Bartheke

Alternative Jugendkultur links von der Mitte Rückblick: Ein Porträt über den Horst-Club

Die Alternativszene in und um Konstanz ist, gelinde gesagt, rar gesät. Sicher, da gibt es das Contrast, in dem hin und wieder selbstorganisierte Konzerte stattfinden. Ansonsten beschränken sich die Möglichkeiten für Freunde der etwas rockigeren Musik auf einige (eher teurere) Konzerte und wenige Bars. Aber das war es dann auch fast schon wieder.

Wer also nicht die größte Lust hat, zur zweihundertsten elektronischen Tanzveranstaltung des Jahres zu gehen und erst kürzlich auf einer 90er-Party war, trotzdem Lust auf ein Bierchen und Musik hat, wäre prinzipiell ganz schön verloren. Wenn es da nicht das HORST gäbe. Seines Zeichens Stätte für Konzerte zum Selbstkostenpreis, kühles Bier und interessante Menschen.

Also schnell die Tanzschuhe geschnürt, die Kreuzlinger Straße entlang gestapft, über den kleinen Zoll rüber und ab nach Kreuzlingen. Dann einfach ein Weilchen die Hauptstraße entlang, bis es irgendwann nach rechts in die Löwenstraße geht, dann ist man quasi schon da. Im Zweifelsfall hilft natürlich auch good old Google: Kirchstraße 1.

Dann steht man auch schon vor dem Gebäude des B.A.D. K.i.d.S. e.V., das früher einmal eine Steinhauerei war. (Daher der Name des Vereins: Bands, Abenteuer, Drinks (und) Kultur in der Steinhauerei). Heute befindet sich darin jedoch der Horst-Club, der dem Motto des Vereins mit viel Eigeninitiative und ehrenamtlichem Engagement der Mitarbeiter gerecht wird.

Der Weg ist für Konstanzer Studenten zwar ein kleines bisschen weiter, als bis zur nächsten Eckkneipe, doch die paar Extrameter lohnen sich. Vielleicht nicht für jeden, aber sie lohnen sich. Wenn man Lust auf einen gemütlichen Martini-Abend mit Krawatte bei seichter Lounge-Musik und gehobener Nase hat, muss man wohl woanders hin. Im Horst gibt es eher gitarrenlastigen Sound, günstiges Bier, scharfe Mexikaner (Korn mit Tomatensaft und Tabasco), lockere Leute und ganz viel Ungezwungenheit.

Und diese Ungezwungenheit hat inzwischen Tradition. Angefangen hat alles etwas unorganisierter in Proberäumen direkt an der schweizerisch-deutschen Grenze, hinter dem Lago. Dort haben einige Musikliebhaber Konzerte für Freunde organisiert. Gespielt haben Bands mit Freude am Auftritt und ohne das Vorhaben, die große Kohle zu machen. Da Konzerte allerdings naturgemäß eine recht laute Angelegenheit sind, haben Zuständige des Ordnungsamts Konstanz die Proberäume alsbald restlos und leider auch ersatzlos schließen lassen. Aufgrund der Alternativlosigkeit beschloss man bald, die Konzerte im Keller der gemeinsamen Wohnung zu veranstalten. Das war eine halboffizielle Angelegenheit, die binnen kurzem größer wurde als geplant. Was vorher eher als Auftrittsmöglichkeit für befreundete Nachwuchsbands gedacht war, sprach sich schnell herum. Die Anfragen überstiegen das Kontingent von einem Konzert pro Monat – neue Räumlichkeiten mussten her.

Durch Zufall fand man dann die Lokalität in der Kirchstraße, in der zuvor eine Freikirche ihre Mitglieder zum richtigen Glauben gedrängt hatte. Nach Gesprächen mit dem Besitzer gab dieser den Horstleuten Vorrang, da er an ihrem Vorhaben Gefallen gefunden hatte. Auch wenn das Ganze jetzt professionell aufgezogen werden sollte, blieb der Grundgedanke erhalten. Ziel war es, einen nicht kommerziell orientierten Veranstaltungsraum zu bieten, in dem lokale und internationale Bands dem Publikum ihren Sound um die Ohren hauen können. Das Publikum sollte währenddessen zu erschwinglichen Preisen an einem Bier nippen können, ohne sich dafür in Unkosten stürzen zu müssen. Ganz ohne Sponsoren, Management, Chefetage, Profitgier und Neid – wie es bekannterweise in ebendieser Branche so oft der Fall ist. So kam es glücklicherweise vor zwei Jahren, dass das Horst umziehen und offiziell werden konnte.

Laut Benni, einem der Vorstandsmitglieder des gemeinnützigen Vereins, kam den Gründern da ihre Gastronomieerfahrung zugute: „Wir kannten schon in etwa die Richtlinien, was Hygiene und Brandschutz anging und konnten dementsprechend alles nach den Bestimmungen bauen.“ Innerhalb von nur sechs Wochen bauten die Jungs dann zu acht eine Bar und einen Teil der Inneneinrichtung: „Das hat natürlich noch anders ausgesehen als heute, viel rudimentärer. Das wächst von Zeit zu Zeit.“ Im Sommer dieses Jahres kam dann noch eine Schallschutzwand im Garten und eine kleine Skate-Anlage hinzu: „Gerade im Sommer hatten wir Probleme mit den Nachbarn. Wenn die Leute nach den Konzerten zum Luftschnappen nach draußen gehen, kann es schon sehr laut werden.“ Durch die neue Schallschutzmauer ist dieses Problem behoben. Das Material für Anlage und Mauer hat man – ganz in Horst-Manier – über Benefizkonzerte eingespielt. Alles handmade, alles gemeinnützig, ganz viel Herzblut.

