Das Lesen in jeglicher Form – ob digital oder analog – spielt, wie jeder Studierende weiß, eine extrem große Rolle. Unterstützende oder den Sehsinn ersetzende Maßnahmen entscheiden also darüber, ob Menschen mit einer Sehbehinderung studieren können oder nicht.
Doch auch der ‚Ottonormalverbraucher‘ sollte informiert sein über die Möglichkeiten, die die speziellen Arbeitsplätze in der Mediothek bieten. Denn laut geändertem Teilhabegesetz vom Februar 2018, gibt es einen interessanten Twist in der Definition dessen, was ein ‚Mensch mit Behinderung‘ überhaupt sei:
Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.
Diese Barrieren sind es, die die Universitäten des Landes abschaffen müssen. Hierfür sind die Anschaffung des Bildschirmlesegerät VISIO 500 und des PCs mit Vergrößerungssoftware, Sprachausgabe und Braillezeilensteuerung ein wichtiger Schritt.
So unscheinbar sie im Eingangsbereich der Mediothek daherkommen, so klug sind die dahinterstehenden Mechanismen.
Mit dem VISIO 500 können Druckergebnisse individuell vergrößert werden. Der Bildschirm und die Kamera können frei bewegt werden, um Studierenden mit Sehbehinderungen das Lesen von kleinem Text zu erleichtern. Auch Farbschwächen werden durch die Darstellung in Vollfarbe und sieben Falschfarben berücksichtigt. HD Kamera, 33 Zoll Bildschirm, kontinuierlicher, abschaltbarer Autofokus – das Gerät lässt sich wie ein neuer Laptop beschreiben. Im folgenden Video sind einige der Funktionen zu sehen: https://spark.adobe.com/video/IxwtzfFfTR9r6/embed?lazyLoading=true
Mit dem dazugehörige PC können Online-Texte vergrößert oder vorgelesen werden lassen. Während ersteres ziemlich gut funktioniert, so ist die Tonausgabe, besonders bei Websites, noch weit von einem Turingtest entfernt und erinnert eher an die erste Auflage von Siri.
Das Besondere an diesem Arrangement sei, dass alle drei Funktionen „Vergrößerung“, „Sprachausgabe“ und „Brailleausgabe“ in einer gemeinsamen Software angeboten werden können und es keinen Bruch gibt, wenn zum Beispiel zwischen Vergrößerung und Sprachausgabe gewechselt wird, so die Verantwortliche der Mediothek, Isabell Leibing.
Besonders die Brailleausgabe übt eine Faszination auf Nicht-Blinde aus, die diese Sprache nicht beherrschen. Wie so eine Braillezeile funktioniert, seht Ihr im folgenden Video: https://spark.adobe.com/video/Ql1kCS8LIsj2h/embed?lazyLoading=true
Dass die Uni nun über ein solches Gerätepaket verfügt, hat wohl größtenteils mit der Grundsanierung der Bib zu tun. Im Rahmen der Umbauarbeiten wurde das veraltete Gerät abgeschafft. Simone Stumpf ist eine Studierende mit Sehbehinderung. Sie fragten die Planer der sanierten Bibliothek, welches Gerät angeschafft werden sollte.
Simone Stumpf sagt über die neue Ausstattung:
Es ist wirklich eine Erleichterung mit dem neuen Gerät. Ich muss mein mobiles Lesegerät nun nicht mehr so viel durch die Gegend tragen und es ist eine enorme Erleichterung zu wissen, dass es da ein fixes Gerät gibt, an dem man arbeiten und auch mal etwas nachschlagen kann. Der Ort ist auch sehr gut, weil man nicht durch die gesamte Bibliothek laufen muss, sondern zentral am Eingang einen Arbeitsplatz hat. Auch das Vorleseprogramm hilft sehr weiter.
Die Uni-Bib hat mit dieser Anschaffung einen wichtigen nächsten Schritt in Richtung der integrativen Teilhabe an Bildung gemacht. Einen, der aber auch immer selbstverständlicher wird und schlicht nicht mehr zu ignorieren ist. So steht im bereits angeführten Bundesteilhabegesetz ein neuer Abschnitt zum Thema:
Neu in einer eigenen Leistungsgruppe sind die Leistungen zur Teilhabe an Bildung. […] Leistungen zur Teilhabe an Bildung sollen Menschen mit Behinderung einen gleichberechtigten Zugang zum allgemeinen Bildungssystem gewährleisten. Wie schon bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handelt es sich dabei um kommunikative, technische oder andere Hilfsmittel.
So heißt es kontinuierlich mehr Öffentlichkeit für dieses Thema zu schaffen und die Universität zu weiteren Maßnahmen zu bewegen. Wichtiger als eine stylische VITRA-Designer-Einrichtung sind gleiche Teilhabebedingungen für jedermann, bzw. -frau.