KI an der Uni: Revolution oder Regression?

Kaum ein Thema wird an Hochschulen aktuell so intensiv diskutiert wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Während manche eine Revolution des Lernens und Denkens begrüßen, warnen andere vor dem Verlust akademischer Eigenständigkeit. Unsere Redakteurin Hanna Seidel und unser Redakteur Paul Stephan vertreten hierzu gegensätzliche Standpunkte.

Pro: Die Künstliche Intelligenz ist das größte emanzipatorische Werkzeug für Lernende seit Erfindung des Buchdrucks. Ihr wahrer Nutzen liegt aber nicht in der Automatisierung, sondern in der Skalierung des eigenen Denkens.

Sinnvoll eingesetzt, hilft KI, aus Datenbergen Argumentationslinien zu filtern, alternative Hypothesen durchzuspielen oder komplexe Texte auf ihre Kernlogik zu reduzieren. Der Trugschluss liegt darin, diesen Output für ein Endprodukt zu halten. Die KI liefert plausible Vorschläge, jedoch ohne Kontext oder Gültigkeitsgarantie. Ihr Output ist bestenfalls ein intellektueller Ausgangspunkt.

Hier entscheidet sich der akademische Nutzen. Wer die KI als Orakel missversteht und ihre Ergebnisse lediglich kopiert, degradiert sich selbst zur Anwender:in. Die eigentliche Emanzipation beginnt erst, wenn wir lernen, mit der KI zu denken und ihre Vorschläge durch eigene kritische Prüfung, Verfeinerung und kontextuelle Einordnung zur akademischen Leistung weiterzuentwickeln.

Universitäten, die KI-Nutzung sanktionieren, statt KI-Kompetenz zu lehren, verschlafen die Gegenwart. Akademische Integrität wird nicht durch Verbote gewahrt, sondern durch die souveräne Beherrschung neuer Werkzeuge. Die Befreiung liegt nicht im Werkzeug selbst, sondern in der Fähigkeit, es kompetent zu steuern und seine Ergebnisse kritisch zu bewerten. Es ist daher die Aufgabe der Universitäten, genau diese Kompetenz zu schulen, statt sie zu fürchten.

Kontra: Studierende nutzen Large Language Models wie ChatGPT und andere KI-Tools längst nicht mehr nur zur Unterstützung ihrer Arbeit, sondern lassen diese gleich ganz von ihr erledigen. Statt sich selbst komplexe wissenschaftliche Texte zu erschließen oder in Hausarbeiten Argumentation und Stil einzuüben, erledigt das die KI. Das ist kein Kulturpessimismus, sondern gelebter Alltag an Universitäten.

Die Arbeitserleichterung durch KI hat zwar Vorteile, offenbart aber auch die tiefsitzende Vorstellung von vielen Studierenden, das Studium sei vor allem willkürliche Beschäftigungstherapie. Diese muss, einer neoliberalen Verwertungslogik folgend, vor allem für den beruflichen Werdegang nutzbar sein oder ist vernachlässigbar beziehungsweise. durch KI ersetzbar . Diese erledigt die Aufgaben schließlich schnell und mühelos.

Dabei leiden komplexe kognitive Fähigkeiten wie Leseverstehen, Abstraktion und Konzentration oder werden gar nicht erst ausgebildet, wenn Menschen ständig KI als Abkürzung nutzen. Die Universität ist jedoch der Ort, um solche Fähigkeiten auszubilden und sollte sich deshalb gegen übertriebenen KI-Einsatz wehren.

Der Rechtfertigungsdruck eigenständiges Denken der Effizienz von KI vorzuziehen, zeigt auch, dass längst Sinn und Nutzen von Bildung an sich in Frage stehen. Nicht nur Fähigkeiten drohen verloren zu gehen, sondern das Verständnis für ihre Notwendigkeit. Das ist der größere Verlust durch KI, dem sich Universitäten entschieden entgegenstellen müssen.

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