Der Fernseher springt an, trägt die Bomben in ein friedliches Wohnzimmer. Der Blick wirkt entsetzt, während die Augen über die neuesten Gräueltaten fliegen. Der Laptop mit den verstörenden Bildern wird hastig zugeklappt. Für das größtenteils friedensverwöhnte Publikum ist die Information aus den Kriegsgebieten ebenso selbstverständlich wie dosierbar.
In der Konstanzer Spiegelhalle wagt die Stückentwicklung der Regisseurin Simone Geyer und Dramaturgin Hannah Stollmayer eine Umkehrung. Sie versucht, die Menschen zu Wort kommen zu lassen, deren Beruf es ist, denen eine Stimme zu geben, die vom Weltgeschehen in den Krisen- und Kriegsgebieten überrollt werden.
Ein festes „Ja“ entgegnet Schauspielerin Sarah Siri Lee König auf die Frage von ihrem Ensemblekollegen Fynn Engelkes: „Sie werden darüber berichten??“ Am Ende der Vorstellung ist klar, warum sie dann doch nicht alles erzählen kann.
Darin spiegelt sich eine bewusste Entscheidung der Macher:innen, den Fokus auf den Menschen hinter den Schlagzeilen zu belassen: „Wenn man die Berichte liest, dann stecken da so viele Gräuel drin. Wir haben uns schnell darauf geeinigt, es geht um den Beruf und den Umgang der Journalist:innen mit diesen Themen.“ So klammert das Stück nicht nur generelle Mediendiskurse bewusst aus, sondern umgeht auch jeden Aktualitätszwang. Der Fokus bleibt stattdessen nahe an den Details des Alltags der Berichtenden.
„Was viele auch recht trocken beschreiben, ist, dass es einfach ein Beruf ist, eine Entscheidung, dorthin zu gehen. Und für die Wahrheit und teilweise auch die Geschichte, es muss halt jemand da sein, der das erlebt“, sagt Regisseurin Simone Geyer. Als Schauspieler Patrick O. Beck den Inhalt seines Gepäcks vorträgt, mag dem Publikum zumindest vieles noch recht vertraut vorkommen. Hilft Katzenstreu, einen verunreinigten Schutzanzug gegen Giftgas wiederherzustellen? Die Spielenden auf der Bühne werfen sehr unterschiedliche Vorgehensweisen gegen die Gefahr durcheinander. Nach oben gehen, um dem Gas auszuweichen, oder nach unten wegen der Bomben? Schutzanzug in der Verpackung lassen oder schon einmal anlegen? Dramaturgin Hannah Stollmayer erläutert:
„Das sind alles Tipps, die wirklich unterschiedliche Leute gegeben haben und die total widersprüchlich sind. Das ist natürlich auch für das Theater spannend, die Brüchigkeit aufzuzeigen.“
Hannah Stollmayer
Wie in den meisten Szenen verschwimmen die Grenzen zwischen Zitaten aus existierendem Material über Kriegsberichterstattende und der kreativen Umsetzung der Realitäten für die Zuschauer:innen. So entstand die Stückentwicklung erst in den sechs Wochen vor der Premiere in der Zusammenarbeit zwischen der Regisseurin, der Dramaturgin und den Spielenden. Für Geyer der besondere Reiz des Formats: „Das Ensemble war genauso Teil dieser Entwicklung, hat textliche Vorschläge gemacht und spielerische sowieso. Wir sind gemeinsam zu Expert:innen geworden auf der Grundlage von Texten, die wir in der Recherche hatten.“
Wieder und wieder wird auf der Bühne das Anlegen der Schutzausrüstung auf Zeit geübt – um nur wenige Augenblicke später ein Szenario darzustellen, wie es auch schiefgehen könnte. „Dann waren zwei meiner Kollegen tot“, sagt die Schauspielerin, ihre Kolleg:innen auf der Bühne erstarren. Die Schutzwesten sind angelegt. Aber Risiko kann nicht mehr als kalkuliert werden.
Bei allem Fokus auf den Alltag mit Kamera und Notizblock im Krisengebiet liegt es dem Stück und den Macher:innen fern, die Journalist:innen in ein Licht der kalten Profiteure des Elends zu rücken.
Zwar lassen sie auch dem Gespenst des Zynismus einen kurzen Moment, die Bühne zu betreten, aber die drei Spielenden stellen eindrücklich die Wirkung des Elends auf die beruflich Betrachtenden dar. Es wird klar, dieser Job kann nicht nur das Leben kosten, sondern dieses auch bei geglückter Rückkehr ausfüllen. Als die drei auf der Bühne wie zum Trotz „Ich liebe das Leben“ Karaoke singen, pendelt die Stimmung im Raum spürbar zwischen der Erleichterung der Überlebenden und ihrem Schmerz.
Die Intensität des Stoffes konnten die Beteiligten auch an sich selbst beobachten, berichtet die Regisseurin:
„Wenn ich zum Beispiel Liveberichte schaue, achte ich jetzt mehr auf die Inszenierung und wie die Journalist:innen darüber sprechen. Bei mir ist auf jeden Fall auch eine Form der Abstumpfung passiert.“
Simone Geyer
Anders als für die Bühne gehe es aber für die Journalist:innen darum, nicht zu interpretieren, sondern weiterhin bei ihrem Anspruch des Abbildens zu bleiben. Selbst wenn sich irgendwann die Erkenntnis durchsetzt, dass auch das nächste Bild oder der übernächste Text keinen Krieg beenden wird. Für ein verdurstendes Kind ist die Wasserflasche die größere Hilfe als die Kamera, dieses Bild wählt das Stück „Press“ – und entlässt die Zuschauer:innen dennoch mit der klaren Botschaft, wie wichtig die Arbeit der Kriegsberichterstatter:innen ist.