Ein versteckter Forschungsbereich – Die Mediävistik an der Universität Konstanz

Obwohl die Mediävistik gut aufgestellt ist – immerhin gibt es in diesem Bereich zwei Professuren und mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter – gehört sie zu den unbekannteren Bereichen an der Universität Konstanz. Was die Mediävistik so besonders macht und wie sie darauf gekommen sind, ihren Instagram-Kanal „Mediävistik Memes“ zu gründen, erklären die Studentinnen Anna und Sandra.

Was ist Mediävistik?

Mediävistik ist die Wissenschaft, die sich mit der Kultur, (Sprach-)Geschichte und Literatur des europäischen Mittelalters auseinandersetzt. Als Mittelalter bezeichnen Mediävisten grob die Zeit zwischen 750 nach Christus und 1450. An der Universität Konstanz gibt es zwei Professuren mit dem Schwerpunkt Mediävistik. In jedem Semester werden rund zehn Seminare und Vorlesungen im Bereich der Älteren deutschen Literatur, also der Literatur aus dem Mittelalter, angeboten.

Die Mediävistik gehört zum Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften. Insbesondere die mediävistische Einführungsvorlesung besuchen nicht nur die Studierenden, die sich auf die Ältere deutsche Literatur spezialisieren wollen, sondern auch Lehramtsstudierende, die später das Fach Deutsch unterrichten wollen, und alle Bachelorstudierenden der Deutschen Literatur. In der Einführungsvorlesung lernen die Teilnehmenden Mittelhochdeutsch, denn in dieser Sprache sind die meisten Texte der Älteren deutschen Literatur verfasst.

Die Studierenden dahinter

Anna und Sandra sind Masterstudierende der Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Germanistik an der Universität Konstanz. Schon während ihrer ersten Bachelorsemester haben sie bemerkt, dass sie sich auf die Ältere deutsche Literatur fokussieren möchten. „Zu Beginn des Studiums waren die Proseminare im Bereich der Mediävistik meine absoluten Lieblingsseminare und auch die folgenden Hauptseminare waren super“, erzählt Anna. „Meine ersten beiden Seminare in der Mediävistik waren über die Märendichtung Konrads von Würzburg und über den höfischen Roman Tristan.“

„Es macht Spaß, in die höfische Welt einzutauchen, Begriffe wie Ehre, Minne und Ritterschaft besser kennenzulernen und die andersartigen Erzähl- und Denkkonzepte der mittelalterlichen Literatur zu erkunden.“

Anna Blum

„Die Seminare der Älteren deutschen Literatur bringen dem Fachbereich eine großartige Vielfalt. Es werden viele interessante Themen abgedeckt und es macht Spaß, in die höfische Welt einzutauchen, Begriffe wie Ehre, Minne und Ritterschaft besser kennenzulernen und die andersartigen Erzähl- und Denkkonzepte der mittelalterlichen Literatur zu erkunden“, erzählt Anna weiterhin.

Spannend sei besonders, dass auch in heutigen Medien viele Erzählstrukturen und Darstellungen aus dem Mittelalter auftauchen, zum Beispiel bei Serien wie The Witcher, bei Brettspielen oder bei Romanen wie Der Herr der Ringe. „In modernen Geschichten Bezüge zum Mittelalter festzustellen und zu erkennen, dass dasselbe Motiv schon in der Literatur von vor fast 1000 Jahren auftritt, finde ich unglaublich faszinierend“, beschreibt Anna. „Das ist für mich das große Faszinosum der Mediävistik.“  

Mediävistik mal anders

Bevor die beiden Studentinnen ihre eigene Meme-Seite „Mediävistik Memes“ auf Instagram gegründet haben, kannten sie schon linguistische Memes und verschiedene Meme-Kanäle aus dem Bereich der Germanistik. „Da gab es aber fast nur Inhalte zur Linguistik oder zur Neueren deutschen Literatur“, erinnert sich Anna. „Weil es so wenige Inhalte zur Mediävistik gab, dachten wir, dass diese Lücke geschlossen werden muss. Wir konnten uns nämlich gut vorstellen, dass es zur Mediävistik auch viele lustige Inhalte gibt“, erzählt Anna. „Wir haben dann angefangen, für uns selbst Memes zu erstellen, wollten sie aber schon bald mit anderen Leuten teilen. Deshalb haben wir aus unserer privaten Sammlung einen Instagram-Kanal gemacht.“

