Ehrenamt für Bildungsgerechtigkeit – „Studenten bilden Schüler e.V.“

Bildung sollte für alle sein. Dem ist aber längst nicht so. Chancenungleichheiten prägen das deutsche Schulbild. Woher diese Ungerechtigkeit kommt und welche Rolle der Verein „Studenten bilden Schüler e.V.“ in dem Diskurs spielt, hat Jacob Kern mit Christoph Bischoff, einem Mitglied Bundesvorstands des Vereins besprochen.

Dass Bildungserfolg in Deutschland stark vom Elternhaus abhängig ist, ist längst keine Neuigkeit mehr: Bei einer Studie von UNICEF, in der die Mitglieder der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung „(OECD) und weitere Industrienationen hinsichtlich ihrer Bildungsgerechtigkeit verglichen wurden, belegte Deutschland lediglich Platz 23 von 41 und befindet sich damit im unteren Mittelfeld. Wer aus einem bildungsferneren Haushalt kommt, bekommt oft nur wenige Chancen, den Bildungsrückstand aufzuholen. Eltern haben meist nicht die Fähigkeiten, ihre Kinder in schulischen Angelegenheiten zu unterstützen. Hinzu kommt, dass Schüler:innen die Grundschule in fast allen Bundesländern nur bis zur vierten Klasse besuchen. Danach erfolgt der Übergang auf die Sekundarschule, das Maß der individuellen Betreuung lässt stark nach und bildungsschwächere Schüler:innen werden abgehängt. Wer bis dato keinen Anschluss an den Schulstoff gefunden hat, wird es ohne außerschulische Maßnahmen mit jedem Jahr schwerer haben, ihn nachzuholen. Da gute Bildung in einer Industrienation wie Deutschland aber einer der wichtigsten Faktoren für die Zukunftsgestaltung ist, ist es essenziell, benachteiligte Kinder und Jugendliche auch außerhalb der Schule bei ihrer Bildung zu unterstützen.

Ein deutschlandweiter Verein

Der Verein „Studenten bilden Schüler e.V.“ besteht seit 2012 und hat seinen Sitz in Frankfurt am Main. Seit seiner Gründung haben sich zahlreiche Standorte, die überall in Deutschland verteilt sind, gebildet und auch wieder aufgelöst, wenn bereits Ziele mit ähnlichen Vereinen in der jeweiligen Stadt bestehen. Momentan ist der Verein an 52 Standorten vertreten und insgesamt 2872 Studierende unterstützen 3186 Schüler:innen beim Lernen. Christoph Bischoff, Mitglied des Bundesvorstands bei Studenten bilden Schüler e.V. fasst das Ziel des Vereins so zusammen: „Der Zweck, den wir verfolgen ist, dass wir mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland schaffen möchten, da es sehr viele Chancenungleichheiten gibt, gerade, wenn man sich die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten anschaut.“ Das soll erreicht werden, indem insbesondere sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen kostenloser Unterricht und kostenlose Nachhilfe Angeboten wird. Denn laut Christoph könnten die Familien ihren Kindern oft nicht selbst helfen, hätten aber auf der anderen Seite auch nicht die finanziellen Mittel, um sich Nachhilfe leisten zu können: „Und das ist das Problem, das wir angehen wollen.“ Hierfür können sich Studierende, oder auch Schüler:innen, die gerne Nachhilfe geben möchten, beim Verein melden und angeben, in welchem Fach und in welcher Klassenstufe sie ihre Dienste anbieten wollen. Das Prinzip der Nachhilfe beruht unter anderem auf einem geringen Altersunterschied zwischen Nachhilfelehrer:in und -schüler:in. Ein weiteres Konzept des Vereins ist Einzelunterricht:

„Wir verfolgen das Einzelunterrichts-Prinzip. Dass ein Lehrer oder eine Lehrerin ein Kind betreut. Weil wir möchten, dass dort eine Bindung entstehen kann und dass die Lehrer und Lehrerinnen eine Art Mentor für die Kinder darstellen.“

Christoph Bischoff

Hauptsächlich wird Nachhilfe in den Hauptfächern Mathe und Deutsch gesucht, in manchen Fällen auch in anderen Fächern. Die Vergabe der Unterrichtsfächer erfolgt nach dem Wunsch der Studierenden. Der Verein versucht dann, je nach Präferenzen, jemand Passenden zu finden und stellt den Kontakt zwischen der Familie und den Studierenden her.

