Tintenklecks e.V. – kostenlose Nachhilfe für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem

Seit über zehn Jahren helfen ehrenamtliche Studierende sozial benachteiligten Schüler:innen aus Konstanzer Schulen über die Hochschulgruppe Tintenklecks e.V. Rebecca Engesser erzählt, wie die Mitarbeit bei Tintenklecks abläuft und welchen Mehrwert die Schüler:innen, aber auch die ehrenamtlichen Studierenden durch die Hochschulgruppe haben.

Tintenklecks e.V. ist sowohl ein gemeinnütziger Verein als auch eine Hochschulgruppe an der Universität Konstanz. Seit 2012 ein Verein, ist die Gruppe schon 2009 im Rahmen der Konstanzer Studenteninitiative für Kinder entstanden. Die Hochschulgruppe besteht aus einem Organisationsteam von rund zehn Studierenden und zurzeit etwa 20 Studierenden, die aktiv Schüler:innen kostenlose Nachhilfe geben.

Rebecca Engesser ist bei Tintenklecks als Vorstand in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Die Studentin ist schon seit fünf Jahren ein Mitglied der Hochschulgruppe und kümmert sich vor allem darum, diese bekannter zu machen. So organisiert sie zum Beispiel die Bewerbung der Gruppe in Vorlesungen oder auf Hochschulgruppenmessen. Da Rebecca sehr kontaktfreudig ist und gerne mit Menschen zusammenarbeitet, macht ihr die Öffentlichkeitsarbeit viel Spaß. Neben ihrem Ehrenamt bei Tintenklecks e.V. studiert sie Deutsch, Geschichte und Englisch auf Lehramt.

„Als ehrenamtlicher Verein sind wir auf Spendengelder angewiesen. Durch den rechtlichen Status unserer Gruppe können wir uns zum Beispiel auf das Bürgerbudget bewerben. Wir können zwar keine Bezahlung für die Nachhilfe anbieten, aber von den Geldern finanzieren wir zum Beispiel Lehrbücher, Klassenarbeitstrainer, aber auch Radiergummis oder Geodreiecke, weil zum Beispiel Kinder aus geflüchteten Familien solche Materialien oft gar nicht zur Verfügung haben.“

Rebecca Engesser – Vorstand in der Öffentlichkeitsarbeit bei Tintenklecks e.V.

Vor der Pandemie haben 50, zu Spitzenzeiten sogar um die 70 Studierende über Tintenklecks Nachhilfe gegeben. „Durch die Pandemie ist die Zahl der Ehrenamtlichen stark gesunken“, erzählt Rebecca. „Wir haben während dieser Zeit leider den Kontakt zu den Studierenden etwas verloren, deshalb gibt es zurzeit nicht so viele Nachhilfelehrer:innen. Daher versuchen wir jetzt umso mehr, auf uns aufmerksam zu machen und über die Arbeit in der Gruppe zu informieren.“ Sie hoffe, dass die Anzahl der Nachhilfelehrer:innen von vor der Pandemie wieder erreicht werde, sagt Rebecca. „Wenn es wieder um die 70 Studierende werden, wäre das super, 50 wären aber auch schon gut.“ Das häufigste Problem sei, dass viele Studierende schon andere Verpflichtungen und damit nicht genug Zeit hätten, um ehrenamtlich Nachhilfe zu geben. „Wir wünschen uns trotzdem, dass wir bald wieder mehr Kindern und Jugendlichen die Hilfe anbieten können, die sie brauchen, denn die Warteliste ist immer lang, zurzeit warten rund 25 Schüler:innen, und die Nachfrage nach Nachhilfeunterricht ist derzeit höher, als wir bedienen können.“

Am meisten seien die Hauptfächer nachgefragt, erzählt Rebecca, vor allem Deutsch, Mathe und Englisch. Danach folgten die naturwissenschaftlichen Fächer, obwohl die Nebenfächer generell zweitrangig seien. Unterrichtet würden Schüler:innen aus allen Klassenstufen, von der Grundschule bis zur Oberstufe, aus allen Konstanzer Schulen. „Die meisten unserer Schüler:innen sind jedoch in der Mittel- und Oberstufe, weil es dann auf die Abschlüsse zugeht.“ Die Studierenden seien in Bezug auf die Fächer meist flexibel. Wer zum Beispiel eine Naturwissenschaft studiere, könne meist auch Nachhilfe in Deutsch geben, zumindest in den unteren bis mittleren Klassenstufen.