„Wir haben inzwischen über 200 Follower“, bemerkt Anna. Ihren ersten Post haben die beiden im September 2021 hochgeladen. Mittlerweile gibt es rund 20 Beiträge. „Immer wenn wir eine neue Idee haben, erstellen wir ein neues Meme“, sagt Anna. Die Memes bestehen aus modernen Bildvorlagen, die mit kurzen Texten über Themen aus der mittelalterlichen Literatur versehen sind. „Die Ideen für die Memes entstehen meistens aus Gesprächen heraus, weil wir uns auch privat oft über Literatur unterhalten“, erzählt Sandra. „Im Gespräch kommen wir dann auf Szenen, die wir lustig finden und auf die wir gut aufbauen können. Wir suchen dann ein passendes Bild aus und erstellen anschließend das Meme.“

In diesem Meme geht es um das verligen, ein sehr bekannter Begriff aus der Mediävistik. Der Begriff stammt aus dem höfischen Roman Erec und beschreibt, wie der Ritter Erec nach seiner Hochzeit nicht mehr seinen höfischen Pflichten nachkommt, sondern mit seiner Frau zu lange im Bett bleibt. Er „verliegt“ sich. Gestaltung: Anna Blum

„Wir bearbeiten für die Memes vor allem inhaltlich mediävistische Themen. Das können höfische Romane sein wie der Tristan oder Artusromane wie zum Beispiel der Erec, der Parzival oder der Iwein. Es kann aber auch mal ein sprachliches Thema sein, um das es in den Memes geht. Auch alltägliche Probleme, auf die man im Umgang mit Älterer deutscher Literatur stößt, verwenden wir gerne als Themen. Dann geht es etwa um den Umgang mit alten Handschriften oder Forschungsliteratur“, erklärt Anna.

„Als Vorlage für die Posts dienen oft klassische Motive, die man in der Meme-Community schon kennt. Wir erfinden das Rad nicht neu, weil wir sowieso schon eine Nische sind. Wenn wir dann auch noch sehr spezielle Vorlagen verwenden würden, dann würde es zu kompliziert werden. Nur wenn es sich gerade ergibt, greifen wir auch mal tagesaktuelle Ereignisse auf.“ Anna ergänzt: „Die Memes erfordern etwas Insider-Wissen, aber wir halten sie meistens einfach oder liefern die Informationen im Beschreibungstext mit“, erzählt Anna.

„Unsere Seite ist eine kleine Plattform, auf der wir kreativ sein können“, findet Sandra. „Inzwischen folgen uns sogar ein paar Professoren und auch andere Mediävistik-Seiten. Es ist einfach toll, dass unsere Arbeit in dieser kleinen Community anerkannt wird.“

Dieses Meme zählt zu Annas Favoriten. Es geht um die gestörte Martenehe. Diese Eheform ist ein geläufiges Konzept in der mittelalterlichen Literatur. Dabei trifft ein Ritter in der Wildnis auf eine Frau mit übernatürlichen Fähigkeiten. Er verliebt sich in sie und sie heiraten. Die Ehe kann aber nicht glücken, da die Frau andersartig ist und außerdem nicht aus der höfischen Umgebung stammt. Gestaltung: Anna Blum

Wie geht es weiter?

Anna und Sandra sind bald am Ende ihres Studiums angelangt. Mit „Mediävistik Memes“ wollen die beiden aber auf jeden Fall weitermachen, solange sie Lust darauf haben. „Zwar schöpfen wir viele unserer Ideen aus den Seminaren, die wir belegen, aber es kann gut sein, dass nach dem Ende unseres Studiums auch noch Inhalte hochgeladen werden. Unser Interesse an der Mediävistik wird mit dem Ende unseres Studiums jedenfalls nicht abbrechen und es wäre daher schön, wenn es danach noch tröpfchenweise weitergeht“, schließt Anna.

Weiterführende Informationen zur Mediävistik gibt es hier. Empfehlenswert ist außerdem die Podcast-Reihe Pergament und Mikrofon der Ruhr-Universität Bochum, die auf unterhaltsame Weise Einblicke in die Mediävistik gibt. Ihr findet sie hier.

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