Was tun, wenn die Vorlesung online ist?

Wer unmittelbar nach einer Präsenzvorlesung an einer Online-Veranstaltung teilnehmen möchte, wird häufig ernüchtert. Viele Seminarräume sind belegt und auch in der Bibliothek gestaltet sich die Platzsuche als schwierig. Über das aktuelle Problem und mögliche Lösungsansätze berichtet Paul Stephan.

Neue Regelung der Lernräume

Im Wintersemester war es möglich, für Online-Veranstaltungen einen eigenen Seminarraum zu buchen. Mit Verweis auf den Modus eines Präsenzsemesters wurde dieses Angebot nicht verlängert. Die Lehrraumvergabe schreibt dazu: „Da das [Sommersemester] auf 100%-Kapazität geplant ist und die Veranstaltungen hauptsächlich in Präsenz stattfinden, können wir leider keine Seminarräume zur Verfügung stellen, da nichts mehr frei ist.“

Dennoch gibt es Studierende, die an Online-Seminaren teilnehmen. Häufig finden diese im unmittelbaren Wechsel mit Präsenzvorlesungen statt. In diesem Fall ist es also aus zeitlichen Gründen meist ausgeschlossen, für die Online-Teilnahme nach Hause zu fahren.

Im Wintersemester konnte man noch solche Räume als studentische Lernplätze nutzen. Das ist nun nicht mehr möglich. Foto: Lea Bering

Wohin soll man gehen?

Auf Nachfrage schreibt uns das Referat für Lehre, dass man bei der Planung dieses Problem gesehen, aber keine vernünftige Lösung gefunden habe. Es empfiehlt, man solle in den ersten zwei Vorlesungswochen einen leeren Seminarraum suchen und diesen dann im entsprechenden Slot der Online-Veranstaltung nutzen. Darüber hinaus wären auch die Lerninseln in der Bibliothek für diesen Zweck vorgesehen. Auf der Website der Bibliothek heißt es: „Die Lerninseln im Info-Zentrum können genutzt werden, vorrangig zur Teilnahme an digitalen Lehrveranstaltungen.“[1]

Diese beiden Vorschläge werfen Fragen auf. Denn wenn keine Plätze für Online-Lehre angeboten werden können, weil die Präsenzlehre auf 100%-Kapazität geplant ist, dann erscheint es schwierig, überhaupt einen freien Seminarraum zu finden. Und auch die überfüllte Bibliothek mutet wenig hilfreich an, findet man in den Lerninseln nur selten einen freien Platz.

Und was ist, wenn man statt den Lerninseln einen anderen Platz in der Bibliothek nutzen möchte? Tatsächlich schreibt die Bibliothek auf ihrer Website, dass das grundsätzlich möglich sei. Das allerdings nur, solange das Ruhegebot in der Bibliothek eingehalten wird. Für eine aktive Teilnahme an Online-Angeboten sind solche Sitzplätze also nicht ausreichend.

In Zukunft umso wichtiger

Nicht nur in Konstanz ist das Problem fehlender Arbeitsplätze für die Online-Teilnahme aktuell[2]. Dennoch wird die Thematik in den nächsten Jahren wichtiger werden. Ein Beispiel hierfür ist ERUA.

ERUA steht für „European Reform University Alliance“[3] und ist der Zusammenschluss von fünf europäischen Universitäten, unter anderem der Universität Konstanz. Die Idee bei diesem Zusammenschluss ist es, dass man an mehreren Universitäten gleichzeitig studieren kann. Der Schlüssel bei der Umsetzung heißt hier: Hybride Lehre. Denn nur so kann es gelingen, dass man vormittags eine Vorlesung in Paris und nachmittags ein Seminar in Sofia belegen kann.

In den letzten zwei Jahren wurde deutlich, dass während der Pandemie Online-Lehre unverzichtbar geworden ist. Häufig müssen Dozierende in Quarantäne und greifen dann auf das digitale Werkzeug zurück. Zusammen mit ERUA wird deutlich, wie aktuell die Thematik ist.

Diese Lerninseln in der Bibliothek bieten nur begrenzt Platz, um an Online-Veranstaltungen teilzunehmen. Foto: Lea Bering

Mögliche Lösungsansätze

Wie genau lässt sich das Problem der fehlenden Lernräume lösen? Eine effiziente und niedrigschwellige Lösung würde vorsehen, dass in Zukunft zu jeder Veranstaltung (unabhängig, ob es sich um eine Online- oder Präsenzveranstaltung handelt) ein Raum gebucht werden muss. Wer an einer Online-Veranstaltung teilnehmen möchte, weiß dann sofort, wo das möglich ist. 

