„Wenn sich alles einspielt“ – Hinter den Kulissen des Campus-Festivals

Dieses Jahr ist es endlich wieder so weit: Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause findet das Campus Festival Konstanz wieder statt – und das erstmalig im Bodenseestadion. Wir durften uns vorab schon einmal auf dem Festivalgelände umschauen und haben mit Xhavit Hyseni und Miria Heinrich vom Kernteam des Festivals gesprochen.

Campuls: Xhavit, Miria, wie seid ihr zum Campus Festival gekommen?

Xhavit Hyesni: Ich habe meinen Bachelor und Master in Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Uni Konstanz gemacht und nebenbei schon einige Erfahrungen im Veranstaltungsmanagement gesammelt. Gedacht habe ich mir schon immer: Mensch, wir müssten hier in Konstanz auch etwas machen. 2015 war ich dann so verrückt und habe das allererste Campus Festival ins Leben gerufen. Die Universität fand die Idee auch gut. Mittlerweile gehen wir in die sechste Runde und haben uns von anfänglich 2000 Besucher:innen auf 20.000 hochgearbeitet. 

Miria Heinrich: Ich studiere im Master Political Economy und habe bereits 2019 im Kernteam beim Campus Festival geholfen. Über die StuVe habe ich dieses Jahr einfach gefragt, ob wieder Leute benötigt werden. Mittlerweile bin ich zuständig für die Schichtplanung und die Koordinierung der (studentischen) Helfer:innen. Dazu gehören Bereiche wie die Bar oder Einlass, sowie auch der Auf- und Abbau. Das Ganze war daher ein „learning by doing“, da ich sowas vorher auch noch nicht gemacht hatte. 

Miria Heinrich und Xhavit Hyseni vom Kernteam des Campus Festivals. Foto: Malin Jachnow

C: Zwei Jahre lang konnte das Campus Festival wegen der Pandemie nicht stattfinden. Wie habt ihr diese Zeit wahrgenommen?

XH: Wir sind schon durch so einige Tiefen gegangen. Das Festival musste immer wieder verschoben und dann abgesagt werden. Dabei haben wir auch harte Entscheidungen getroffen, wie weit man in die Planung geht und immer wieder neue Anläufe unternommen. Bei der Größenordnung produzierst du laufend hohe Kosten und da mussten wir lernen, auf Sicht zu fahren. Damit sind wir ziemlich gut über die Runden gekommen. Was uns natürlich sehr geholfen hat, war die Treue der Fans, die eben nicht ihre bereits gekauften Tickets zurückgegeben, sondern Solidarität gezeigt haben. Genauso auf der anderen Seite: Die Partner:innen, die Bühnenbauer:innen, die ja auch schon mit der Planung weit fortgeschritten waren; die gesagt haben: Das machen wir dann, wenn es wieder losgeht. Wir haben eigentlich nie daran gezweifelt, dass das Festival stattfinden kann.

C: Was bedeutet das allgemein für die Planung? Und wie haben das die Bands aufgenommen, die für 2020 eigentlich schon feststanden?

XH: Die Bands haben die neuen Termine immer wieder mitgetragen. 70 Prozent des Line-Ups sind auch gleichgeblieben. Was die Planung angeht sind wir sogar kurz davor, die Bands für 2023 festzulegen. Wenn es gut läuft, werden wir am zweiten Festivaltag schon die Bands bekanntgeben können. 
Allgemein bedeutet das, dass das Festival mindestens ein Jahr Vorlauf zur Planung braucht. Dieses Jahr mussten wir uns vieles erarbeiten. Da gehört ja ein Konzept dazu, da muss man sich überlegen: Wo kommen die Leute rein, wie laufen sie, was sind die Fluchtwege, und und und. Nächstes Jahr wird das sicher einfacher, weil wir dann die Basis geschaffen haben. Als das Festival noch an der Uni stattfand, war es bequem, da kannten wir jeden Zentimeter. Das war uns dieses Jahr nicht gegönnt. Dafür ergeben sich aber auch neue Chancen mit der neuen Location. Wir haben die Möglichkeit, vier Bühnen, auch im Wald, aufzustellen, von Bäumen umgeben – das wird mit Sicherheit vielen gefallen. 

C: Das Festival findet also dieses Jahr nicht auf dem Campus der Uni statt. Warum?

XH: Am liebsten wären wir gerne auf dem Uniparkplatz geblieben. 2019 konnte uns die Uni das aber nicht garantieren, es wird ja jetzt auch bald gebaut auf dem Gelände. Es war einfach eine unsichere Situation. Zwar hätte die Uni uns auch gerne dortbehalten – wir haben gemeinsam sogar Runden um die Uni gedreht und uns die Wiesen angeschaut – aber da war nichts zu holen. Neben dem Bodenseestadion hatten wir auch den Hockgraben als Location im Auge. Das war aber aufgrund des Naturschutzes nicht möglich. 

