und das Wasser klarer. Der Bodensee hat sich erstaunlich regeneriert. Es sind nun viel mehr Fische unterwegs und direkt neben meinen baumelnden Füßen hat eine Schwanenfamilie ihr Nest gebaut.
Ich atme ein und aus. Genieße die Natur, die ich zu schätzen gelernt habe in den letzten Jahren der Veränderung.
Ich schwinge mich erneut auf mein Rad für die letzte Etappe. Fahre vorbei an einer Reihe Klimabäume, die schon lange keine Jungbäume mehr sind. Passiere das zweite vegane Restaurant, das aufgrund des hohen Andrangs auf das „Sol“ vor drei Jahren neueröffnet und nun schon die zweite Filiale etabliert hat. Folge der verlängerten Fahrradstraße bis hoch zur Universität, die ebenfalls umringt ist von einer neuen Reihe von Klimabäumen. Freue mich, wie viel sich doch verändert hat durch eine große Anzahl machbarer Kleinigkeiten.