Muslimisches Leben in Konstanz Teil #1 – zu Besuch in der Mevlana Moschee

Am 16. November hat die Studierendenvertretung (StuVe) in Kooperation mit der Muslimischen Hochschulgruppe der Universität Konstanz eine Moscheeführung in der Mevlana Moschee Konstanz angeboten. Rund 30 interessierte Studierende haben teilgenommen und spannende Einblicke in die Moschee und das muslimische Leben in Konstanz erhalten.

Nachdem sich alle Teilnehmenden versammelt haben, betreten sie zusammen mit dem Student Samet Taskin, der an der Universität Konstanz studiert, die türkische Moschee in Petershausen. Zunächst gelangen sie über eine Treppe in den zweiten Stock, wo der Gebetsraum liegt. Doch bevor dieser betreten werden darf, müssen alle ihre Schuhe ablegen – die Socken bleiben an. Vor der Führung haben die Studierenden einige Minuten Zeit, um alles auf sich wirken zu lassen: den geräumigen Gebetsraum, den weichen Teppichboden in Rot- und Blautönen. An der meterhohen Decke hängt ein Kronleuchter aus Glaskristallen, der so groß ist wie ein kleiner Tannenbaum. Über dem Kronleuchter wölbt sich eine Glaskuppel, die unter anderem mit einem Kapitel aus dem Koran verziert ist. An zwei Wänden hängen Bilder von bekannten Moscheen und die dritte Wand ist mit blauen Fliesen verkleidet, die aufwendig gestaltet sind – mit schnörkeligen Mustern und Kaligrafien auf Arabisch. „Diese Kunstrichtung hat ihre Ursprünge im Osmanischen Reich“, erklärt Samet Taskin, der für die Führungen in der Moschee verantwortlich ist. In den Ecken stehen eine Predigtkanzel für Feiertage, ein Podest für den Muezzin, der den Gebetsruf ausführt, und ein Sitz für die Gelehrten – alle mit filigranen Schnitzereien ausgestattet. Außerdem gibt es zwei Bücherregale, in denen der Koran zu finden ist.

Die Moschee ist mit zahlreichen Elementen aufwendig verziert und mit einem prunkvollen Kronleuchter ausgestattet. Foto: Malin Jachnow

Die Konstanzer Moschee wurde im Jahr 2000 gebaut und hat etwa 350 Mitglieder. „Wir sind eine sehr gemischte Gruppe, die Mitglieder setzen sich aus rund 30 Nationalitäten zusammen“, erzählt Samet Taskin. Im Gebetsraum wird jeden Tag fünf Mal gebetet, das erste Gebet findet um 6.30 Uhr statt. Am Freitag, einem wichtigen Tag im Islam, und an muslimischen Festtagen sei es schon mal sehr voll, wenn viele zum Gebet in die Moschee kämen, erzählt er. An den normalen Wochentagen füllten die männlichen Besucher meist etwa zwei Reihen auf den Teppichen. Jede der Reihen ist etwa 10 Meter lang. Über die hintere Hälfte des Raumes ist eine zweite Ebene eingezogen. „Das ist der Frauenbereich und unten ist der Männerbereich“, erklärt Taskin. Neben dem Gebetsraum gibt es in der Moschee Waschräume, eine Cafeteria und Büros. Derzeit wird eine Küche gebaut, damit in der Moschee Speisen für das gemeinsame Fastenbrechen vorbereitet werden können. Die Moschee ist von außen an den Minaretten sowie der Kuppel zu erkennen, was ihr ein Alleinstellungsmerkmal in der Region gibt.

Außenansicht der Mevlana Moschee Konstanz. Foto: Malin Jachnow

„Salam aleikum“, sagt Samet Taskin, als er mit der Führung beginnt. „Das heißt ‚Friede sei mit dir‘“, führt er aus. Bei der Führung sind auch Aymane, der Leiter der Muslimischen Hochschulgruppe, und der Imam der Moschee dabei. Der Imam ist der Gelehrte der Gemeinde und hat an einer Islamschule studiert. Ein Imam ist vier Jahre lang im Amt. „Der Imam spricht kein Deutsch, deshalb werden die Predigten immer auf Türkisch gehalten“, erläutert Samet Taskin. „Da wir jedoch auch viele konvertierte Brüder haben, wünsche ich mir, dass der nächste Imam auch auf Deutsch predigt.“

„Was muss man tun, um muslimisch zu werden?“, fragt der Student als Einstiegsfrage. Als es niemand weiß, erklärt er: „Man muss das Glaubensbekenntnis, die Schahāda, in arabischer Sprache sprechen.“ Danach macht er vor, wie das geht – erst auf Arabisch und dann auf Deutsch, damit alle den Inhalt verstehen. „Dabei ist es wichtig, dass man das Bekenntnis vor Allah spricht. Das muss nicht unbedingt als Ritual in der Moschee stattfinden. Das Bekenntnis ist auch gültig, wenn man es von Herzen im privaten Bereich ausspricht.“ Samet Taskin führt weiterhin aus: „Traditionell haben Moscheen rund um die Uhr geöffnet. In Konstanz schließen wir jedoch nachts und öffnen zum ersten Gebet am frühen Morgen.“

Arabisch, das zu den semitischen Sprachen gehört, ist für den Islam die wichtigste Sprache, denn nach Ansicht der Musliminnen und Muslime sei der Koran auf Arabisch vom Propheten Mohammed überliefert worden. „Der Koran ist im Grundarabisch geschrieben und beinhaltet Allahs originale Worte. Die ältesten überlieferten Koran-Manuskripte sind etwa 1500 Jahre alt“, sagt er. Für Muslime und Musliminnen, die kein Arabisch können, wird der Koran übersetzt.