C: Das geht auch in die Kosten. Wie schaut es mit der Finanzierung des Festivals aus?

XH: Ihr könnt es euch vorstellen, so ein großes Projekt ist schon sehr teuer. Das kostet über 1,5 Millionen Euro. Im ersten Jahr konnten wir uns nicht mal einen Akkuschrauber leisten – wir können uns auch jetzt gerade noch so einen leisten – aber inzwischen ist es wirklich ein Millionen-Projekt geworden. Da sind wir manchmal auch selbst erschrocken, wo wir gelandet sind. Klar sind wir versichert, falls etwas schiefgehen sollte, aber wie immer im Leben bleibt natürlich ein Restrisiko.

C: Ist es ein Vorteil, dass viele eurer Helfer:innen nicht aus der Veranstaltungsbranche kommen?

XH: Wirklich alle Veranstalter:innen, die nicht unser Konzept fahren, haben Probleme. Vor einer Woche hat uns der Veranstalter von Rammstein angerufen, ob wir ihnen 50-70 Leute stellen können. Es gibt riesige Probleme, was das Personal betrifft. Ein anderer Partner meinte zu uns, dass wir mit unseren Helfer:innen eine Riesenmacht seien. Zum Beispiel konnte ein Dienstleister, den wir mit Aufbautätigkeiten betreut hatten, von ursprünglich 18 Leuten nur sechs schicken. Innerhalb von ein bis zwei Tagen hat die Miri das mit unseren Helfer:innen gelöst. Da haben wir schon einen enormen Vorteil, dass wir hier 500 Leute mit im Boot haben, die dafür sorgen, dass alles ordentlich gemacht wird. Die Branche an sich hat durch die Pandemie einiges an Personal verloren. Für andere Festivals könnte das noch eher eine Gefahr darstellen: Da passt der Plan nicht, du musst fertig werden, da gibt es Abläufe, die funktionieren müssen. 

MH: Man hat das auch heute ganz deutlich gesehen: Wir haben nochmal eine E-Mail an den Uni- und HTWG-Verteiler geschickt, da wir noch einige Schichten für die Festivaltage zu vergeben hatten. Seit ich heute Morgen diese E-Mail verschickt habe, habe ich, glaube ich, über 120 Mails bekommen mit Leuten, die gerne arbeiten wollen. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das kompensieren können.

C: Wie seid ihr an die Bands gekommen? Gibt es da eine Vernetzung unter den Festivalbetreiber:innen?

XH: Ich bin professioneller Konzertveranstalter hier in der Region und habe mir deutschlandweit ein Netzwerk aufgebaut. Man tauscht sich aus und auch ganz oft direkt mit den Bands. Dadurch entsteht dann meist ein Kontakt und man spricht schon über die kommenden Jahre. Du brauchst auf jeden Fall Freunde in der Branche, um Bands wie AnnenMayKantereit oder Kraftklub nach Konstanz holen zu können. Ich würde sagen, da sind wir schon gut vernetzt. Ich war am Anfang während meines Studiums branchenfremd und das haben wir uns nun auch über die Jahre erarbeitet. Klar, helfen meine Kontakte da schon, aber für mich ist das beim Campus Festival eigentlich nebensächlich. Ich bin genauso engagiert wie zu Beginn des Festivals. Das ist mein Herzensprojekt, das ich als Studi angefangen habe.

Das ganze Jahr über hat das Team gebrauchte Möbel gesammelt, um den Backstage-Bereich für die Künstler:innen so bequem wie möglich zu gestalten. Foto: Malin Jachnow

C: Ihr habt für das Festival ein eigenes Sicherheitskonzept erarbeitet. Habt ihr auch mit einem Hygienekonzept geplant?

XH: Wir haben in dem Bereich, auch durch die Picknick-Konzerte letztes Jahr, Erfahrungen gesammelt. Klar, sind jetzt alle Maßnahmen entfallen. Wir waren aber auf alle Fälle vorbereitet: Die Anmeldung, die Überprüfungsscans, 2G, 3G – das liegt alles in unseren Schubladen. Seit einer Woche, seit dem ersten Mai, ist das nun alles hinfällig und wir sind sehr froh, weil das immer zu Verzögerungen beim Einlass führt. Und 20.000 Leute durch zwei Eingänge zu schleusen…ihr kennt ja die Studis: Die sagen, sie kommen um 14 Uhr und dann kommen sie doch alle erst um 17 Uhr und stehen halt dann da. Das überfordert an der einen oder anderen Stelle, aber die Infrastruktur gibt nicht mehr her. Wir werden aber allein am Einlass 80 Leute stehen haben, die nichts anderes tun als Tickets zu scannen, Festivalbändchen anzulegen und Ausweise zu kontrollieren. Nichtsdestotrotz empfehlen wir dort, wo es eng wird, Maske zu tragen. 

