Von der Konstanzer Altstadt kommend, kann man gemütlich über die den Seerhein überbrückende Fahrradbrücke Richtung Konstanz-Petershausen schlendern. Auf der linken Seite erscheint in mediterraner Atmosphäre der Herosé-Park. Längs des Ufers sieht man neben Eisständen tagsüber Familien oder Studierende, die erst am Abend Vorlesungen haben oder zwischen zwei Seminaren mal kurz ins Wasser springen wollen. Andere rekeln sich in der Sonne, essen ein Fruchteis vom Froobie-Stand oder halten nur kurz die Füße ins Wasser.
Am Abend gesellen sich dann nach getaner Arbeit Spaziergänger_innen hinzu. Was wohl aber am meisten ins Auge fällt: Umso später die Abendstunden werden, desto jünger wird das Publikum. Spätestens ab 19 Uhr sind fast ausschließlich 15-30-Jährige vom Herosé-Park bis zur Schänzlebrücke anzutreffen. Flunky-Ball-Tuniere und Beer-Pong-Tische reihen sich aneinander. Vorbei sind die Zeiten, da abends gemütlich die Hippie-Gitarre ausgepackt und Wonder Wall gespielt wurde – inzwischen sind tragbare Musikboxen so laut, dass sie bis in den Stadtgarten zu hören sind. An vielen Ecken qualmt es verdächtig. Hier nun also das Dilemma, da genau an dieser Stelle auch Leute wohnen. Offiziell gilt deutschlandweit immer noch: Ab 22 Uhr ist Nachtruhe. Das gilt von Montag bis Freitag, aber auch am Wochenende sollte man diese Regelung nicht überstrapazieren.
Seit diesem Sommer patrouilliert deswegen der Kommunale Ordnungsdienst der Stadt Konstanz von Montag bis Sonntag und je nach Bedarf mit zwei bis drei Mitarbeitern am Seerhein – von der Fahrrad- bis über die Schänzle-Brücke und zurück, um auch ab und zu einem Blick auf die Strandbar der HTWG werfen zu können. Aber auch in der Seestraße, am Bismarckturm, im Stadtpark und im Park vor dem Europahaus kann man den KOD antreffen.
Der Kommunale Ordnungsdienst, kurz KOD, überwacht mit fünf, dabei vollständig männlich besetzten, Stellen von April bis September Orte mit sogenannten „Nutzungskonflikten“. Den Rest des Jahres unterstützen sie den Gemeindevollzugsdienst bei der Kontrolle des ruhenden Verkehrs. Für schon länger in Konstanz ansässige Bewohner_innen ist das eine Neuheit, zumindest was die uniformierte Präsenz am Seerhein angeht. Der Beschluss für diese Überwachungsmaßnahme wurde erst letztes Jahr getroffen. Der Grund: Nutzungskonflikte in diesem Kontext bedeuten, dass es Beschwerden gab. Und zwar nicht zu knapp. Neben der Lärmbelästigung beklagten sich Anwohner_innen über den Rauch im Park (und in ihren Wohnungen aufgrund von offen gelassenen Fenstern) durch zahlreiche Grillaktivitäten. Hinzu kommt viel liegen gelassener (Plastik-)Müll und Scherben auf der Wiese und im Wasser.
Vor dem Einsatz des KOD gab es bereits andere Lösungsvorschläge und -versuche. Sogenannte Seegespräche zwischen Jugendamt, Ordnungsamt und der Polizei wurden geführt. Nachtwanderer, ehrenamtliche Bürger_innen der Stadt Konstanz, wurden mit Erste-Hilfe-Sets und vorausgehenden Schulungen ausgerüstet. Auch hatte der Gemeinderat die Überlegung, einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren. All dies waren grundsätzlich gute Ideen gewesen.
Die Nachtwanderer hatten allerdings nicht den Auftrag und auch nicht die hoheitliche Gewalt, um bei größeren Vorkommnissen oder Konflikten einzugreifen. Und auch einem privaten Sicherheitsdienst kann die Stadt aus rechtlichen Gründen nicht dieselbe Befugnis im öffentlichen Raum einräumen wie sie dies bei gemeindlichen Vollzugsbediensteten kann. Kurz und gut, letztendlich stimmte der Gemeinderat im Juli 2017 für die Einführung eines KOD, bei welchem die Mitarbeiter als gemeindliche Vollzugsbedienstete dafür sorgen können, dass die Polizei- und Umweltschutzverordnung durchgesetzt wird.
Die Mitarbeiter des KOD sind grundsätzlich dazu befugt, mit polizeilichen Maßnahmen in brenzligen Situationen ergreifen zu können. So ist es ihnen erlaubt, die Identität einer Person festzustellen, Handschellen zu benutzen und Personen von Plätzen zu verweisen. Dabei arbeitet der KOD stets in engem Kontakt mit der Polizei zusammen, bei der sich der KOD bei jedem Dienstbeginn vorher anmeldet und abspricht. An sich soll der KOD dabei die Polizei jedoch eher entlasten – sie wird nur gerufen, wenn der KOD auch bei schärferen Diskussionen mit den Betroffenen (Besoffenen) nicht mehr durchkommt.
