Eine Frage der Zeit – Ein Kommentar zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Die Universitätsforschung in Deutschland ist ein steiniger Weg. Zwischen schlecht bezahlten Doktorandenstellen und befristeten Post-Doc-Positionen ist die Zukunft unsicher. Nur mit viel Motivation halten Forschende durch, trotz besserer Bezahlung im Ausland oder in der Wirtschaft. Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zeigt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse

In der Wissenschaft ist es üblich, dass sich Forschende von befristeter Stelle zu befristeter Stelle oder von Projekt zu Projekt kämpfen müssen. Das macht es schwierig, eine Karriere zu planen, häufig in einer Zeit, die für einige auch für die Familiengründung wichtig wäre. Rechtliche Grundlage dafür bildet das 2007 eingeführte Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG). Aufgrund der prekären Verhältnisse in Deutschland, wandern viele Nachwuchswissenschaftler:innen ins Ausland ab. Das macht sich auch in der Qualität der Forschung an deutschen Universitäten bemerkbar.

92% der Wissenschaftler:innen unter 45 Jahren sind befristet angestellt

Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021

Seit 2021 wird unter #IchBinHanna gegen das WissZeitVG protestiert. Auslöser hierfür war ein Imagevideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, in dem eine fiktive Person namens Hanna die Vorteile des Gesetzes präsentierte.  Nach der Vorlage einer Reform im Jahr 2023 wuchs die Bewegung noch einmal stark an. 3.000 Professor:innen haben einen offenen Brief geschrieben, woraufhin die Bundesregierung ihren Reformvorschlag zurückgezogen hat. Seit März gibt es einen neuen Entwurf. Das Bundeskabinett hat ihn schon gebilligt. Jetzt wartet man auf die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat.

Der Beitrag der Universität Konstanz

Viele Punkte des Reformvorschlages hat die Universität Konstanz bereits im Juli 2023 umgesetzt. Unter der Initiative des damaligen Prorektors für Forschung Malte Drescher hat die Universität Konstanz das Programm „Attraktive und verlässliche Karrierewege für exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ gestartet. Dieses besteht aus drei Punkten. Der erste Punkt soll Promovierende ansprechen, denn viele Doktoranden müssen sich während der Promotion irgendwie über Wasser halten. Eine Möglichkeit dies zu tun ist eine Stelle an der Universität, die aber meistens nur für eine begrenzte Zeit vergeben wird, da die Promotion nur als Qualifizierung gesehen wird. Die Universität Konstanz hat beschlossen, dass solche Stellen mindestens drei Jahre lang vergeben werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn bisher gab es keine gesetzliche Mindestlaufzeit. Allerdings ist die Länge umstritten. Die durchschnittliche Promotionsdauer liegt bei 4,3 Jahren, in den Geisteswissenschaften sogar bei 5,1 Jahren. Das Programm will die Promotionsdauer ausdrücklich verkürzen. Die Förderung kann maximal sechs Jahre dauern. Ob dabei der Weg über eine unsichere Finanzierung der richtige ist, bleibt offen. Darüber hinaus besteht die Initiative aus einem Pfandsystem für den Fall, dass die Promotion von Drittmitteln gefördert wird. Falls die Gelder für die Promotion nicht für einen Zeitraum von drei Jahren ausreichen, garantiert die Universität eine Finanzierung für die ganzen drei Jahre. Das Geld soll dann zurückgeholt werden, indem mögliche andere Stellen nicht nachbesetzt werden.

Der zweite Punkt strebt eine Verkürzung der PostDoc-Phase an: Statt sechs Jahren sollen es nur noch vier Jahre sein. In dieser Zeit müssen angehende Wissenschaftler:innen einiges leisten. Ist das Ziel eine Professur, so müssen sie (sehr) viel publizieren, um sich gegen andere Bewerber:innen durchzusetzen. Sie sollten ein breites Netzwerk aufbauen, idealerweise im Ausland gewesen sein und vielleicht auch mit der Familienplanung anfangen. Außerdem müssen sie sich auf eine sehr aufwändige Bewerbungsphase vorbereiten, die ein ganzes Jahr füllen kann. In vier Jahren ist das alles nicht zu schaffen. Das ist weder gut für die PostDocs, noch für ihre Arbeit.

Der letzte Punkt der Initiative ist, Tenure-Track-Professuren und unbefristete wissenschaftliche Stellen zu schaffen. Tenure-Track bedeutet, dass man ohne Habilitation für eine bestimmte Zeit eine W1-Professur innehat, die dann automatisch in eine W3-Professur übergeht. Hierbei stehen W1 und W3 für verschiedene Besoldungsstufen. Diese Stellen sollen oft befristete Juniorprofessuren ersetzen. Das ist für Wissenschaftler:innen vorteilhaft, denn so gibt es für viele Interessierte eine sichere und attraktive Stelle – allerdings gibt es grundsätzlich sehr wenige Professuren, die vergeben werden.