C: Nachdem das Festival nicht das Einzige ist, das immer wieder verschoben wurde, gibt es da jetzt einen Ansturm auf die Termine und Locations?

XH: Es ist auf jeden Fall ein enormer Druck, um Termine und Locations zu bekommen und auf die Häuser, weil es eben die Verschiebungstermine gibt und auch neue Veranstaltungen und Konzerte dazukommen. In der Regel bekommen die, die verschieben mussten, Vorrang bei den entsprechenden Terminen. Dieses Jahr ist die Hölle. Wir haben das Glück, dass wir im Mai schon dran sind. Im Mai finden nicht so viele Festivals statt, wie jetzt im Juni oder Juli. Sonst müssten wir uns um das Material, was hier steht, regelrecht schlagen oder das Dreifache bezahlen zusätzlich zu den ohnehin gestiegenen Kosten in den vergangenen zwei Monaten. Und auch da profitieren wir durch unsere gewisse Größe, um ernst genommen zu werden. Aber natürlich ist der Mai auch noch nicht so nah an den Prüfungen dran – und das Wetter ist meistens schon recht sommerlich! Hier in der Nähe gibt es auch noch das Southside Festival Mitte Juni und dazu wollten wir auch noch eine zeitliche Distanz schaffen. Der Termin passt also ganz gut und steht für nächstes Jahr auch schon fest: 19. und 20. Mai 2023. 

C: Auf welche Attraktionen können sich die Studis denn am Freitag und Samstag neben den Künstler:innen einstellen?

MH: Für jede Bühne gibt es ein Motto, zu der wir auch Deko aufgehängt haben. Außerdem wird es eine Hüpfburg geben!

XH: Da wird viel geboten: Tischtennis, Tischkicker, Flunkyball und Basketball wird es geben. Bierpong darf natürlich auch nicht fehlen! Daneben bieten wir auch ein Street Food Festival an, bei dem es 25 Foodtrucks mit unterschiedlichstem Essen geben wird. Dann haben wir eine Sektbar und zehn Getränketheken. Außerdem wird es auch Stände für Hochschulgruppen und städtische Vereine geben. Als Studi hat man ja nicht unbedingt direkten Kontakt mit den Konstanzer:innen, da heißt es oft „Wir da oben“ und „Die da unten“. Deshalb wollen wir beides näher zusammenbringen. 

Neben den Acts sind rund ums Festival allerlei Stände und Aktivitäten geplant. Foto: Malin Jachnow

C: Was ist das Erste, was ihr macht, wenn das Festival vorbei ist? 

XH: Nach dem Festival ist vor dem Festival. Die Nachwehen sind schon sehr groß. Wir müssen erstmal selbst wieder auf die Beine kommen. Du läufst hier beim Aufbau schon mal 60, 70 Kilometer. Das sind so viele Runden. Das macht schon was mit einem. 

MH: Wir hatten vor allem am Anfang hier auch noch kein WLAN. Ich bin immer zwischen dem Gelände und meiner Wohnung hin und her gependelt. Da war ich abends total müde und habe überlegt, an was das liegt. Und irgendwann habe ich gedacht: Na ja okay, ich bin heute über 30 Kilometer geradelt, vielleicht liegt es daran (lacht).

C: Gibt es etwas, auf das ihr euch an den Festivaltagen besonders freut?

MH: Ich glaube, ich freue mich vor allem zu sehen, wenn es voll ist, die Leute gut gelaunt durch die Gegend laufen und alle Spaß haben. Das ist eigentlich auch das, wofür wir arbeiten. Ich freue mich auch auf ein paar Acts, die ich – vielleicht, vielleicht auch nicht – sehen kann. Wenn ich es schaffe, wäre das schön. 

XH: Ich freue mich schon auf die Acts, das sind ja unsere Gäste und natürlich auf die Besucher:innen. Aber auch auf unser Team, da entwickelt sich ja auch so eine Zusammengehörigkeit, so ein Teamgefühl. Es gibt Stresssituationen, wo der eine oder die andere auch an die eigenen Grenzen kommt. Es ist eine Herausforderung, wenn jeder auch so seine Vorstellungen hat und auf die anderen eingehen können muss. Aber wenn sich alles einspielt und alles einfach läuft und man sich freuen kann – das ist für mich so der besondere Moment. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl eben.

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