Uni Konstanz

Die Sache mit dem Denkmalschutz

Seit drei Jahren ist der Windfang, also die Außentür, vor dem SSZ kaputt. Wann er repariert wird, ist derzeit unklar. Aber warum passiert hier nichts? Schuld sind immense Kosten, die auch aus Gründen des Denkmalschutzes entstehen.

Es ist Dienstagmorgen. Ich habe einen Termin mit Tilo Prautzsch, dem Leiter der Stabsstelle Facility Management der Universität Konstanz. Er ist zuständig für Grundsatzfragen. Ich bahne mir einen Weg durch die Baustelle im Eingangsbereich, um zum vereinbarten Treffpunkt im Gebäude B zu kommen. So einfach ist das nicht. Hier passiert etwas, die Renovierung der Universität geht voran, denke ich mir.

Das A-Gebäude wird renoviert. „Angefangen haben wir schon vor über einem Jahr in den Untergeschossen der Universität“, erzählt mir Tilo Prautzsch, „jetzt werden der Eingangsbereich und die Hörsäle saniert.“ Im Foyer sorgt vor allem die Sanierung des Fußbodens für die große Sperrung.

Die Universität Konstanz ist nicht nur ein Ort des Lernens, sie ist Kunst und steht unter Denkmalschutz. Kann eine Sanierung trotz dieser Einschränkung gelingen?

Stühle für mehr als eine Million Euro

„Die Stühle in den Hörsälen A werden nicht erneuert, sondern restauriert“, erklärt mir Tilo Prautzsch. „Aufgrund des Denkmalschutzes wurde entschieden, die Stühle genau so zu erhalten, wie wir sie nicht haben wollten.“

„Das Gebäude A steht mit seinem Originalinventar im besonderen Fokus der Denkmalpflege. Der Erhalt und damit die Restaurierung des bauzeitlichen Gestühles ist wesentlicher Bestandteil der Baugenehmigung.“

Einschätzung des Denkmalamtes

Da die Menschen immer größer werden, habe es bereits ein Planungskonzept für die Umgestaltung der Hörsäle gegeben, das mehr Platz und Bewegungsfreiheit vorgesehen hätte. „Wir hätten die Durchgänge verbessern können, die an einigen Stellen sehr unglücklich sind“, sagt er, „es gab eine gute Planung. Aber am Ende stimmte die Denkmalschutzbehörde nicht zu.“

Aufgrund des Denkmalstatus, der insbesondere die Innenausstattung des A-Gebäudes betrifft, muss für jede bauliche Veränderung eine Genehmigung des Denkmalamtes eingeholt werden. Wird diese nicht erteilt, darf ein Bauvorhaben nicht umgesetzt werden. Doch nicht nur das Konzept konnte nicht realisiert werden, auch die Restaurierung der originalen Stühle und Tische ist teuer: Knapp 1,2 Millionen Euro werden dafür veranschlagt, was etwa 20 Prozent der Gesamtkosten für die Sanierung der A-Hörsäle entspricht. Mit der Ausführung wurde eine Spezialfirma beauftragt, die bisher vor allem Kirchengestühl restauriert hat.

Der Windfang vor dem SSZ

Nicht nur bei der Innenausrüstung der A-Hörsäle spielt der Denkmalschutz eine Rolle: Seit etwa drei Jahren ist der Windfang, also die Außentür, vor dem SSZ kaputt und nicht mehr benutzbar. Auch er steht unter Denkmalschutz, so dass seine Reparatur nicht billig werden kann. „Einen aktuellen Preis gibt es nicht“, sagt mir Tilo Prautzsch, „aber es werden sicher mehrere hunderttausend Euro sein. Das liegt daran, dass nicht nur der Windfang, sondern auch die angrenzende Fassade erneuert werden muss.“ Aus anderer Quelle höre ich, dass es wohl um die 400.000 Euro gehen wird.

