Uni Konstanz Innen

Die Adressierung von Rassismus und Diskriminierung an der Hochschule

Derzeit besitzt in Folge des durch Polizeigewalt verursachten Todes George Floyds und weltweit stattfindenden Protesten kaum eine Thematik eine solche Sprengkraft und Brisanz wie das Thema Rassismus.

Die Ereignisse lassen sichtbar werden, dass es sich bei rassistisch motivierten Diskriminierungen um eine erschütternde Realität auf allen Ebenen der Gesellschaft handelt. Das betrifft auch Konstanz, wo „Black Lives Matter“ mehrfach solidarisch die Stimme gegen Intoleranz erhoben hat. Rassismen äußern sich alltäglich, personell und strukturell, beispielsweise als Benachteiligung auf dem Arbeitsplatz, Ausgrenzungen bei der Wohnungssuche oder bei fehlender politischer Repräsentation. Die breite öffentliche Sensibilisierung zur Rassismus-Problematik macht es momentan unerlässlich, einen Blick auf die Begegnung von Rassismus und Diskriminierung an unseren Hochschulen und Universitäten zu werfen.

Welche Anstrengungen werden im Umgang mit Diskriminierungen unternommen, wie werden Betroffene unterstützt? Und wie ist es um den Status Quo der Diversity und Heterogenität an den Hochschulen bestellt?

Gerade an Hochschulen ist die Geschichte des Rassismus unrühmlich verlaufen, hier entstanden die theoretischen Begründungen des Rassismus. Während inzwischen vielfach belegt wurde, dass es sich bei der Vorstellung von „Menschenrassen“ um eine rein erfunden Konstruktion handelt, wurden besonders im 19. Jahrhundert von zahlreichen Wissenschaftler_innen Versuche unternommen, Rassismus wissenschaftlich zu untermauern. Zu diesem Zweck wurden unter anderem menschliche Körperteile aus den Kolonien in Beschlag genommen, „vermessen“ und klassifiziert, um dadurch die Existenz von Rassen nachzuweisen und ein Bild der eigenen Überlegenheit zu erzeugen. In diesen rassistischem Kontext eingebettet, wurde auch Darwins Evolutionstheorie pervertiert und zweckentfremdet. Der deutsche Biologe Ernst Haeckel unternahm etwa eine Umdeutung des Prinzips der natürlichen Auslese, indem er von einem Kampf zwischen Rassen und Völkern als Grundlage sozialen und zivilisatorischen Fortschritts phantasierte.

Auch die Geisteswissenschaft trug ihren Teil zur „wissenschaftlichen“ Rechtfertigung rassistischer Denkmuster bei. Aussagen zu einer Hierarchie der Völker lassen sich beispielsweise bei Größen wie Kant und Hegel finden. Kritisch daran ist besonders der Fortbestand von Rechtfertigungsmustern mit Berufung auf die entsprechenden Traditionen. Rassismus bezieht sich in heutiger Form gern auf vormals formulierte „wissenschaftliche“ Argumente, auch wenn diese heute als „pseudowissenschaftlich“ gelten. Obwohl rassistische Ideen in der gegenwärtigen Forschung weitestgehend verschwunden sind, können Hochschulen nach wie vor potenzielle Schauplätze von Diskriminierungen sein.

Hochschulen sind Orte der gesellschaftlichen Vielfalt, sie beherbergen unterschiedlichste Gruppen mit eigenen Identitäten, Lebenssituationen und Bedürfnissen.

Nichtsdestotrotz wird an verschiedenen Stellen darauf aufmerksam gemacht, dass institutionelle Benachteiligungen beim Zugang zu Ämtern und Stellen sowie Erschwernisse bei der Entwicklung im Studium und der akademischen Karriere aufgrund von Hautfarbe und Ethnie an der Tagesordnung sind. In diesem Zusammenhang sagte Né Fink vom Göttinger Zentrum für Geschlechterforschung im Rahmen der durch die StuVe gestalteten „Themenwoche Diskriminierung“:

„Universitäten waren nie Räume für alle.”

