Endlich ist es soweit: Erstmals nach Beginn der Corona-Pandemie kann das Campus-Festival wieder stattfinden. Und das in einem ganz neuen Gewand: An einem anderen Standort und deutlich größer. Hinter dem Festival steht ein gewaltiger Organisationsaufwand: Fast 1.000 studentische Helfer:innen arbeiten hier vor, während und nach dem Festival mit. Auf dem Flugplatz gibt es die Möglichkeit zu campen und die Stadtwerke setzen zusätzliche Busse ein.
Dass bei einem so großen Ereignis nicht alles glatt läuft, ist klar. Einige Berichte, die uns im Zuge der Recherche zu diesem Artikel erreicht haben, gehen noch darüber hinaus – der Unmut unter manchen Teilnehmer:innen ist groß.
Was nicht so gut lief
Wer öfter am Hörnle ist, weiß, dass hier die mobile Netzabdeckung eher schlecht ausfällt. Daher hat die Veranstaltungsleitung in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken an verschiedenen Stellen WLAN einrichten lassen, von welchem auch das rein digitale Bezahlsystem der Stände auf dem Festivalgelände abhängig sein sollte. Aufgrund der hohen Auslastung bricht das Internet aber bereits am ersten Tag zusammen, sodass das Bezahlsystem nicht mehr funktioniert. Dadurch wurde beim Bezahlvorgang bei einigen Teilnehmer:innen zwar Geld abgebucht, dieses jedoch nicht auf das Armband übertragen. Über Nacht gelingt es, zwei Kassen mit einem Glasfaseranschluss zu versorgen, sodass bis Samstag das Netz stabilisiert werden konnte.
Bei den Kassen soll es den Besucher:innen möglich sein, ihr Armband mit Geld aufzuladen. Am ersten Tag gibt es nur zwei Bargeldkassen, bei den restlichen Kassen ist lediglich bargeldlose Zahlung möglich, was aber nicht ausgeschildert ist (am zweiten Tag ist es an allen Kassen möglich, sowohl mit Bargeld als auch bargeldlos zu zahlen). Um die Bändchen aufladen zu können, müssen sie vorab am Eingang aktiviert werden, was den Helfer:innen vor Ort wohl nicht mitgeteilt worden ist. Viele haben bereits vorab Guthaben gekauft, und wollen dieses nun per QR-Code auf ihr Bändchen übertragen, was nicht möglich ist, da es an den Kassen keinen QR-Code Scanner gibt. Die Folge ist, dass viele lang anstehen müssen, ohne dass ihnen an den Kassen geholfen werden kann.
Bei einer Kasse nahe am Eingang ist der Ansturm besonders groß, es gibt keine Leitplanken und nur wenig Sicherheitspersonal. Menschen strömen von allen Seiten herbei, es kommt zu einem großen Gedränge, das darin mündet, dass die Helfer:innen an der Kasse nicht mehr arbeiten können, sondern damit beschäftigt sind, den Stand gegen die Menschenmasse festzuhalten. Das Sicherheitspersonal entscheidet daraufhin, die Helfer:innen zu evakuieren und dann den Stand zu schließen. Am nächsten Tag werden hier Metallgitter aufgestellt.
Während hier das Sicherheitspersonal entschlossen reagieren kann, scheint dies an anderer Stelle nicht der Fall zu sein. Die Absicherung des Stadions wirkt nicht gewährleistet, lediglich ein Absperrband trennt an manchen Stellen das Gelände vom Wald. Insgesamt haben viele Besucher:innen den Eindruck, es halten sich zu viele Menschen auf dem Gelände auf. Auch als einzelne Stages schon zu voll sind, bleiben andere, vielleicht ebenfalls aus Platzgründen, geschlossen. Gerade in den Bereichen nahe der Bühnen ist es unverhältnismäßig eng.