Am Abend des 13. Juli 2018 begleitet Campuls den KOD für eine kleine Tour am Seerhein. An sich ein ruhiger, wenn auch recht sonniger und heißer Tag, der ab 18 Uhr theoretisch noch die ein oder anderen Feierwütigen einladen könnte, „steil zu gehen“. Anlässlich vieler (hoffentlich bestandener) Prüfungen am Ende des Sommersemesters wäre das nicht verwunderlich. Keine zehn Minuten nach Beginn der Tour wird bereits der erste Edeka-Einkaufswagen gesichtet, umgeben von einem Lager aus Handtüchern und Taschen. Die „Besitzer“ des Einkaufwagens sind erst einmal nicht auszumachen. Stattdessen torkelt eine freundlich lächelnde, junge Frau auf uns zu und fragt leicht lallend, warum wir denn beim Ordnungsdienst mitlaufen würden. Nach Erklärung verkündet sie lautstark, dass sie den KOD ganz toll fände.
„Ihr macht einen guten Job. Ne, ganz ehrlich. Ihr schaut, dass den Menschen nichts passiert, aber trotzdem verderbt ihr einem das Feiern auch nicht.“
Freundlich glucksend verabschiedet sie sich.
Grundsätzlich seien die Rückmeldungen auf die Präsenz des KOD bisher positiv ausgefallen, meint Michael Waldert, Mitarbeiter des KOD. Wie viele seiner Kollegen war auch er vorher im privaten Sicherheitsgewerbe tätig. Die Arbeit beim KOD gefällt ihm. Nach 15 Dienstjahren, auch in anderen Städten, empfindet er Konstanz im Vergleich, natürlich trotz gewisser Probleme, als eine ruhige Stadt. Besonders an dem Verhältnis mit den Studierenden der Universität und Fachhochschule hat er wenig auszusetzen.
„Ich mag den Umgang mit Menschen und dafür zu sorgen, dass Sicherheit und Ordnung gewährleistet werden können. Die Studierenden in Konstanz sind dabei wirklich relativ harmlos. Die fangen vielleicht mal eine Diskussion an, wenn wir sie auf etwas ansprechen. Viel schwerer ist es dagegen, mit den Minderjährigen zu reden, die teilweise wirklich vollkommen ausrasten mit zunehmenden Alkoholpegel. Da müssen schon manchmal rauere Töne angeschlagen werden, auch wenn wir immer versuchen, höflich und respektvoll zu bleiben.“
Zustimmendes Nicken auch von den anderen Mitarbeitern. An diesem Abend sind sie zu dritt am Seerhein unterwegs. Vielleicht kommt es uns von Campuls nur so vor, aber aufgrund der Tatsache, dass wir mitlaufen, erhalten wir recht viele neugierige Blicke von Passant_innen.
„Alleine durch unsere Uniformen fallen wir auf. Das ist auch so gedacht. Aber für die Jugendschutzkontrolle oder bei der Überprüfung in Gaststätten sind wir auch in Zivil unterwegs“,
führt Waldert weiter aus. Einmal standen sie im Herosé-Park einer Gruppe von 200 Personen gegenüber, die zum Großteil minderjährig waren. Auch nach mehrfacher Aufforderung wollten diese weder leiser werden noch gehen. Letztendlich musste die Polizei geholt werden.
„Aber wir haben es auch schon geschafft, eine Gruppe von knapp 70 Personen zu zerstreuen“,
fügt Ernst Zwanziger, ebenfalls Mitarbeiter des KOD, hinzu.
„Man kann abschätzen, wer noch zurechnungsfähig ist und wer nicht.“
Auf unserem gemeinsamen Weg entfernt der KOD noch ein Werbemittel im öffentlichen Raum (ja, auch für Fahnen, Schilder und sonstige Werbemaßnahmen benötigt man in Deutschland eine Genehmigung!) und kurz vor der Schänzle-Brücke begegnet uns der zweite Edeka-Wagen.
„Weiß denn der Edeka-Markt, dass ihr diesen Wagen mitgenommen habt?“,
fragt Waldert in einem strengen Ton die beiden Einkaufswagen-Fahrer, die daraufhin hoch und heilig versprechen, nach Ablage der kostbaren Fracht (zwei Kästen Bier) den Wagen sofort wieder zurückzubringen.
Ansonsten verhalten sich so gut wie alle Seerhein-Besucher_innen an diesem Abend angemessen. Die Uhrzeit, ab der es eher zu konfliktreicheren Auseinandersetzungen kommt, beginnt meist erst am Wochenende zur späten Stunde. Zwar liegen auch schon am frühen Abend überall Pfandflaschen herum, aber diese, so Waldert, seien in den meisten Fällen am nächsten Morgen schon von Pfandsammler_innen weggeräumt worden. Viel schlimmer sei eben der Dreck, der durch das Grillen entsteht, und der Plastikmüll. Dieser habe sich aber definitiv reduziert, seitdem der KOD seine Runden um den Seerhein dreht. Es bleibt bis zum Ende dieser Sommersaison abzuwarten, aber im Vergleich zum vorigen Jahr seien bereits Veränderungen ersichtlich, resümiert Waldert.
Im Dialog zu versuchen, die Menschen rücksichtsvoller im Umgang mit ihren Mitmenschen zu machen – darin sehen die Mitarbeiter des KOD ihre Aufgabe. Und solch eine Präventivmaßnahme, um sowohl den Anwohner_innen als auch Besucher_innen in Konstanz gerecht zu werden, erscheint nach wie vor als die beste Lösung. Zumindest besser als Alkoholverbote in bestimmten Gebieten zu erheben oder Parks und Anlagen mit Zäunen zurechtzustutzen. Und trotz des irgendwie verunglückten Kompositums „Rücksichtzone“, das Schilder und den Asphalt am Seerheinufer ziert, kann man sich die „Message“ dieses Wortes einfach mal zu Herzen nehmen. Denn beim nächsten Schwimmengehen hat schließlich niemand Lust auf eine Scherbe im Fußballen oder die Picknickdecke auf einer Müllhalde ausbreiten zu müssen.