Doch die Mitglieder kennen sich nicht nur an, vor und unter dem Tresen aus. Sie wissen auch, was es heißt, auf der Bühne zu stehen, Tourneeluft zu atmen und Kantinenfraß zu kosten. So kommt es, dass man im Horst nicht nur den Zuschauern, sondern auch den Bands entgegenkommt. Die Bands können so viel trinken, wie sie wollen und werden vom Horst-Team bekocht. So entsteht eine familiäre Atmosphäre, die auch im Konzertraum zu spüren ist. Die Bands sitzen dann auch gerne mal nach den Konzerten an der Bar oder mischen sich unters Publikum. Wenn ihnen dann alles zu viel wird (oder das Horst ganz einfach seine Pforten schließt), können sie sich in den eigens für sie gebauten Bandraum zurückziehen. Im Obergeschoss des Gebäudes befindet sich ein gemütliches Wohn- und Schlafzimmer mit Stockbetten sowie einer Küchenzeile, in der sich die Bands ausruhen und vorbereiten können. So spart man sich unpersönliche Hotelräume und -kosten. Zusätzlich wird die familiäre Atmosphäre unterstützt.

Dass die Atmosphäre auf, vor und hinter der Bühne, sowie an der Bar stimmt, scheint sich auch auf das Publikum auszuwirken. So gab es laut Benni in den letzten zwei Jahren nicht eine Schlägerei, auch musste die Polizei nicht ein einziges Mal gerufen werden. Da soll noch mal jemand sagen, Rockmusik mache aggressiv.

Selbst die Stadt hat von Anfang an zum guten Klima beigetragen. Statt sich, wie es in Deutschland der Fall gewesen wäre, durch einen Urwald aus Genehmigungen und Anträgen kämpfen zu müssen, gibt es im beschaulichen Kreuzlingen nur eine Handvoll Regelungen, an die man sich halten muss. Finanzielle Förderung von der Stadt Kreuzlingen, wie es Kulturvereinen eigentlich zusteht, gibt es allerdings keine. Dadurch hat das Horst vielleicht keine finanziellen Rücklagen, ist andererseits jedoch unabhängig: „Wir fanden das eine Weile lang schade. Dass die Stadt, obwohl sie es gut findet, was wir machen, nie geschafft hat, unsere Anträge zu bearbeiten. Da hat es dann gereicht, dass sich Nachbarn beschwert haben, um den Antrag wieder zurückzuwerfen“, sagt Benni, fügt jedoch hinzu, dass man so nicht den Biss verliere und dazu gezwungen sei, weiterzumachen. Er habe das schon öfter bei anderen Vereinen gesehen: „Wenn dann viele Fördergelder kommen, ruht man sich gerne auf seinen Lorbeeren aus und gibt sich vielleicht nicht mehr so die Mühe.“

Obwohl es also gezwungenermaßen darum geht, die Kosten zu decken, geht es dem Verein nicht ums Geld. Es wird darauf geachtet, dass die Miete am Ende des Monats gezahlt werden kann und dass die Bands nicht auf ihren Reisekosten sitzen bleiben. Das macht sich bewährt – so kommen ins Horst auch Bands zurück, die sich der Verein eigentlich nicht mehr leisten könnte. Aufgrund guter Erinnerungen und guter Kontakte drücken die Bands ein Auge zu und lassen es um der guten Atmosphäre willen im Horst noch mal krachen. Da zeigt sich dann, dass selbst im Kapitalismus gute Gespräche mitunter mehr wert sind als gute Gagen: „Das ist, glaube ich, ein größerer Mehrwert, den man hat, als groß was auf der Kante zu haben. Das ermöglicht mehr, wenn man mit den Menschen auf einer Wellenlänge ist, als mit großen Gagen zu locken.“

Die Eintrittspreise liegen zwischen fünf und acht Euro, früher kommen lohnt sich. Die Getränkepreise sind für Schweizer Verhältnisse günstig, für deutsche durchschnittlich. Doch auch, wenn mal jemand an der Tür steht, der kein Geld mehr hat, wird der nicht nach Hause geschickt: „Wenn jetzt einer gar keine Kohle hat, bleibt der auch nicht vor der Tür. Solang es den Leuten gefällt und sie ne gute Zeit haben, hat alles seinen Zweck erfüllt.“

Wer diese Idee also gut findet, gerne handgemachte Gitarrenmusik hört und netten Menschen nicht abgeneigt ist, dem sei ein Besuch in den Räumen des Horst ans Herz gelegt. Wer den Verein zusätzlich unterstützen möchte, kann Mitglied im B.A.D. K.i.d.S. e.V. werden. Für 40€ oder ebenso viele Franken gibt es dann ein cooles Horst-Shirt sowie Vergünstigungen bei Veranstaltungen.

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