Ursprünglich sollte dieser Plan sogar noch deutlich radikaler angegangen werden. Geplant war eine Abschaffung der Habilitationen in Konstanz. Da dies in manchen Fachbereichen als unmöglich angesehen wurde, besteht der Konstanzer Weg daraus, dass Habilitierende eine befristete Beamtenstelle von mindestens sechs Jahren bekommen. Eine Rechnung von der andere Seite wiederum zeigt: In Konstanz können Wissenschaftler:innen maximal 16 Jahre befristet angestellt werden. Sechs Jahre während der Promotion, vier Jahre in der PostDoc-Phase und dann erneut sechs Jahre während der Habilitation. Wenn man sich vorstellt, dass jemand diesen Weg geht und danach keine Perspektive auf einen unbefristeten Job hat, erscheint das wenig attraktiv.

Beim Programm der Universität Konstanz bleiben manche Fragen offen: Für wen ist dieser neue Weg letztlich vorteilhaft? Viele Punkte sind gut. Im Großen und Ganzen kann man jedoch den Eindruck bekommen, der Konstanzer Weg wurde nicht dafür geschaffen, einen sicheren Pfad für Nachwuchsforschende aufzuzeigen. Sorgen die getroffenen Maßnahmen wirklich dafür, dass verlässliche und attraktive Karrierewege entstehen? Gerade im Hinblick darauf, dass der Reformvorschlag des WissZeitVG große Ähnlichkeiten mit dem Konstanzer Programm hat, entsteht eher ein anderer Eindruck; als wolle die Universität bei der Politik Eindruck schinden, ganz nach dem Motto: Wir setzen schon mal um, was euch gefällt.

Der Reformvorschlag

Die geplante Reform des WissZeitVG scheint eng verknüpft mit den Maßnahmen der Universität Konstanz zu sein. Die maximale Befristungsdauer von Postdocs soll von sechs auf vier Jahre verkürzt werden. In manchen Fällen ist eine Verlängerung um zwei Jahre möglich. Es soll Mindestvertragslaufzeiten geben. Für studentische Beschäftigte soll die Laufzeit ein Jahr betragen, für Promovierende drei Jahre und für Postdocs zwei Jahre. Ein Nachteil durch Drittmittelbeschäftigungen soll gestrichen werden.

Der Reformvorschlag stößt landesweit auf breiten Widerstand, etwa durch den deutschen Gewerkschaftsbund. Hauptpunkt der Kritik besteht etwa aus der kurzen Mindestlaufzeit, zum Beispiel bei den Promovierenden -– viele fordern hier eine Mindestbefristung von vier Jahren. Außerdem wird kritisiert, dass es keine Maßnahmen zur Schaffung von unbefristeten Stellen gibt.: Denn das Hauptproblem der fehlenden Perspektive wird nicht dadurch verbessert, dass die befristeten Stellen kürzere Laufzeiten bekommen. Was wirklich helfen würde, wäre die Aussicht auf eine unbefristete Stelle. So gibt es auch keine Möglichkeit, nach der Promotion von der Universität unbefristet übernommen zu werden, wie das etwa bei Ausbildungen möglich ist.

Auch Jan Werner von der Intiative TV Stud, die sich für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte einsetzt, sieht das ähnlich. „Grundsätzlich ist unsere Einstellung zu befristeten Arbeitsverträgen eine ablehnende“, äußert er sich, „es gibt keinen objektiven Grund, warum eine Hilfskraftposition, die zum Beispiel im Bibliotheksregelbetrieb Bücher einräumt, nur einen befristeten Bedarf an Arbeitskraft darstellt.“

Fazit

Die Chancen auf eine Professur in Deutschland sind extrem gering, an Universitäten gibt es kaum andere unbefristete wissenschaftliche Stellen. Will die Bundesrepublik ihren hohen Standard in der Forschung halten, so muss sie einen Weg finden, ihre fähigsten Köpfe zu halten. Das funktioniert nur, wenn junge Forschende tatsächlich die Aussicht auf eine unbefristete Stelle haben, auf einen verlässlichen Karriereweg.

Dieses Problem löst weder das alte WissZeitVG noch seine Reform noch das Programm der Universität Konstanz. Im Gegenteil, durch die Verschärfung der Befristungsverhältnisse ohne Schaffung von unbefristete Stellen scheint sich die Lage noch weiter zu verschärfen. Es wäre wünschenswert, dass hier die Universität im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine Politik betreibt, die im Sinne ihrer Mitglieder ist.

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