Von grau zu bunt – ein neuer Anstrich für die Baustellenwände

Ein Milchshake im Weltall, Fenster zu fernen Welten, ein Gedicht und mehrere kunterbunte Graffitis erwarten die Studierenden und Mitarbeitenden seit einigen Wochen an den Baustellenwänden der Uni. Diese waren in den vergangenen Semestern noch trister Bestandteil des Campus. Wer sie jetzt zum Leben erweckt, erfahrt ihr in diesem Artikel.

„Graue Wände – Bunter Campus“ nennt sich das Projekt, das die Gänge der Uni seit Anfang des Jahres von ihrem Schwarz-weiß-Filter befreit und aus ihnen eine Leinwand für studentische Künstler:innen zaubert. Nicht nur gestalterisch, sondern auch organisatorisch stecken viele helfende Hände aus dem Künstlerkollektiv, dem Green Office und der Studierendenvertretung (StuVe) hinter den Bildern.

Für mehr Farbe im Alltag

„Ich laufe an den Werken vorbei und denke: Wow. Wenn man die Kunst so um sich hat, macht das etwas mit der Stimmung und dem Ambiente. Ich hoffe, dass das auch bei anderen Studierenden der Fall ist“, erzählt Tom Schneider. Zusammen mit Jacqueline Schmidt und Ioannis Tagos hat er letztes Jahr das Künstlerkollektiv gegründet, um Kunstschaffende zusammenzubringen und ihnen den Freiraum zu geben, sich kreativ auszuleben. Kurze Zeit später hatten sie zusammen mit Anton Schwärzler vom Green Office auch die Idee zum Projekt „Graue Wände – bunter Campus“. „Die Idee ist im Oktober bei mir auf einer WG-Party entstanden“, erinnert sich Jacqueline, „Anton und Tom wollten aus den blöden grauen Baustellenwänden etwas zaubern, was Farbe in die Uni und die Studis zum Lächeln bringt.“

Die neuen Kunstwerken bringen seit Kurzem Farbe in die karge Baustellenlandschaft der Uni. Foto: Rawan Ibrahim

Von der Idee auf die Wand

Bevor die Künstler:innen den Pinsel schwingen durften, folgte zunächst eine lange Planungsphase. „Als wir mit der StuVe geklärt haben, ob die Wände verwendet werden dürfen, haben wir erfahren, dass es die Idee ursprünglich schon mal gab. Es hat sich nur leider niemand darum gekümmert. Wir vom Green Office und der Stabsstelle Nachhaltigkeit mochten die Idee und dachten, wenn es niemand anderes macht, fühlen wir uns ab jetzt verantwortlich“, sagt Anton über die Anfänge des Prozesses. „Letztendlich steckt in so einem Projekt auch viel Überzeugungsarbeit“, ergänzt Ioannis, „man muss sich viel Vertrauen erarbeiten und trifft hin und wieder auch auf Leute, die skeptischer sind.“ Ein großes Fragezeichen ist vor allem bei der Langfristigkeit des Projekts aufgekommen, da die Bauarbeiten voraussichtlich im Sommer beendet sein sollen. Letztendlich konnten die Organisator:innen aber alle Beteiligten trotz anfänglicher Bedenken von ihrer Idee überzeugen und einen besonderen Erfolg erzielen: alle Materialien für die Teilnehmenden wurden finanziert, um das Projekt inklusiv zu gestalten. Eine Teilförderung hat die StuVe und die restliche Finanzierung die Stabsstelle Nachhaltigkeit und das Green Office übernommen.

Im nächsten Schritt haben die Organisator:innen die Studis auf ihr Projekt aufmerksam gemacht. Damit alle die Chance bekommen, ihrer Kunst mehr Platz als auf einem A4-Blatt zu geben, haben das Green Office und das Künstlerkollektiv einen Wettbewerb ausgeschrieben. So hatten alle Interessierten über zwei Monate lang Zeit, ihre Ideen einzureichen. Anton lässt die Auswahl Revue passieren: „Mitte Januar gab es ein Meeting, bei dem eine Jury aus dem Künstlerkollektiv, der StuVe, der Stabsstelle Nachhaltigkeit, aber auch vom KIM abgestimmt hat, welche Kunstwerke geeignet sind und wo sie hinkommen. Die StuVe hat alle Bilder zusätzlich der Direktorin vorgelegt, die sie dann abgesegnet hat.“

Insgesamt wurden etwas mehr Ideen eingereicht, als schließlich verwirklicht werden konnten. Bei der Auswahl der acht Werke hat das Komitee vor allem darauf geachtet, Botschaften auszuwählen, von denen sich alle vertreten fühlen, und Studierenden den Vortritt zu lassen. Bevor die Kunstschaffenden kreativ werden konnten, mussten die Wände allerdings zunächst weiß grundiert werden – ein „Learning-by-doing“-Prozess, den das Team anfangs unterschätzt hatte. Es hat ein paar Anläufe gebraucht, bis die Organisator:innen und Kunstschaffenden die perfekte Vorgehensweise entziffert haben, um die Farbe vor dem Abblättern zu bewahren. „Das hört sich jetzt langweilig an, Wände einfach nur weiß zu bestreichen“, erzählt Ioannis schmunzelnd, „wir hätten nicht gedacht, wie spaßig das am Ende sein kann. Wir haben uns dabei Geschichten erzählt und sogar getanzt!“

