Ein Ausflug in die Uni-Katakomben

Geheimgänge an der Uni? Unterirdische Katakomben? Neben der schwarzen Unikatze gibt es so manche Gerüchte über die Universität Konstanz. Die StuVe hat vor Weihnachten zu einer Führung durch die sogenannten Katakomben gemeinsam mit dem Facility Management geladen – und unsere Redakteurin Livia hat für euch das Geheimnis gelüftet.

Es ist Donnerstag kurz nach 15 Uhr. Ich laufe durch das Foyer der Uni, die Treppen hoch zum Hörsaal A703. Dort soll nach einer kleinen Einführung des Facility Managements (FM) die Katakombentour beginnen. Von „Expeditionsteams“, „Geheimgängen“ und „Tiefen der Universität“ war vorab in der E-Mail der Studierendenvertretung (StuVe) die Rede. Das setzt die Messlatte meiner Erwartungen schon mal hoch. Ich will mehr wissen. 
Vorher habe ich mich über ein entsprechendes Online-Formular angemeldet. 120 Studierende konnten teilnehmen. Einen Tag später kann man sich nur noch auf die Warteliste setzen lassen. Das scheint wohl eine begehrte Führung zu sein, denke ich mir.

Während mittlerweile immer mehr Studierende in Grüppchen in den Hörsaal schwappen, baut Tilo Prautzsch vom Facility Management seinen Laptop am Rednerpult auf. Punkt halb vier beginnt er mit seiner Einführung – und zeigt dabei eine alte PowerPoint-Präsentation von 2019. Leise Lacher erklingen von den Studierenden: Natürlich, nicht mal eine aktuelle Präsentation, wer kennt das nicht bereits aus den Vorlesungen? Doch bevor er seinen Vortrag beginnt, stellt Tilo Prautzsch klar: „Die Universität verfügt natürlich nicht über sogenannte Katakomben. Mit so vielen Leuten könnte man sicherlich nicht in Katakomben gehen.“ Nein, Katakomben seien Grabanlagen, diese würden unter der Uni nicht existieren. „Die sogenannten Katakomben sind technische Versorgungsanlagen“, erklärt er. „Es gibt keinen unterirdischen Gang.“ Aber wie auch in Grabanlagen seien diese Anlagen mit ihren Treppen und Stiegen nicht immer trittsicher. Doch dann wechselt er erstmal schnell das Thema und klärt die Studierenden über die Arbeit des Facility Managements und vor allem die anstehenden Baumaßnahmen der nächsten Jahre an der Uni auf. 

Tilo Prautzsch stellt das Facility Management vor. Foto: Adam Aach / StuVe Presse

Die Gebäude C, D und E werden generalsaniert, daher wird gerade auch das neue X-Gebäude gebaut. Die Kosten belaufen sich mittlerweile auf 100 Millionen Euro. „Auch die StuVe wird in das Gebäude einziehen, ganz oben“, erzählt Prautzsch. Auch der Biologietrakt und das Gebäude A werden saniert. Hier gebe es eine Risikokopplung von Brandschutz und Schadstoffproblemen. Ab April wird diese angegangen. Auch die Erschließung der neuen Mitte mit einer Tiefgarage für Fahrradstellplätze ist geplant. Die große Frage nach dem Standort des Biergartens sei aber bisher noch nicht geklärt, gibt Tilo Prautzsch zu. Alle nicken eifrig. Der Biergarten ist uns Studierenden natürlich das Herzstück der Uni. 

Dann geht es los. Tilo Prautzsch verteilt bunte Papierzettel an die Studierenden. Jede Farbe bekommt seinen eigenen Tourguide vom Facility Management. Während schrittweise jede Gruppe aus dem Hörsaal geht, bleiben ich und eine kleine Gruppe sitzen. Wir alle haben einen weißen und keinen bunten Zettel. „So, und Sie müssen sich wohl mit mir zufriedengeben“, scherzt Prautzsch. Nach und nach nehmen wir unsere Sachen und folgen ihm aus dem Raum. Vom B-Gebäude geht es die Treppen herunter, stufenweise steigen wir immer tiefer. Das Treppenhaus scheint nicht enden zu wollen, bis wir plötzlich anhalten und durch eine Tür in einem Heizungskeller stehen. Von dort aus gehen wir eine schmale metallene Treppe über einen langen dunklen Tunnel in einen Raum. Zwischen Heizstrahlern und grauen Spinden stehen wir unter der Niederspannungsverteilung. Von hier werden ungefähr 20.000 Volt in die Gebäude geleitet. „Als ich an der Uni angefangen habe gab es nur eine Stromleitung“, erklärt Tilo Prautzsch. Das war in den 90er Jahren.

Hier stehen wir unter der Niederspannungsverteilung. Foto: Adam Aach / StuVe Presse

Ab jetzt wird es interessant, denn Tilo Prautzsch hält zu jeder Station unserer Katakombentour spannende Facts bereit. Angefangen bei der ersten Betriebsschließung der Universität 2001. Damals sei das neu und befremdlich gewesen. Mitarbeiter:innen hätten sogar Klagen gegen die Schließung angedroht. „Sie haben sich in ihrer Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt gesehen“, erzählt er. Dabei sei das nur unglücklich kommuniziert worden. Und auch zur Historie der Uni kommen wir. 1977 wurde die Uni Konstanz gebaut und gegen Ender der 70er Jahre fertig. „Die Uni bestand ganz früher aus zwei Professoren und zwei Studierenden im heutigen Steigenberger Hotel“, erinnert er sich. Seit der Exzellenzstrategie würde nun jedes Jahr ein neues Gebäude gebaut werden. 