Ein Blick auf die Zusammensetzung des Rektorats der Universität Konstanz lässt einen ersten simplen Rückschluss zu, der diese Analyse der Verhältnisse an den Hochschulen festigt. In diesem maßgeblichen Organ sind beispielsweise Schwarze Menschen deutlich untervertreten. Neben diesem Befund kommt die Studierendenvertretung zu einer beklemmenden Einschätzung der Antidiskriminierung an der Universität. Sie bemängelt das Fehlen eines breiten Diskurses. Rassismus würde nur als „Nischenthema“ in den dafür zuständigen Referaten behandelt und damit nicht seiner Geltung gerecht. Der Diskurs müsse aber ausgeweitet werden. Letztlich betrifft diese Kritik die Studierendenvertretung ebenfalls:

Die Antidiskriminierung ist nur ein kleiner Teil der StuVe, enthalten im Referat für Gleichstellung, Soziales und Antidiskriminierung. Dem Thema wird nicht, wie dies etwa im Studienrat Leipzig der Fall ist, ein eigenes Referat „Antirassismus“ gewidmet.

Der Blick darauf, dass ein Studium ursprünglich nur weißen Männer gehobener Schichten zugutekam, liefert einen Hinweis, dass Hochschulen strukturelle Veränderungen aktiv gestalten müssen. Diesem Umstand trägt die Universität Konstanz dadurch Rechnung, dass in ihrer komplexen institutionellen Architektur für Fragen der Chancengleichheit und Vielfalt das Referat Gleichstellung, Familienförderung und Diversity arbeitet. Durch einen breiten Maßnahmenkatalog strebt das Referat an, Mitglieder und Angehörige der Hochschule vor Diskriminierungen und sexualisierter Gewalt zu schützen. Die Ziele der Begegnung mit diskriminierenden Praktiken und Strukturen an der Universität sind im „Diversity-Kodex“ und der „Richtlinie gegen Diskriminierung“ aufgeführt. Die Universität beteiligt sich auch an der „Charta der Vielfalt“, einer Initiative zu Vielfalt in der Arbeitswelt.

Die im „Diversity-Kodex“ festgehaltene Diversity-Strategie der Uni ist in drei Teilbereichen untergliedert: DerAnerkennung von Vielfalt als gesellschaftliche Realität und Wert, welche das Versprechen umfasst, dass alle Mitglieder und Angehörige ihre Potenziale gleichermaßen entfalten können. Die Förderung gleichberechtigter Teilhabe, der Chancengerechtigkeit im Studium und dem Zugang zu allen Stellen sowie die Stärkung von Antidiskriminierung, also der Beseitigung von Barrieren und Nachteilen für Betroffene. Subsummiert verfolgt die Universität im Rahmen eines „positiven Diversity-Klimas“ das Ziel, Mitglieder und Angehörige hinsichtlich ihrer Kompetenz zu fördern, vorurteilsfrei zu bewerten und Stereotypisierungen zu vermeiden.

Das Referat für Gleichstellung, Familienförderung und Diversity arbeitet auf mehreren Ebenen entlang des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Dabei erstreckt sich der Wirkungsradius von Präventionsmaßnahmen gegen Diskriminierung bis hin zum Angebot der Beratung und Unterstützung bei diskriminierenden Vorfällen. Diversity wird vom Referat in Form mehrerer Schwerpunkte bearbeitet, darunter etwa Inklusion, Gleichstellung, Bildungsgerechtigkeit und Vereinbarkeit. Eine aktuelle Stellenausschreibung fokussiert auf die Bearbeitung von Diversity in der Wissenschaftskultur, der Lehre und Führung. Bei der Arbeit des Referats nimmt das Thema Antirassismus eine tragende Rolle ein. Veranstaltungen zur Sensibilisierung für rassistische Diskriminierung und für das Empowerment betroffener Personengruppen gehören zum Kern der Tätigkeit.

Die konkrete Adressierung rassistischer Diskriminierungen ist auf verschiedene Beratungsangebote für Betroffene verteilt. Bei negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit diversity-bedingten Benachteiligungen ist der „Wegweiser Anti-Diskriminierung“, die Anlaufstelle der Anti-Diskriminierungsberatung und die „Psychotherapeutische Beratungsstelle“ von Seezeit vorhanden.

Auch zu den anderen Teilbereichen von Diversity, etwa der Familienförderung, existieren mehrere Angebote, an die sich Studierende mit Kind wenden können.

Im Bereich der Familienförderung gilt die Universität laut des Referats sogar als „best-practice-Universität“.

Gemäß den Angaben des Referats ist die Heterogenität der Studierendenschaft in den vergangenen Jahren angestiegen. Dies hat unterschiedlichste Herausforderungen für die Gesamtorganisation Universität zur Folge. Nicht zuletzt Themen wie das Teilzeitstudium, die Flexibilisierung der Studienorganisation oder das berufsbegleitende Studium sind Bestandteile der Agenda. Qualitativ erhobene Daten zum Stand der sozialen Heterogenität an der Universität fehlen allerdings. Begründet ist dies darin, dass auch in anonymen Erhebungen sexuelle Orientierung und etwaige Erkrankungen Privatsache bleiben sollen. Um die Wahrnehmung von Akzeptanz und Diskriminierung an der Universität zu erfassen, ist in Kooperation mit circa zehn weiteren Hochschulen bundesweit eine anonymisierte Befragung aller Universitätsangehörigen in Form eines „Diversity Climate Checks“ geplant.