Fantasie ohne Grenzen

Seit Ende Februar sind die Künstler:innen dabei, ihre Werke zu gestalten und die Wände zu füllen. Wie viel Zeit die Arbeit in Anspruch nimmt, ist bei allen Bildern unterschiedlich: Es wurde in Gruppen und alleine gearbeitet, alle Werke haben unterschiedliche Formate und sind mit verschiedenen Techniken entstanden. Jacqueline hat ihr Gedicht „Lotterie des Lebens“ gegenüber dem Seezeit-Shop bereits fertiggestellt. „Den Text hatte ich ursprünglich für den Charity Slam im November geschrieben. Es geht um soziale Gerechtigkeit. Ich hatte das Bedürfnis, eine Message in die Welt zu tragen: Obwohl viele von uns noch nie Lotto gespielt haben, haben wir trotzdem im Lotto gewonnen und sind mit sehr vielen Privilegien ausgestattet, derer wir uns vielleicht gar nicht alle bewusst sind. Wir sollten unsere Privilegien nutzen, um Gutes zu tun.“

Direkt neben Jacquelines Gedicht lassen Philo und Pablo ihrer Inspiration freien Lauf: In der Mitte ihres Werkes schwebt ein Milchshake, begleitet von Sternen und einer Handvoll Meerestieren durch die Galaxie. „Wir haben zuerst gesammelt, was wir alles gerne malen würden – jetzt, wo wir mal wirklich viel Platz dazu haben. Wir haben uns von Idee zu Idee gehangelt und haben dabei kein thematisches Konzept erarbeitet, sondern wollen was Ästhetisches malen“, erklären die beiden.

Auch Ornella öffnet mit ihrem Werk Fenster in andere Welten. An der Wand vor dem Bib-Café sieht man jetzt durch ein Bullauge einen bunten Quallenschwarm und ein paar Meter weiter lässt eine Skizze einen Drachen erahnen, der über einem Schloss thront. „Man unterschätzt anfangs, wie lange die Arbeit dauert, aber mein Ziel ist, noch im Mai fertig zu werden“, berichtet Ornella und tupft mit dem Pinsel eine weitere Blume neben die Katze, die ihr aus dem mittleren Fenster hinaus einladend entgegenblickt.

Lässt man die Fenster hinter sich und geht ein Stockwerk höher, trifft man auf eine verwinkelte Bleistiftskizze, aus der Sharif an Wochenenden und Feiertagen ein Graffiti des Wortes „Vielfalt“ in verschiedenen Sprachen kreiert. Ihm hat die Ausschreibung die Chance gegeben, sein Hobby aus der Schulzeit wieder aufleben zu lassen. Im Studium stehe Kreativität bei dem Informatik-Studenten oftmals an zweiter Stelle.

Sie alle werden bei der Arbeit an ihren Motiven immer wieder von vorbeilaufenden Studis angesprochen, die sich über die farbenfrohe Verwandlung in den Gängen freuen. Ein großes ‚Dankeschön‘ geht von den Kunstschaffenden an das Green Office, die Stabsstelle Nachhaltigkeit, das Künstlerkollektiv und die StuVe für die Organisation und Finanzierung.

Was bleibt?

Die Organisator:innen und Kunstschaffenden beschäftigt natürlich die Frage, wie lange die Baustelle noch Teil des Uni-Alltags bleibt, da die Werke mit ihr stehen und fallen. Planmäßig werden die Studierenden und Mitarbeiter:innen noch dieses Sommersemester von der Kunst in den Gängen begleitet. Ob, und wenn ja wie lange, sich die Bauarbeiten noch ziehen, weiß das Team im Moment noch nicht. Für die weitere Verwendung der Werke stehen mehrere Ideen im Raum. Von einer weiteren Ausstellung bis hin zur Versteigerung für einen guten Zweck ist alles möglich.

„Unterm Strich ist das Projekt auch eine Inspiration für die Studierenden. Wenn ihr gute Ideen habt und mit Motivation dran bleibt, dann könnt ihr die auch in die Tat umsetzen. Es ist nicht so, dass alles dem Zufall überlassen ist, man kann auch selbst einen positiven Einfluss haben. Wir hatten stellenweise auch Phasen, die schwierig waren. Gerade dann ist es wichtig, im Team zu arbeiten und sich gegenseitig wieder aufzubauen“, schließt Ioannis.

Die Kunst an den Baustellenwänden ist mehr als nur eine vorübergehende Verschönerung – sie ist ein lebendiges Zeugnis für die Kreativität und das Engagement der Studierenden, das den Campus noch mindestens einige Monate lang prägen wird. Es lohnt sich, auf dem Weg in die Mensa oder die Bibliothek rechts und links auf die Wände zu achten und sich dabei vielleicht eine kurze Pause vom Alltag zu nehmen.

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