Längerfristig kann man mit Räumen, die eigens für die Teilnahme an Online-Veranstaltungen geplant sind, Abhilfe schaffen. An der Universität wird in den nächsten Jahren viel gebaut werden. Das kann eine Chance sein, die Architektur von Lernräumen neu zu überdenken. Vorstellbar wären etwa kleinere, abgetrennte Abteile, die für die Online-Lehre vorgesehen sind.

Beiden Vorschlägen könnte man vorwerfen, sie würden auf Kosten der Präsenzlehre gehen. Doch auch vor Corona gab es eine eins-zu-eins Zuordnung zwischen Vorlesungs- und Raumangebot, sodass in jedem Fall das Angebot nicht kleiner ausfallen wird als in der Vor-Corona-Zeit.

Fazit

Dass bisher von hochschulpolitischer Seite das Problem zwar wahrgenommen, aber keine tragbare Lösung gefunden wurde, hat einen bitteren Beigeschmack: Wie so oft in der Corona-Zeit wirkt es, als ob die Interessen der Studierenden nur mit geminderter Priorität behandelt würden. Umso mehr ist es eine Problematik, die zumindest mittel- und langfristig einer Lösung bedarf. Denn nur so wird die Universität Konstanz den Anforderungen unserer Zeit gerecht werden können. Online-Lehre ist weit mehr, als nur ein pandemiebedingter Notfallplan – sie ermöglicht, grenzüberschreitendes, internationales Studieren.

Im Zuge der Recherche für diesen Artikel habe ich mich mit Vertreter:innen der Studierendenvertretung (StuVe) getroffen. Dort sagte man mir, dass man das Problem bisher nicht auf dem Schirm gehabt hätte, sich aber dessen annehmen wolle. Es liegt nun an den hochschulpolitischen Gremien und der Lehrraumvergabe, die hier vorgestellten und weitere Maßnahmen umzusetzen.


[1]  https://www.kim.uni-konstanz.de/services/lernen-und-arbeiten/lernorte-und-arbeitshilfen/
[2] Für diesen Artikel habe ich die Situation mit der in Heidelberg, Freiburg, Leipzig und Dresden verglichen (man findet die Angaben auf den entsprechenden Webseiten). Tatsächlich ist die Situation dort sehr ähnlich wie in Konstanz.
[3] https://www.uni-konstanz.de/international-office/partnerschaften-und-netzwerke/european-reform-university-alliance-erua/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Posts
Lesen

Gesichter hinter der Campuls: Die neue Chefredaktion stellt sich vor

Das Wintersemester hat begonnen und viele haben heute bestimmt schon die eine oder andere Veranstaltung besucht. Auch wir sind zurück aus der Sommerpause und zwar mit einigen personellen Veränderungen: Da wir uns nach dem Sommersemester von Livia und Steffen, die bis dahin die Chefredaktion übernommen haben, verabschieden mussten, haben wir eine neue Chefredakteurin. Im neuen Online-Artikel stellt sie sich vor.
Lesen

Mitfahren, Mitmachen – Wünsche der Studierenden zum Stadtbusverkehr

Wer in Konstanz wohnt, hat sich sicherlich schonmal gewundert: Wer hat entschieden, dass es eine Linie 13/4 UND eine Linie 4/13 gibt? Warum stehen da Fahrkartenautomaten, die nicht funktionieren? Und gibt es die Linie 15 eigentlich wirklich? (Mal im Ernst, nie gesehen) Um Entscheidungen rund um den Konstanzer Stadtbusverkehr kümmern sich die Stadtwerke. Marie-Louis Kindsvater hat sich gefragt, was Studierende verändern würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.
Lesen

Zwischen Hype und Realität – Serienreview der neuen Mockumentary „Irgendwas mit Medien“

Lennart ist überambitionierter Student und studiert wie der namensgebende Titel der neuen ARD-Serie „Irgendwas mit Medien“. Um die Bewältigung seines Erstsemesteralltags und die Absurditäten des Studierendenlebens geht es in der neuen Mockumentary im Auftrag des MDR und ARD Kultur. Unsere Redakteurin Jamie-Lee, die selbst irgendwas mit Medien studiert, hat sich die Mockumentary noch vor Erscheinen angesehen.
Lesen

Die Masterarbeit: Ein Prozess

Jede:r von uns kennt sie: Abschlussarbeiten. Am Anfang des Studiums scheinen sie noch in weiter Ferne zu liegen. Im Masterstudium hat man kaum ein Jahr studiert, schon springt einem diese Abschlussarbeit entgegen, wie eine lästige Klette. Noch dazu kann dies auch eine große Umstellung sein: Während man an einigen Universitäten bis zu sechs Monate Zeit für eine Bachelorarbeit hat, sind es im Master plötzlich nur noch vier. Unsere Chefredakteurin sitzt gerade selbst an ihrer Masterarbeit und nimmt euch mit durch ihre verschiedenen Phasen der Verzweiflung, Hochgefühl und fehlendem Antrieb.