Inwieweit sich die vielfältige Arbeit des Referats vor dem Hintergrund der verstärkten öffentlichen Thematisierung und der aktuellen Protestbewegungen verändert hat, lässt sich durch die Corona-Situation noch nicht genau messen. Anfragen an die Antidiskriminierungsberatung sind jedoch nicht angestiegen. Mitte Juni wurde ein Onlineportal geschaffen, das in komprimierter Form einen Überblick über bestehende Initiativen, Stellungnahmen und Commitments zu Integration von Diversity, Forschungs- und Lehrthemen sowie Veranstaltungen zur Thematik liefert. Auf dem Portalauftritt wird die antirassistische Grundhaltung der Universität weiter betont, gleichzeitig wird die Notwendigkeit eines weitergehenden Diskurses über Rassismus und die Existenz von strukturellem Rassismus anerkannt und hervorgehoben.

Laut Referat umfassen Baustellen und Nachbesserungsbedarf beim Abbau benachteiligender Barrieren eine „bessere Integration der Themen in der Lehre, mehr Anti-Diskriminierungstrainings für alle, sowie weiterführende Schulung der Beratungsstellen in diesem Bereich.“ Weiterer konkreter Handlungsbedarf wird bei der Flexibilisierung von Studienmöglichkeiten ausgemacht.

Man erhofft sich dabei, dass „individuellen Lebensumständen, die auch in mehrere Dimensionen von Diversity hineinragen, Rechnung getragen und der Freiraum gegeben wird, den eigenen Weg nach den eigenen Möglichkeiten und Wertvorstellungen zu gestalten.“

Antidiskriminierungsarbeit wird als fortlaufendes Projekt angesehen, denn „so wie sich gesellschaftliche und individuelle Ansichten laufend verändern, müssen sich die Strukturen entsprechend anpassen.“ Überlegungen des Referats zur diskriminierungsfreien Gestaltung der Universität beziehen sich auf die Gestaltung von Toiletten und Umkleidekabinen für alle Geschlechter, der Einrichtung eines Raumes für Gebete, technischer Ausstattung für Menschen mit Beeinträchtigungen, digitale Barrierefreiheit „sowie weniger infrastrukturelle Barrieren für Personen im Rollstuhl und Eltern, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind.“

Zwei weitere Dimensionen der Antidiskriminierung werden im Gespräch vom Referat betont. Einmal müsse „der Abbau von Vorurteilen auch im gemeinsamen Tun, in Angeboten, die integrieren und die verschiedenen Personen zusammenzubringen“, stattfinden.

Hier kooperiert das Referat mit Hochschulgruppen und Initiativen auf dem Campus wie etwa „Arbeiterkind“, „Bridging Gaps“, der Queer-Hochschulgruppe oder Gruppen im Bereich von Studieren im Asyl.

In der Zukunft sollen Kooperationen weiter ausgebaut werden, ein Schwerpunkt soll dabei auf Diskriminierungen auf Grund der ethnischen Herkunft liegen. Weiter gilt es neben der kollektiven Dimension der Antidiskriminierungsarbeit an der Universität auch die individuelle Komponente anzuerkennen. Weiß zu sein oder einer Mehrheitsgruppe anzugehören geht einher mit Vorteilen. Es bedeutet, unmarkiert zu sein. Individuell muss Verantwortung für die eigenen Privilegien übernommen werden, um einen Beitrag zu ihrem Abbau zu leisten und rassistischer Intoleranz Einhalt zu gebieten.

Dazu gehört, dass „jede einzelne Person aufmerksam bleibt, ihre eigenen Wahrnehmungen und Handlungen kritisch hinterfragt und gegebenenfalls auch mutig darauf aufmerksam macht, wenn sie Missstände bemerkt – was alles andere als einfach ist. Letztendlich geht es um grundlegenden Respekt zwischen Menschen und ihren Bedürfnissen.“

Das Onlineportal „Gemeinsam gegen Rassismus und Diskriminierung“ der Universität Konstanz bietet einen komprimierten Überblick über Anlaufstellen für Betroffene, Initiativen und Stellungnahmen gegen Rassismus:

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