Das arabische Wort für Gott ist Allah. „Das ist für uns ein sehr mächtiges Wort“, sagt Samet Taskin. „Allah heißt für uns so viel wie ‚der Anbetungswürdige‘. Man kann sich Allah nicht vorstellen und Allah hat auch kein zugeschriebenes Geschlecht. Weil wir so viel Respekt vor dem Wort haben, verwenden wir keine Personifikationen wie ‚der Gott des Fußballs‘. ‚Der Allah des Fußballs‘ würde gar keinen Sinn ergeben. Von Allah und auch von den Propheten darf man außerdem kein Abbild machen.“ Danach erklärt er, wer Mohammed ist: „Mohammed ist Allahs Prophet. Neben Mohammed gibt es noch viele weitere Propheten, aber über die Lebensgeschichte Mohammeds wissen wir am meisten, weil er der letzte Prophet ist. Deshalb halten sich die Muslime an das Leben Mohammeds. Wenn man die Religion als Mauer betrachtet, dann ist Mohammed der letzte Ziegel, der die Mauer erhält.“

Für Kinder wird in der Moschee Religionsunterricht angeboten. Dort lernen sie, Arabisch zu lesen. „Manche Acht- oder Neunjährige können den ganzen Koran auswendig, denn Allah hat den Koran mit Absicht in einer einfachen Sprache geschrieben. Selbst wenn wir alle Korane der Welt verbrennen oder ins Meer werfen würden, hätten wir in etwa 30 Stunden einen neuen“, beschreibt der Student.

Später nennt der Student die 5 Säulen des Islam: Eine der Säulen sei das Gebet. Die Gebetszeiten der fünf Gebete richten sich nach dem Stand der Sonne. „Es ist wichtig, immer in Richtung Mekka zu beten“, erklärt er. Woher man die Richtung wisse, fragt eine Teilnehmerin. „Dafür haben wir heute Apps, aber früher hat man dafür einen Kompass verwendet oder sich an der Sonne orientiert“, erklärt Samet Taskin. „Auch die Gebetsnische in der Moschee sowie die Moschee selbst sind nach Mekka, genauer zur Kaaba, ausgerichtet.“ Vor dem Gebet müsse man eine Waschung durchführen. Im Islam wird zwischen der großen Waschung und der kleinen Waschung unterschieden. „Hygiene ist die Hälfte des Glaubens und ohne die Waschung zählt das Gebet nicht“, erläutert der Student die Überlieferung des Propheten Mohammeds.

Außerdem sei es besser, in einer Gemeinschaft zu beten. Das Gebet zähle dann 27-mal mehr als beim Beten ohne die Gemeinschaft. „Männer müssen freitags zum Beten in die Moschee kommen. Bei Frauen sagen wir, dass es für sie auch schön ist, zuhause zu beten, denn das Haus ist die Moschee der Frau.“ An den anderen Wochentagen könnten Männer und Frauen aber auch zusammen zuhause beten, wobei der Mann vorbete und leicht versetzt vor der Frau stünde. Beim Beten in der Moschee bete der Imam vor und rezitiere den Koran. „Es ist wichtig, dass der Imam das Gebet mit einer schönen und melodischen Stimme vorträgt“, bemerkt der Student. In der ersten Reihe stünden die, die den Koran auswendig können. „Das Beten in der Gemeinschaft ist ein schönes Gefühl und schafft Zusammenhalt“, erzählt Samet Taskin aus eigener Erfahrung. „Wenn jemand immer kommt und dann einmal nicht da ist, wird er sofort angerufen und gefragt, ob alles in Ordnung ist.“

Das Gebet sei zugleich eine Unterwerfung, aber auch eine Lobpreisung an Allah. Neben den Gebeten gebe es in der Moschee auch Predigten und Gespräche. Dabei würden Teile aus dem Koran besprochen, aber auch über Aktuelles, wie zum Beispiel kommende Feste, Ethik oder kritische Themen wie den Nahost-Konflikt, geredet. „Wir reden zum Beispiel darüber, wie wir unseren Brüdern und Schwestern im Gazastreifen helfen können“, sagt Samet Taskin. „Gebetet wird oft auf einem Teppich. Aber auch auf der Erde kann gebetet werden, denn Erde ist aus muslimischer Sicht nicht dreckig, weil die Menschen aus Lehm geschaffen wurden. Sie darf nur nicht mit Urin, Blut oder Ähnlichem verunreinigt sein. Es kann im Prinzip überall gebetet werden, wo der Boden sauber ist“, erklärt Samet Taskin.