Auch beim Camping gibt es Probleme: Eine junge Frau, die aus Frankfurt angereist ist, schildert, dass bereits am Freitagmittag der Flugplatz weitgehend belegt sei, es wenig Trinkwasserstellen gibt und dass die mobilen Toilettenkabinen nicht geleert werden, sodass sie unbenutzbar sind. Das Fehlen von Trinkwasserstellen wird auch auf dem Festivalgelände kritisiert.
Kommunikation nach außen
Durch diese und andere Probleme macht sich der Unmut einiger Festivalbesucher:innen auch im Netz laut, etwa auf Instagram. Als Reaktion folgen vom Campus-Festival Account zunächst einige irritierende Antworten. So kommt auf eine Kritik zum Thema fehlender Wasserspender und die Unterstellung, dass nur Geld beim Festival zählen würde, als Antwort: „jaa wir lieben nur Geeellldddd“ und vier Smileys. Auf die Frage, ob der Admin beim Schreiben der Kommentare betrunken gewesen sei, folgt als Antwort „yess“. Wenige Tage später wird die Kommentarfunktion deaktiviert, worauf bei einem neuen Beitrag eine Userin die Frage stellt, wie wohl mit den Kommentaren in Zukunft verfahren wird. Als Antwort erhält sie: „wir lesen alles und denken uns – ha! Wir werden nie etwas ändern! [Smiley]“. Auch die Kommentare zu diesem Beitrag wurden später deaktiviert.
Um eine vermittelnde Rolle einzunehmen, wollten wir der Veranstaltungsleitung die Möglichkeit geben, zu den genannten Problemen und der Kommunikation auf den sozialen Medien Stellung zu beziehen. Eine entsprechende Anfrage blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Ist das Campus Festival noch studentisch?
Neben den genannten Problemen erreicht uns häufig die Kritik, dass das Campus-Festival seinen studentischen Charakter verloren habe. Dies hat insbesondere Auswirkung für eine wichtige Entscheidung, welche die Studierenden der Universität in den nächsten eineinhalb Wochen fällen müssen.
Im letzten Auftritt des Festivals ruft die Gruppe AnnenMayKantereit dazu auf, vom 28.05. bis 02.06. für den Zuschuss der Studierendenvertretung für das Campus-Festival zu stimmen, um diese Veranstaltung auch in Zukunft möglich zu machen. Die Band spielt hierbei auf die Urabstimmung an, bei der die Studierenden die Möglichkeit haben, zu entscheiden, ob weiterhin das Campus-Festival mit 40.000 Euro vom Studierendenbeitrag bezuschusst werden soll.
Hintergrund der Urabstimmung sind die geänderten Rahmenbedingungen. Seit diesem Jahr findet das Campus-Festival nicht mehr auf dem Parkplatz Nord (Bebauung durch das Max-Planck-Institut), sondern im Bodenseestadion am Hörnle statt. Dabei war das Bodenseestadion nur die Notlösung, die Veranstaltungsleitung wollte auf jeden Fall in der Nähe der Universität bleiben, dort ließ sich aber keine taugliche Fläche finden.
Die Ausmaße des Campus-Festivals haben sich ebenfalls verändert: Während 2019 noch etwa 7.500 Zuschauer:innen zugelassen wurden, sind es 2022 etwa 20.000. Auch der Ticket-Preis hat sich verändert: 2019 kostete ein Ticket etwa 40, 2022 schon 60 Euro.
Wie kam es ursprünglich zu der Bezuschussung des Festivals? Die Finanzierung wurde in der Studierendenvertretung (StuVe) seit jeher kontrovers behandelt, erzählt mir Karla[1], die sowohl in der StuVe, als auch im Orga-Team des Campus-Festivals aktiv ist. Grundsätzlich ist es nur möglich, Projekte zu unterstützen, die den Studierenden zugutekommen. Das wurde früher festgestellt, die Kriterien wurden erfüllt, insbesondere, weil das Festival selbst auf dem Campus-Gelände stattgefunden hat. Durch die veränderte Situation müsse dies nun neu bewertet werden.
