Aus Konstanz in die Großstadt – Mein Erasmus in Tschechiens Hauptstadt Prag

Wer sich für das Wintersemester 2021/22 auf ein Semester mit Erasmus+ beworben hat, sah sich im Herbst vor die Wahl gestellt: Soll ich hinfahren oder doch lieber absagen und es noch einmal versuchen, wenn die Pandemie nicht mehr einen solchen Einfluss auf unser Leben hat. Ich habe mich dafür entschieden, im September nach Prag zu reisen. Was ich dort so erlebt habe, erfahrt ihr hier.

Erasmus während einer Pandemie – geht das überhaupt? Mit dieser Frage mussten sich die Bewerber:innen für das Auslandssemester 2021/22 wohl oder übel auseinandersetzen. Das vorangegangene Jahr hatte nicht allzu viele Hoffnungen auf einen „normalen“ Erasmusaufenthalt geschürt. Mit der Aussicht auf möglicherweise ein weiteres Online-Semester, in dem der Schreibtisch in meinem WG-Zimmer gefühlt meinen Lebensmittelpunkt darstellt, habe ich mich trotzdem beworben: Sechs Monate an der Karlsuniversität in Prag, das war meine Wahluni, die mir einige Zeit später auch bestätigt wurde. 

Der Blick von Weitem auf die Prager Burg. Foto: Antonia Kern

Ahoj Prag!

Mein Leben in Konstanz, mit Ach und Krach in zwei Koffer und einen Rucksack verpackt, hatte wenig mit dem Winter zu tun, den ich in Prag verbracht habe. Die ersten drei Wochen nach meiner Ankunft waren gefüllt mit Stadterkundungen und dem Tschechisch-Intensivsprachkurs, den ich belegt hatte, um mir wenigstens einige Grundlagen der Landessprache anzueignen. Dort hatte ich auch schon die Gelegenheit, meine Erasmus-Mitstudierenden kennenzulernen und erste Freundschaften zu schließen, die mich über das gesamte Semester hinweg begleitet haben. Direkt im Anschluss startete dann mein Studium an der Faculty of Humanities, der Partnerfakultät des Konstanzer LKM-Studiengangs.

Corona – Gibt’s das überhaupt noch?

Von Covid-19 war vor allem in den ersten drei Monaten wenig zu spüren: Erst im Dezember wurde die Maske im Präsenzunterricht zur Pflicht, was allerdings eher durch einige Studierende als durch die Fakultät selbst durchgesetzt wurde. Abgesehen von der Vorweihnachtszeit bis Neujahr blieben hier, was Kultureinrichtungen, Bars und Klubs betraf, keine Wünsche offen. Das Bewusstsein, dass uns nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen würde, um uns und die Stadt kennenzulernen, hat unsere Unternehmungslust enorm beflügelt. Fast jeder Tag war vollgestopft mit Café- und Museumsbesuchen, Ausflügen in die umliegenden Städte und Länder, mehr oder weniger spannenden Unikursen und natürlich dem Prager Nachtleben. 

Antonias Kunstinteresse wurde in Prag definitiv bedient. Foto: Antonia Kern

Prag – das Tor zum Osten

Einige Erlebnisse sind mir besonders im Gedächtnis geblieben, so zum Beispiel ein Wochenendtrip nach Brno, der zweitgrößten Stadt Tschechiens. Mit der ISIC-Card kostet die Busfahrt dorthin inklusive kostenlosem Kaffee umgerechnet zwei Euro, und der Wochenmarkt, die Aussichtstürme und die Burg waren die etwa dreistündige Reise absolut wert. Auch Karlsbad, Krumau und Pilsen waren wie gemacht für einen Tagesausflug, wenn wir dem Trubel der Großstadt für eine Weile entkommen wollten. Das Highlight war dann eine mehrtägige Reise durch Österreich nach Slowenien und Italien, die wir zu acht in einem gemieteten VW-Bus unternommen haben. Nach den letzten beiden Jahren relativer Ausflugs-Abstinenz war es umso eindrücklicher, innerhalb kürzester Zeit Städte wie Graz, Ljubljana oder Triest besuchen zu können. 

Ein Blick auf Prag und seine Altstadt. Foto: Antonia Kern

Meine (nicht sehr geheimen) Geheimtipps

In Prag selbst ist es selbst nach sechs Monaten immer noch möglich, jeden Tag neue Bars und Cafés zu entdecken, und als LKM-Studentin haben mir die verschiedenen Museen und Kultureinrichtungen spannende Nachmittage beschert. Unter anderem das Kampa-Museum, die Dog Bar (Vzorkovna), Hany Bany und das Etapa im schönen Stadtteil Karlín waren immer einen Besuch wert. Das ist aber nur eine Auswahl aus den endlosen Möglichkeiten, die die Stadt zu bieten hat. 

Die Reiterstatue von Jan Žižka vor dem Nationaldenkmal auf dem Vítkov. Foto: Antonia Kern

Prüfungszeit ist Kaffeezeit

Natürlich gab es auch hier eine Klausurenphase, die bei mir aber eher zu einer Hausarbeitenphase mutiert ist: Da einige Lehrende kurzfristig ihre Prüfungsformen geändert haben, stand ich am Ende vor der Aufgabe, vier Hausarbeiten innerhalb eines Monats schreiben zu müssen. Da hat sich der Dezember mit seinen strengeren Corona-Regelungen natürlich angeboten, und zusammen mit meinen Mitstudierenden haben wir auch diese etwas anstrengendere Zeit in den Kaffeehäusern Prags gut gemeistert. Belohnt wurden wir aufgrund der variierenden Englischkenntnisse unserer Dozent:innen mit Bestnoten, die in Massen verteilt wurden, aber natürlich trotzdem absolut verdient waren. Nach der letzten Abgabe blieben mir dann noch circa zwei Monate Freizeit, die ich für weitere Reisen, einen (durch eine Covid-Infektion abgekürzten) Skiurlaub und eine ganze Menge Abschiedsfeiern genutzt habe.

Die Aussicht auf die Moldau vom Vyšehrad, dem zweiten Burgberg Prags. Foto: Antonia Kern

Von meinem ersten Auslandsaufenthalt nach dem Abitur war mir noch im Gedächtnis, wie schnell man in einer Situation wie der im Erasmus Freundschaften schließt. Man befindet sich in einer fremden Stadt, spricht die Sprache nicht und hat, im Falle meines Jahrgangs, zum ersten Mal wieder die Möglichkeit, das eigene Leben relativ frei nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Auch diesmal hat es sich absolut gelohnt, sich in dieses neue Leben zu stürzen. Meine Prager Freund:innen und all das, was ich zusammen mit ihnen erleben durfte, werden mir immer bleiben.

Antonia hat während ihres Erasmus viele neue Freunde gefunden. Hier auf dem Metronom im Letná Park. Foto: Antonia Kern
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