Hier fallen alle Hüllen: Im ersten Konstanzer Unverpackt-Laden bereits seit fünf Jahren  

Als erster Unverpackt-Laden der Stadt besteht „Unverpackt Konstanz“ nun seit mehr als fünf Jahren. Das Besondere am Laden ist, dass die Menschen hier verpackungsfreie und biologische Lebensmittel kaufen können und dabei keinen Plastikmüll produzieren. Welche Hürden das Geschäft überwinden musste und welche Meilensteine die Betreiber:innen schon erreichen konnten, erzählt Inhaberin Sladja Peerebooms.

Müßiger Einkauf verpackungsfrei erledigt

Der Duft nach frischem Kaffee und Seife liegt in der Luft. Warmes Licht strahlt von der Decke auf die vielen Glasbehälter herab, die mit bunten Lebensmitteln aller Art gefüllt sind. Zu sehen sind etwa rote Linsen, Belugalinsen, Amaranth, Leinsamen, Nüsse und Nudeln. Eine Kaffeemühle rattert und im Hintergrund spielt das Radio leise, freundliche Musik. Seit mehr als vier Jahren befindet sich “Unverpackt Konstanz” in der Mosbrugger Straße 16 im Konstanzer Stadtteil Paradies. Der Laden hat von morgens bis abends geöffnet, und das an sechs Tagen die Woche. Nach der Gründung im Jahr 2017 zog der Laden bereits 2018 in größere Räumlichkeiten, da der ursprüngliche Laden zu klein war. Sladja Peerebooms oder eine der beiden studentischen Aushilfen begrüßt die Einkaufenden herzlich und trinkt gerne mal eine Tasse Tee oder Kaffee mit ihnen.

Das Motto bei “Unverpackt” ist Entschleunigung, weg von der Hektik und Unpersönlichkeit am Kassenband der Supermärkte.

Bevor es mit dem Einkauf losgeht, werden die selbst mitgebrachten Behälter gewogen. Dann darf die Kundschaft ganz nach Belieben ihre Behälter mit den verschiedenen Produkten befüllen. Zum Schluss wird erneut gewogen und dabei das Leergewicht abgezogen, sodass nur der Inhalt bezahlt wird – ganz einfach. Zur Auswahl steht eine ganze Palette von Produkten, darunter Getreidesorten wie Dinkel, Hafer und Grünkern, verschiedene Nudelsorten mit und ohne Ei, Hülsenfrüchte, Süßigkeiten, Nüsse, Kaffee, Tee und Gewürze bis hin zu Reinigungsmitteln und Pflegeprodukten sowie Produkte aus Bambus. Seit dem Beginn der Inflation und auch schon während der Pandemie mussten einige Produkte aus dem Sortiment genommen werden, da sie sich nicht mehr lohnen. “Ich hoffe auf eine Besserung der Lage, wenn der Krieg vorbei ist”, erzählt Sladja Peerebooms. Die angebotenen Lebensmittel stammen fast alle aus Deutschland, viele davon aus Süddeutschland und aus der Bodenseeregion.

So stammen etwa die Feuerbohnen aus Freiburg-Munzingen, einige Nudelsorten direkt aus Überlingen und Dinkel und Hafer aus Bayern. Die Lebensmittel werden in Pfandeimern oder in Papiersäcken geliefert, sodass ein plastikfreier Kreislauf und im Laden selbst fast kein Plastikmüll entsteht. Lediglich Cornflakes und zwei knusprige Süßigkeiten müssen in Plastikverpackungen geliefert werden, da sie sonst feucht werden und so ihren Crunch-Effekt verlieren würden. Bei “Unverpackt” werden die Lebensmittel in Metallbehältern oder in sogenannten “Bulk Bins” aus Glas und Holz gut verschlossen aufbewahrt. Daraus können die Lebensmittel dann gezapft werden.

Aus einem Lebensstil wird ein Laden

Sladja Peerebooms kam vor neun Jahren aus der Eifel nach Konstanz. Die gebürtige Serbin erlebte eine Kindheit ganz ohne Plastik. Die Familie kaufte das Fleisch in einer Metzgerei in Papierverpackungen, die Milch wurde in wiederverwendbaren Behältern geliefert und Obst und Gemüse konnten lose auf dem Markt gekauft werden. Seitdem lebt die Inhaberin weiterhin plastikfrei. In der Eifel züchtete sie Gemüse im eigenen Garten, etwa Paprika, Tomaten und Chili. Sie führt bis heute einen Lebensstil ohne Erzeugung von Plastikmüll.

Die Inhaberin arbeitet hauptberuflich in der Pflege, wollte aber schon während ihrer Zeit in der Eifel etwas Eigenes starten. Ihr Ziel war es, die Entstehung von Plastikmüll zu vermeiden. 2015 eröffnete schließlich der zweite Unverpackt-Laden Deutschlands in Berlin, dessen Inhaberin sie kennenlernte. Inspiriert vom Berliner Unverpackt-Laden starteten sie und der damalige Mitinhaber die Planungsphase für den eigenen Unverpackt-Laden in Konstanz. 2017 konnten sie schließlich den ersten Unverpackt-Laden der Stadt eröffnen, mit der Mission Plastikmüll zu vermeiden und den Menschen klar zu machen, wie wichtig das ist.