Wir kommen auch auf die Orientierung innerhalb der Uni zu sprechen, was bekanntlich nicht immer einfach ist. Ein Studierender fragt, auf welcher Ebene wir uns gerade befinden. „Ebene 2“, sagt Prautzsch, „das ist aber eigentlich keine richtige Ebene, sie wird nur dazu gezählt.“ Er diskutiert mit uns, wie die Gebäude- und Raumbezeichnungen zu Stande kamen. „Sie dienten auf jeden Fall zur Orientierung. Wusstet ihr, dass sie früher nach räumlichen Achsen benannt waren?“, fragt er in die Runde. Auch Farbkombinationen statt Nummerierungen und Buchstaben seien im Raum gestanden. Das wäre aber auch noch komplizierter geworden, da sind sich alle in der Gruppe einig. 

Im Falle der Eskalation des Kalten Krieges sollte die Uni als Krankenhaus dienen. Foto: Adam Aach / StuVe Presse

Dann geht es zurück auf den metallenen Übergang. Von oben kann man in einen breiten langen Gang gucken, der in der Dunkelheit verschwinden zu scheint. Jetzt fühlt man sich doch irgendwie ein bisschen wie in Katakomben. Tilo Prautzsch packt ein weiteres interessantes Detail aus: Die Uni hätte im Kalten Krieg tatsächlich als Krankenhaus dienen können, falls es zu einer Eskalation kommen sollte. Sie wurde sogar mit Feldbetten und Ähnlichem ausgestattet. „Unterirdisch sind noch ein paar hundert Betten gestapelt“, erzählt er. 

Dann gehen wir ein Stück zurück zur Heizungsanlage. Hier erstrecken sich mehrere Rohre vom Boden bis zur Decke. Weiter geht es zum Kühlwasser und der Trinkwasserverteilung. Alle neuen Gebäude werden Photovoltaik haben, erklärt Prautzsch. Das mache aber nur ein Prozent des Strom- und Heizungsvolumens der Uni aus. „Ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt er. 1, 4 Millionen Kubikmeter Wasser würden aus dem Bodensee zur Kühlung verwendet. Allerdings würden die Quackermuscheln aus dem See momentan sehr viele Probleme bereiten und die Kühlgeräte kaputt machen. 

An den Lüftungsanlagen für die Bibliothek geht es nun zwei steile metallene Treppen hinauf und einen Gang mit dicken Rohren entlang, bis wir unter dem K-Gebäude und dem kleinen Heizungsverteiler stehen. „In diesem Versorgungskanal wurden auch schon mehrere Krimis gedreht“, erzählt Prautzsch. Von studentischen Projekten des LKM-Studienganges bis zum Tatort und der WaPo Bodensee spielten schon eine Reihe an Filmen an der Uni. Dann geht es einen schmaleren dunklen Gang entlang. Wenn am Anfang noch vereinzelt ein Licht brannte, dann sieht man jetzt teilweise kaum mehr etwas bis auf ein Schimmern in der Ferne. Plötzlich bin ich mir ziemlich sicher, dass ich in dem schwachen Schein an einer toten Maus vorbeigelaufen bin. Iiiih. Hätte mir sicher auch in einer Grabanlage passieren können. Also gar nicht mal so anders. 

Am Ende der Tour befinden wir uns an der Übergabestation des Trinkwassers und der Gasleitungen an die Stadtwerke. Über uns laufen zwei dünne, altaussehende Kabel. Nicht sehr vertrauenserweckend. Das seien die Hochspannungsleitungen, wie uns Tilo Prautzsch erläutert. Diese sind mit Öl gefüllt, werden aber bald durch neue Erdkabel ersetzt. Die Stadtwerke würden auch regelmäßig das Wasser messen, damit niemand an der Uni Chemikalien oder Ähnliches in den Abfluss schüttet. „Das Chemiegebäude wurde deswegen tatsächlich schon einmal fast geschlossen“, merkt Prautzsch an. Es komme ab und zu vor, dass manche Studierende zu faul seien, bestimmte Schadstoffe richtig zu entsorgen. Dabei sei auch schon der ein oder andere Unfall passiert. Es gebe auch jedes Jahr einen Brand. „Aber in den letzten 20 Jahren gab es keinen Großbrand mehr“, betont er. 

Wir plaudern noch eine Weile über die Gefahren von Schadstoffen und mögliche Konsequenzen für die Uni, als auch über die schleppende Digitalisierung. Danach entlässt uns Tilo Prautzsch. „Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Bitte passen Sie beim Hinausgehen auf, die Treppen sind sehr rutschig.“ Durch eine große Kellertür geht es eine schmale steinerne Treppe ins Freie. Wir befinden uns an der Zufahrt zur Uni. Ich atme die kalte Abendluft ein. Endlich wieder an der Oberfläche. Ich habe zwar keine Katakomben im Sinne von Grabanlagen finden können, dafür aber spannende Einblicke hinter die Kulissen erhalten können. Oder sollte ich vielleicht unter der alltäglichen Schicht des Unibetriebes sagen?

Die StuVe bietet gemeinsam mit dem Facility Management in unregelmäßigen Abständen Führungen durch die sogenannten Katakomben an. Weitere Infos findet ihr bei der StuVe oder unter dem Veranstaltungskalender: https://www.uni-konstanz.de/universitaet/aktuelles-und-medien/oeffentliche-veranstaltungen/veranstaltungen/

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