Der Windfang neben dem SSZ ist schon seit drei Jahren defekt und daher abgesperrt. Foto: Tobias Dannegger

„Die Fassade ist asbesthaltig“, fährt er fort, „das stört im Moment niemanden, weil der Asbest fest gebunden ist. Aber man kann daran keinen neuen Windfang anbringen. Außerdem muss er wegen des Denkmalschutzes wieder genau so aussehen, das heißt, man kann keinen einfachen Windfang bauen, sondern muss alles wieder so herstellen, mit all den abgerundeten Ecken, mit diesen aufwendigen Türen und Beschlägen – deshalb ist es so kompliziert.“

Ein einfaches Windfangmodell würde die Kosten deutlich reduzieren. Wann der Windfang repariert wird, ist noch unklar.

Jenseits des Guten und Schönen

„Entstanden ist ein bedeutendes Zeugnis des Hochschulbaus und der Stadtbaukunst der 1960er/70er Jahre“, heißt es in einer Stellungnahme des Denkmalamts. „[Mit] ihren 1969 bis 1983 errichteten Abschnitten ist die Universität Konstanz mit ihren umgebenden Freiflächen deshalb Kulturdenkmal nach dem baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz.“

Auch das bunte Glasdach im Foyer steht unter Denkmalschutz, da es ein Kunst-am-Bau-Projekt aus der Entstehungszeit der Universität ist und daher den damaligen Zeitgeist widerspiegelt. Foto: Marie-Louis Kindsvater

Das Denkmalamt führt aus: „Bauten aus dieser Epoche wirken häufig provozierend, sperrig, auftrumpfend, bisweilen unbequem.” Es komme bei denkmalschützenswerten Objekten nicht auf ihre Ästhetik an, sondern vielmehr darum, einen Zeitgeist widerzuspiegeln. “Die Universität Konstanz entstand ganz im Geist der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung der noch jungen Bundesrepublik. Sie setzt die damaligen fortschrittsorientierten Bildungsideale – durchdrungen vom Glauben an die Planbarkeit gesellschaftlicher Prozesse – architektonisch konsequent um und drückt der lieblichen Bodenseelandschaft ihren unverkennbaren Stempel auf.”

Dennoch zeigt sich das Denkmalamt optimistisch, dass sich die Universität Konstanz trotz Denkmalschutz baulich weiterentwickeln kann. „Bedenkt man die durch die staatliche Bauverwaltung (seit 2005 Landesbetrieb Vermögen und Bau) seit nunmehr 50 Jahren an dieser Stelle praktizierte Planungs- und Baukultur, so geht die Universität Konstanz in ihrer Qualität als Baudenkmal sicherlich einer konfliktfreien Zukunft entgegen.“

Von Tilo Prautzsch erfahre ich, dass die Universität Konstanz bereits geprüft hat, ob es möglich ist, juristisch gegen den Denkmalstatus vorzugehen. Da dies nicht möglich war, hat man sich auf eine Einigung verständigt, die den Denkmalschutz näher regelt. Ausdrücklich betont Tilo Prautzsch im Hinblick auf die Sanierung in den A-Hörsälen, dass er die Einschätzung des Denkmalamts nicht teilt und als Steuerzahler absurd findet – auch wenn die Universität als Institution das sicher nicht so tun würde. Als Einrichtung des Landes kann diese nämlich nicht gegen eine Landesbehörde vorgehen, zumal sie nur Nutzerin und nicht Eigentümerin des Gebäudes ist.

Mit gemischten Gefühlen verlasse ich das Gespräch. Stühle für 1,2 Millionen Euro, ein Windfang für 400.000 Euro – das ist viel Geld. Was kann man mit 400.000 Euro machen? Einen Lamborghini Urus kaufen? Ein 140-Quadratmeter-Fertighaus bestellen? Oder 20.000 Hiwi-Stunden zu fairen Löhnen bezahlen?

Während ich mit diesen Gedanken durch die Universität schlendere, blicke ich auf ein Gebäude, das in einem Prospekt des Denkmalamtes als „jenseits des Guten und Schönen“ bezeichnet wird. Ein Gebäude, das so bleiben soll, wie es ist – um jeden Preis.

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