Foto: Ina Klompmaker; Einblick in den Unverpacktladen Konstanz

Das Problem Plastik

Dazu nutzt die Inhaberin Instagram und Facebook. Auch auf der Website von “Unverpackt Konstanz” können Interessierte alles rund ums Thema nachlesen. Die Inhaberin erklärt, dass Plastikmüll einen enormen Schaden in der Umwelt und für die Gesundheit anrichte. Zum einen seien in den Plastikverpackungen Weichmacher und Chemikalien enthalten, die den Konsumierenden schaden und Krankheiten hervorrufen könnten. “Wenn wir Käse aus Plastikverpackungen essen, dann essen wir auch immer Schadstoffe mit”, erklärt Peerebooms. Zum anderen ist die Produktion von Plastik sehr energieaufwendig und verursacht große Mengen Kohlenstoffdioxid. Des Weiteren kann in der Praxis nur ein winziger Teil des Plastikmülls recycelt werden. Aus den meisten Verpackungen entsteht nicht wiederverwertbarer Müll, den Müllhändler über meist lange Strecken in ferne Länder transportieren lassen, wo sogenannte Plastikbauern ihn vergraben oder er verbrannt wird. Ein Teil des Mülls landet außerdem in Form von Mikroplastik in den Meeren, was den Tieren im Meer und letztendlich auch den Menschen schadet.

Kleine Meilensteine

Peerebooms liegen soziale Projekte sehr am Herzen. Sie bezieht verschiedene Nudelprodukte von der Überlinger Nudelmanufaktur, in der Menschen mit Behinderungen zu fairen Bedingungen arbeiten. Sladja erinnert sich: “Für mich war jedoch klar, ich bestelle dort nur, wenn die Lieferung der Nudeln in Papierverpackungen erfolgt. Das habe ich dem Inhaber des Unternehmens auch gesagt.” So konnte sie ihn überzeugen, die Produkte für ihren Unverpackt-Laden in Papier zu verpacken. Seit 2018 kann sie verschiedene Nudelprodukte aus Überlingen beziehen.

Auch einen weiteren Meilenstein konnte sie erreichen: Von der Firma Sonett aus Deggenhausen bei Überlingen bezieht sie seit der Gründung des Ladens verschiedene Reinigungsmittel und Seifen. Zu Beginn wurden diese in großen Plastikbehältern geliefert, die danach im gelben Sack landeten. “Wie konnte ich das nur so lange übersehen? Das musste sich unbedingt ändern!”, so die Inhaberin. Sie fragte an, ob die Nutzung der Behälter von Seiten der Firma als Mehrwegbehälter möglich sei. Nach einiger Verzögerung startete im Jahr 2018 schließlich das Pilotprojekt des Unternehmens, bei welchem die belieferten Unverpackt-Läden die Plastikbehälter zurückgeben können und diese dann von Sonett gereinigt und wiederverwendet werden. “Ich habe mich sehr darüber gefreut”, erzählt die Ladeninhaberin gerührt.

Zwei Seiten der Medaille

Wenn sie auf den Straßen die vielen gelben Säcke sieht, fragt sie sich oft: „Wofür mache ich das eigentlich alles?“ Dann ist da jedoch die andere Seite, der rege Zuspruch ihrer Kund:innen. „Alle Kunden sind zufrieden und mit vielen bin ich mittlerweile befreundet“, erzählt Sladja. Die Idee der Unverpackt-Läden müsse jedoch von einer breiteren Bevölkerung angenommen und umgesetzt werden. Insbesondere in die jüngere Generation setze sie Hoffnungen, da die Angehörigen der älteren Generationen oft nichts mehr ändern wollten. Daher gebe es freitags 10 Prozent Studierendenrabatt. Hoffnung bieten auch Kund:innen, die extra aus Singen kommen, da der Unverpackt-Laden dort schließen musste.

Foto: Ina Klompmaker; Im Unverpacktladen Konstanz sind alle Lebensmittel in gläsernen Behältnissen präsentiert

“Unverpackt Konstanz” ist Mitglied im Unverpackt e. V. Deutschland. Zum Verein gehören heute etwa 400 Unverpackt-Läden im ganzen Land. Die Geschichte der Unverpackt-Läden in Deutschland ist noch sehr jung. Der erste seiner Art eröffnete 2014 in Kiel. Die Unverpackt-Läden in Deutschland leisten einen großen Beitrag zum Umweltschutz und zur Gesundheit. Im eigenen Handbuch für den Einkauf im Unverpackt-Laden “Easy Unverpackt” macht der Unverpackt e.V. Hoffnung: Wenn viele Menschen ihr Verhältnis zu Plastikmüll veränderten und der Zero-Waste-Bewegung mehr Beachtung schenkten, könne Großes erreicht werden.

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