Eine ehrenamtliche Mitarbeit hat für die Studierenden viele Vorteile. „Für ihren Einsatz bekommen die Studierenden auf jeden Fall eine Gegenleistung“, beschreibt Rebecca. Zum einen erhalten die Ehrenamtlichen ein Zertifikat über ihre freiwillige Arbeit. „Das kommt besonders im Lebenslauf gut an. Viele Arbeitgeber erwarten heutzutage sogar ein Ehrenamt, sodass die Mitarbeit bei Tintenklecks in dieser Hinsicht buchstäblich Türen öffnen kann.“ Außerdem können Mitglieder:innen für ihr Engagement European-Credit-Transfer-System-Punkte (ECTS-Punkte) bekommen, die direkt im Studium angerechnet werden können. Das gilt nicht nur für Lehramtsstudierende, sondern für alle, die im Rahmen ihres Studiengangs Schlüsselqualifikationen belegen müssen.

Besonders für Lehramtsstudierende eignet sich die Mitarbeit, weil sie dadurch konkrete praktische Erfahrungen für das spätere Berufsleben sammeln können. „Denn die Praxis kommt im Lehramtsstudium leider etwas zu kurz“, kann Rebecca als Lehramtsstudentin aus eigener Erfahrung sagen. „Aber generell ist die Arbeit für alle Studierenden bereichernd, denn durch die Arbeit mit Kindern können sich die Studierenden persönlich weiterentwickeln und ihre soziale Kompetenz stärken. Auch von Studierenden, die nicht das Lehramt als Ziel haben, wird es als positiv empfunden, einen Beitrag für gleiche Bildungschancen zu leisten.“

Die Nachhilfe findet in sogenannten Lerntandems statt. Die Tandems werden vom Organisationsteam koordiniert. Dabei wird den jeweiligen Studierenden ein:e oder mehrere Schüler:innen zugeordnet. Das Ziel ist, dass die Studierenden ein:e Schüler:in längerfristig betreuen. So kann eine gute zwischenmenschliche Beziehung aufgebaut werden, die ein fruchtbares Lernklima ermöglicht.

Die Schüler:innen profitieren vor allem davon, dass die Nachhilfe für sie kostenlos ist. So können auch Kinder aus sozial schwächeren Familien, die sich eine kommerzielle Nachhilfe nicht leisten können, private Nachhilfe in Anspruch nehmen. „Um zu gewährleisten, dass die Hilfe auch wirklich bei den Schüler:innen aus sozial benachteiligten Familien ankommt, werden sie über die Schulsozialarbeiter:innen der Konstanzer Schulen an uns vermittelt, da diese objektiv einschätzen können, wer die Hilfe wirklich benötigt. So können wir die ohnehin schon knappe Anzahl an Plätzen gerecht verteilen. Private Anfragen von Eltern nehmen wir eher nicht an.“

„Viele Kinder und Jugendliche, gerade die älteren aus der Mittel- oder Oberstufe, können unsere Arbeit wertschätzen.“ Gelegentlich gebe es aber auch Probleme, erzählt Rebecca. Es sei schon vorgekommen, dass die Studierenden nicht mit ihren zugeteilten Schüler:innen zurechtgekommen seien. Auch seien schon mal Schüler:innen zum vereinbarten Termin nicht erschienen. „Bei solchen Problemen gibt es für die Studierenden die Möglichkeit, das Lerntandem noch einmal zu wechseln.“

Das aktuelle Organisationsteam der Hochschulgruppe Tintenklecks e.V. Foto: Tintenklecks e.V.

Über die Jahre hat der Verein schon einige Erfolgsgeschichten erlebt. „Wir haben Berichte über Studierende, die für mehrere Jahre eine:n bestimmte:n Schüler:in begleitet haben, bis zum Schulabschluss.“ Es gebe konkrete Berichte und Befragungen, in denen verschiedene Schüler:innen angeben, dass die Nachhilfe ihnen geholfen habe und sie sich durch den Unterricht verbessert hätten, erzählt Rebecca. „Durch die positiven Rückmeldungen wissen wir, dass unsere Arbeit Früchte trägt. Es gibt mir viel, dass ich durch mein Ehrenamt dazu beitragen kann, soziale Ungleichheit zu beseitigen.“ Eine Mitarbeit sei in jedem Fall eine persönliche Bereicherung, egal ob man auf Lehramt studiere oder nicht, schlussfolgert Rebecca.

Wer sich bei Tintenklecks engagieren möchte, kann sich hier auf der Internetseite der Hochschulgruppe informieren.
Auch können Interessierte eine E-Mail an tintenklecks@uni-konstanz.de schreiben.
Darin können sie ihr Interesse an der Mitarbeit in der Nachhilfe äußern und gerne schon mal Wunschfächer und mögliche Klassenstufen angeben.
Wer sich für eine Mitarbeit entscheidet, absolviert einen Workshop, in dem es um rechtliche Grundlagen, aber auch um Lehrmethoden und den Umgang mit fehlender Motivation auf Seiten der Schüler:innen geht.
Danach können die Studierenden über die Koordinationsplattform den Schüler:innen zugeordnet werden. Neben Nachhilfelehrer:innen werden auch immer Studierende gesucht, die im Organisationsteam mithelfen.

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