Christoph Bischoff, Mitglied des Bundesvorstands von „Studententen bilden Schüler e.v.“

Mehr als nur Nachhilfe

Auch Angebote, die über die Nachhilfe hinausgehen, bietet der Verein an. So können Studierende mit ihren Schüler:innen, nach Absprache mit dem Verein und den Eltern, Dinge wie Kinobesuche, Ausflüge in den Zoo oder ins Theater unternehmen. „Dass nicht nur das Schulische unterstützt wird, sondern dass man den Kindern auch ein bisschen Normalität zeigen kann.“, erklärt Christoph. Gegebenenfalls werden die Kosten dafür auch vom Verein übernommen. Diese Unternehmungen können einerseits die Beziehung zwischen den Nachhilfelehrer:innen und ihren Schützlingen stärken und stellen andererseits eine willkommene Abwechslung im Alltag der Kinder und Jugendlichen dar. Die Nachhilfelehrer:innen könnten außerdem vor allem bei den älteren Schüler:innen für Fragen bezüglich ihrer weiteren Zukunftsplanung Ansprechpartner:innen sein.

Des Weiteren finanziert der Verein den Kindern und Jugendlichen Lernmaterialien, Sportkleidung und während der Pandemie vermehrt auch technische Hilfsmittel wie Laptops. „Wir wissen, wie essenziell es letztendlich ist, dass man richtige Schulmaterialien hat. Von daher ist das natürlich unsere obere Priorität.“

Hilfsbereitschaft wird groß geschrieben: Egal ob Rechtschreibung, Zahlen oder etwas anderes, hier wird den Schüler:innen individuell geholfen

Finanziert wird der Verein vor allem durch Spenden von Privatpersonen und Privatunternehmen, wie zum Beispiel Scandinavian Airlines. Aber auch durch verschiedene Förderpreise, wie den jährlich stattfindenden Penny Förderkorb, den Christoph Bischoff erwähnte, erhält der Verein Geld. Auf die Preise kann man sich als gemeinnütziger Verein bewerben. In verschiedenen Verfahren, zum Beispiel durch Kund:innen-Votings, werden dann einer oder mehrere Vereine evaluiert, die eine Fördersumme erhalten sollen. Spenden von politischen Vereinen werden grundsätzlich abgelehnt, da Studenten bilden Schüler e.V. politisch neutral bleiben möchte.

Ein Standort in Konstanz ist momentan noch nicht gegründet, befindet sich aber in Planung, da die nötigen Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind: Es werden mindestens drei Studierende gesucht, um den Standort gründen zu können. Generell können sich aber alle jungen Menschen, die Nachhilfe geben wollen, bei dem Verein melden. Wer bei der Standortgründung mitwirken und darüber hinaus auch als Gründungsmitglied agieren will, sollte mit ungefähr drei Stunden Zeitaufwand pro Woche rechnen. Wer sich gerne engagieren möchte, kann das Standortleitungsteam in Konstanz kontaktieren und sollte für die Nachhilfe mindestens ein Semester Zeit mitbringen.

Wie viele Stunden die Nachhilfe pro Woche stattfinden soll, kann mit den Schüler:innen individuell vereinbart werden. Erfahrungen in der Nachhilfe sind nicht nötig, stellen aber sicherlich keinen Nachteil dar. Zudem muss bei der Bewerbung ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden, damit die Sicherheit der Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden kann. Dieses darf höchstens sechs Monate alt sein und muss nach drei Jahren des Engagements aktualisiert werden. Das Führungszeugnis kann entweder online oder vor Ort beim Bürgerbüro beantragt werden. Eine Bescheinigung für eine kostenlose Ausstellung erhält man vom Verein.

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