Durch die höhere Kapazität ist allen etwa 11.000 Studierenden der Universität und den etwa 5.000 Studierenden der HTWG die Möglichkeit gegeben worden, teilzunehmen. Zumindest theoretisch, denn tatsächlich kamen viele Besucher:innen von außerhalb. Darüber hinaus konnte man einige Stände der Fachschaften auf dem Festivalgelände finden, sowie die fast 1.000 Helfer:innen, die das ganze Festival allein personell studentisch machten.
Auf die Frage, ob er die Gefahr sehe, dass das Campus-Festival seinen studentischen Charakter verlieren könnte, reagiert der Veranstalter Xhavit Hyseni, mit dem wir im Vorfeld gesprochen haben, ungewohnt scharf: „Diesen Punkt sehe ich gar nicht“, sagt er. Dies zeigt, wie wichtig es für das Festival ist, sich weiterhin als studentisch zu vermarkten; denn es sind nicht nur die 40.000 Euro, die dem Projekt zugutekommen, sondern vor allem die Infrastruktur, etwa 1.000 studentische Helfer:innen in kürzester Zeit organisieren zu können.
Im Gespräch mit einigen Teilnehmer:innen erfahren wir, dass viele den Charme früherer Zeiten vermissen. Als das Campus-Festival noch auf dem Parkplatz stattgefunden hat, schien alles improvisierter, kleiner, persönlicher – erzählt ein Besucher. So habe man nach den Konzerten die Bands auch im Publikum gesehen, die Uni Big Band habe gespielt, es hätte eine kleine Zaubershow gegeben. Der Charakter habe sich grundsätzlich verändert, ergänzt er im Gespräch. Es sei ein Festival, dass der Stadt guttue, aber keines mit besonders studentischem Charakter.
Um was es in der Urabstimmung geht
40.000 Euro für das Campus-Festival. Darüber dürfen die etwa 11.000 Studierenden der Uni bis Donnerstag nächste Woche entscheiden. Doch was bedeuten diese 40.000 Euro eigentlich?
Der Beitrag für das Campus-Festival macht etwa 13 Prozent des Studierendenbeitrags aus und ist als Dauerauftrag, wie es momentan der Fall ist, eine Belastung. Insbesondere ist er einer der Gründe, der gegen eine Senkung (und sogar für eine Erhöhung) des Studierendenbeitrags spricht. Für die Studierendenvertretung bleibt dafür ein Prestige-Projekt.
Umgekehrt erscheinen 40.000 Euro bei einem Festival von 20.000 Besucher:innen wenig – das sind etwa 2 Euro pro Person. Im Gespräch mit einem Mitglied aus dem Orga-Team wird unserer Redaktion jedoch erklärt, wie unabdingbar diese 40.000 Euro für das Festival seien. Vor dem Hintergrund, dass ein Ticket für das Campus-Festival 2023 etwa 15 Euro mehr kosten wird, erscheint dies aber fragwürdig. Insgesamt wird der Eindruck erweckt, als gäbe es bei den Verantwortlichen eher die Sorge, die studentische Infrastruktur zu verlieren, als dass es wirklich um den Zuschuss geht.
Bedauerlicherweise findet die Debatte zur Urabstimmung nur sehr zögerlich statt und wird fehlgeleitet durch das Statement der Band AnneMayKantereit, die sie zu einer grundsätzlichen Frage über das Stattfinden des Festivals erhoben hat. Darum geht es nicht. Dies richtigzustellen und die Diskussion anzufeuern, wäre laut Karla Aufgabe des Wahlausschusses und des Studierendenparlaments. Es bleibt zu hoffen, dass der Diskurs im Laufe dieser Woche noch an Fahrt gewinnen wird und dass die Urabstimmung auf einer Grundlage entschieden werden kann, die die Interessen der Studierenden widerspiegelt.
[1] Name von der Redaktion geändert
Endlich einmal ein Artikel, der die Kommerzialität eines Festivals fokussiert. Vielen Studierenden ist bestimmt nicht klar, was mit ihren Geldern auf Hochschulseite hätte umgesetzt werden können. Und dies insbesondere nach vielen online Semestern!