Die Versprechen der Bundesregierung in Bezug auf das Leben von LGBTQIA+ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex, Asexual/Aromantic/Agender) erstrecken sich von rechtlichen Regulationen, wie das Selbstbestimmungsgesetz, über Familienpolitik bis hin zu Sicherheit. Im Gegensatz zur vorherigen Regierung stellt die Ampelkoalition erstmals einen größeren Fokus auf die Rechte von LGBTQIA+ und implementiert aktiv Ziele zur Antidiskriminierungsarbeit. Der Koalitionsvertrag demonstriert zwar gute Absichten doch inwiefern nehmen diese tatsächlich Einfluss auf das gesellschaftliche Leben in Deutschland?
Uniqueer – Safe Space für queere Studierende
Staatliche Institutionen wie Universitäten stehen in der Verpflichtung den Bildungsauftrag zu erfüllen. Demnach ist es auch ihre Aufgabe im Sinne der wandelnden Gesellschaft und Politik derzeitige Diskurse um Gender, Sexualität, Körper und Identität in Lehre als auch Alltagsbetrieb zu integrieren. Im Gespräch mit Zoey Gebert, Mitglied der Hochschulgruppe Uniqueer an der Universität Konstanz, erweist sich die Universität durchaus als Ort für Begegnung, Austausch sowie Raum zur Selbstbestimmung und Selbsterkundung. Damit ist nicht gesagt, dass jede Erfahrung positiv ist. Gespräche zwischen queeren Personen und Menschen, die nicht Teil der Gemeinschaft sind, hinterlassen häufig ein Gefühl von Frustration und Ausgrenzung.
Zoey Gebert benennt einen Beweggrund die Hochschulgruppe Uniqueer zu besuchen wie folgt: „In vielen Fällen ist es so, dass man nur eine kleine Gruppe an queeren Freunden hat und daher auch nur einen geringen Zugang zu queeren Räumen und dafür ist Uniqueer eine gute Anlaufstelle. Bei uns kann man neue Leute treffen und kennenlernen und so ein gewisses soziales Umfeld schaffen, in dem man sich sicher fühlt.“ Uniqueer bietet einen Treffpunkt für Menschen aus der LBGTQIA+-Gemeinschaft, um queere Themen zu besprechen, sich über Erfahrungen und Probleme auszutauschen, sowie an einem sicheren Ort zusammenzukommen.
„Safe Space im Kontext unserer Hochschulgruppe bedeutet, einen queeren Raum zu bieten, indem sich Mitglieder sicher und wohl fühlen. Besonders wichtig dabei ist, dass Druck- und Stresssituationen sowie verfremdende Situationen, die oft Teil des Alltags von queeren Menschen sind, zu vermeiden. Dazu gehört auch, dass man nur über die Themen redet, über die man reden will und niemand zu irgendwas gezwungen ist.“
Zoey Gebert
Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, stellte die Regierung im Herbst 2022 den Aktionsplan „Queer Leben“ vor, indem Maßnahmen für Akzeptanz und Schutz von Menschen der LBTQIA+-Gemeinschaft ausgeführt werden. Unter dem Punkt Teilhabe bestimmt die Bundesregierung, dass einerseits Forschung und Datenerhebung zum Leben queerer Menschen stärker gefördert und ausgebaut werden und andererseits Länder bei der Aufklärung an Schulen unterstützt werden sollen. Sprich, der Grad und die Qualität der Teilhabe queerer Menschen am gesellschaftlichen Leben ist maßgeblich abhängig von der Informationsgrundlage, die in besagter Gesellschaft herrscht. Ein gut informiertes Gesundheitssystem oder Schulsystem kann queere Menschen besser beraten und unterstützen. Durch eine aufgeklärte Öffentlichkeit kann Diskriminierung reduziert und Begegnungen zwischen queeren und cisgender heterosexuellen Menschen inklusiver gestaltet werden.
Anerkennung im Uni-Alltag
Solche Begegnungen im Universitätsalltag sind stets im Rahmen ihres Kontexts zu beachten und beurteilen. Als Studentin in den Fachbereichen Soziologie und Genderstudies, befindet sich Zoey Gebert beispielsweise in einem Umfeld, das sich mit den aktuellen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen hinsichtlich queerer Existenz auskennt. Sie berichtet: „Dozierende sagen am Anfang der Vorlesung, falls jemand einen anderen Namen hat als auf den Anwesenheits- und Namenslisten vorgegeben, man diesen beim Dozierenden ändern kann.“ Dementsprechend finden Begegnungen und Interaktionen mit Dozierenden und Studierenden (meistens) auf Basis von Verständnis und Rücksichtnahme statt.
Heißt das nun, dass respektvolle Interaktionen zwischen queeren und nicht-queeren Menschen abhängig vom Fachbereich sind? Gewiss nicht, doch es hebt hervor, dass Wissen über queeres Leben erheblich zu einem sensiblen und respektvollen Umgang miteinander beiträgt. Inwiefern integriert die Universität aber nun dieses Wissen, um den Studienalltag für seine queeren Studierenden zu verbessern? An dieser Stelle scheint es nämlich noch Mängel zu geben. Das Abändern der Pronomen und des Namens für trans Personen im eigenen Zeus-Account ist beispielsweise einer dieser Mechanismen, der bis dato nicht möglich ist. Dabei würde ein vereinfachter Prozess einige unangenehme und schmerzhafte Situationen verhindern, wie ständig den eigenen Namen gegenüber anderen berichtigen zu müssen.
Die neue Norm: Queere Existenz
Trotz der Bemühungen und längst überfälligen Versprechen und Maßnahmen seitens der deutschen Regierung zur Förderung von Schutz, Recht und Respekt gegenüber der LBTQIA+-Gemeinschaft, sind Gewalttaten gegen queere Menschen und Diskriminierung von queerer Existenz immer noch präsent. Zoey betont, dass ein klassisches Problem im Universitätsalltag, der Kampf um die Anerkennung ist. Sie erklärt: „Das Wichtigste, um überhaupt eine Grundlage für einen Dialog zwischen queeren und nicht-queeren Menschen zu ermöglichen, ist die Normalisierung der queeren Existenz.“ Die Identität eines Menschen zu achten, ist der erste Schritt, um respektvolle Kommunikation zu schaffen. Damit die Vorhaben der Bundesregierung realisiert werden können, benötigt es also mehr Repräsentation, mehr Berührungspunkte zwischen queeren und nicht-queeren Menschen und vor allem die Erarbeitung einer neuen Norm, in der queere Existenz nicht mehr als anders oder fremd wahrgenommen wird sondern als Teil der Normalität.
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