Die zweite Säule sei die Pilgerfahrt, auch Haddsch genannt, nach Mekka zum Heiligtum Kaaba, die alle muslimischen Gläubigen einmal im Leben machen sollten. Die Pilgerfahrt wird vom Staat Saudi-Arabien, wo Mekka liegt, organisiert. Um sie antreten zu dürfen, müssen sich Muslime auf der ganzen Welt über ihre jeweilige Moschee oder in muslimischen Ländern auch über den Staat bewerben. Dann wird aufgrund der hohen Nachfrage ausgelost, wer im jeweiligen Jahr fahren darf. Die Pilgerfahrt kostet 6.000 bis 7.000 € und jedes Jahr reisen etwa 3 Millionen Musliminnen und Muslime zum Opferfest nach Mekka. Nur zu dieser Zeit gilt die Reise als Pilgerfahrt. Zu einer anderen Jahreszeit zählt die Reise nach Mekka nur als Besuch. Die Pilgerstätte in Mekka darf nur von islamischen Gläubigen betreten werden.

„Bei der Pilgerfahrt zählt das Streben, die Reise anzutreten, nicht, ob sie tatsächlich angetreten wurde, wie auch sonst im Islam eine gute Absicht sehr wichtig ist“, erklärt der Student. „Wenn jemand kein Geld hat oder nie in der Lotterie gezogen wird und deshalb die Pilgerfahrt nicht antreten kann, begeht er keine Sünde. Eine Regel für die Pilgerfahrt ist, dass verheiratete Männer mit Familie vor ihrer Reise so viel Geld zurücklegen müssen, dass es für die Versorgung der Kinder ausreicht, falls auf der Reise etwas passiert. Und das, bis diese volljährig sind. Wenn jemand aber das Geld, die Gelegenheit und die Wahl hätte zwischen einem Urlaub auf Mallorca und der Pilgerreise nach Mekka und sich dann für Mallorca entscheidet, dann ist das nicht so gut.“ Weiterhin erzählt er: „In der Masjid al Haram, das ist die Moschee, in der die Kaaba steht, gibt es keinen Frauen- und Männerbereich. Dort beten Frauen und Männer Schulter an Schulter, denn der Ort ist so heilig, dass die Geschlechter in dem Moment keine Rolle spielen.“

Eine weitere Säule ist die Spende. „Muslime sollten jeden Monat 2,5 Prozent ihres Einkommens spenden. Die Empfänger der Spende können vielfältig sein, schließlich gibt es genug Probleme auf der Welt“, findet der Student. „Es kann auch an die Moschee gespendet werden, denn sie wird von einem Verein getragen, der auf Spenden angewiesen ist.“

Die vierte Säule sei das Fasten im Monat Ramadan. „Der Fastenmonat Ramadan fällt jedes Jahr auf ein anderes Datum. Je nach Erdregion kann die tägliche Fastenzeit unterschiedlich lang sein, da von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang gefastet wird“, beschreibt er. „Beendet wird die Fastenzeit mit dem Ramadanfest, in Deutschland auch als Zuckerfest bekannt. Dann feiern wir zusammen mit Freunden und Familie ein großes Fest.“

Schließlich zählt auch das Glaubensbekenntnis, die Schahāda, zu den fünf Säulen. „Die Säulen sollten von allen Angehörigen des Islam ab der Pubertät eingehalten werden. Wichtig ist, dass die körperliche und mentale Reife dafür vorliegt.“

Nach den fünf Säulen geht der Student noch auf ein weiteres Thema ein: Engel. „Engel hat Allah als Wesen ohne eigenen Willen geschaffen. Sie folgen ihm deshalb ohne Widerworte. Tiere stehen dazu im Gegensatz, weil sie sich nur nach ihrer Lust richten. Deshalb sind sie Allahs niedrigste Kreaturen“, stellt Samet Taskin gegenüber. Die Menschen lägen nach dem Islam auf einem Spektrum zwischen Engel und Tier, weil sie einerseits einen freien Willen hätten, sich aber andererseits gegen ihren Willen und nach Allahs Geboten richten und der Sünde widerstehen könnten. Auch Dämonen, sogenannte Dschinn, und einen Teufel gebe es im Islam. Anders als im Christentum sei der Teufel aber kein gefallener Engel, denn durch das Fehlen des eigenen Willens könnten Engel im Islam gar nicht fallen. Der Teufel sei hingegen ein gefallener Dschinn, der zu hochmütig gegenüber Allah gewesen sei, während die Dschinn den Menschen sehr ähnlich seien. Sie lebten auch auf der Erde, mischten sich jedoch nicht in das Leben der Menschen ein und seien für die Menschen unsichtbar.

Nach der Führung haben der Leiter der Moscheeführung, Samit Taskin, und ein Mitglied des Vorstands der Muslimischen Hochschulgruppe, Mahira, der Campuls ein exklusives Interview gegeben. Das Interview könnt ihr im zweiten Teil des Artikels lesen!

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