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Heißgelauscht: Politisch? Unterhaltsam? Oder besonders informativ?

Vier persönliche Rezensionen zu vier verschiedenen Podcasts, die vieles gleichzeitig sein können.

Luna Levay über

Pod save America

Was passiert gerade so in den USA? Welche Neuigkeiten gibt es? Und wie kann ich selbst aktiv werden? Das sind die Leitfragen des Podcasts „Pod save America“.

Die vier ehemaligen Mitarbeiter von Barack Obama Jon Favreau, Jon Lovett, Dan Pfeiffer und Tommy Vietor sind die Begründer dieses Podcasts. Zweimal in der Woche erscheint eine neue Folge, montags und donnerstags. Es werden die aktuellen Entwicklungen in der amerikanischen Politiklandschaft besprochen und für die Hörer_innen so aufbereitet, dass die Nachrichten leicht verständlich und nachvollziehbar sind. Also ohne Tamtam und unnötigem Schnickschnack. Im Anschluss daran und manchmal auch schon währenddessen diskutieren die Hosts darüber und beziehen Stellung. Das Entscheidende und das, was diesen Podcast von allen anderen Politik-Podcasts unterscheidet, ist, dass sie konstruktive Tipps und Anleitungen geben, wie man sich selbst politisch engagieren und in das Geschehen eingreifen kann. Es geht darum, selbst aktiv werden zu können und nicht lediglich tatenlos zuzusehen. Deswegen auch der Untertitel:

“A political podcast for people who are not ready to give up or go insane.”

Die Podcaster laden regelmäßig Gäste ein, mit welchen sie sich unterhalten. Diese sind beispielsweise Journalist_innen, Politiker_innen, Aktivist_innen, Unternehmer_innen. Es ist immer spannend, verschiedene Ansichten zum selben Thema zu hören und unterschiedliche Vorgehensweisen kennenzulernen. Mir persönlich macht es große Freude, den Gästen zuzuhören, wie sie mit den mir bereits bekannten Podcastern reden. Das bringt stets frischen Wind hinein und führt häufig zu spannenden Erkenntnissen. Dass auch manchmal mit einem Augenzwinkern gequatscht und nicht alles stets so ernst genommen wird, lockert die Stimmung auf und gestaltet das Hören sehr angenehm. Ich kann diesen Podcast jeder/-m ans Herz legen, die/der sich für die amerikanische Politik interessiert und die/der nicht nur gerne auditiv mit News versorgt wird, sondern auch selbst das Ruder in die Hand nehmen und sich engagieren möchte.

Abschließend bleibt nur übrig, zu sagen: Dieser Podcast ist vieles – abwechslungsreich, informativ, lustig, motivierend, anregend, aber eines ganz gewiss nicht – langweilig.

Lola Nerger über

Gemischtes Hack

Auf der Streaming Plattform Spotify belegt der Podcast „Gemischtes Hack“ von Comedy-Autor und Kolumnist Tommi Schmitt und Comedian Felix Lobrecht den ersten Platz der Top-Podcasts in Deutschland sowie der Top-Podcasts im Bereich Gesellschaft&Kultur sowie Comedy. Auf der Jahreshitliste 2019 schaffte er es sogar auf den dritten Platt der meist gestreamten Podcasts weltweit. Doch warum genau ist dieser Podcast der erfolgreichste in Deutschland?

Die Idee ist recht simpel: Zwei Männer veröffentlichen jede Woche eine neue Folge, welche auch oftmals länger als eine Stunde Zeit in Anspruch nimmt. Dabei werden sowohl aktuelle Themen behandelt, als auch Witze gerissen und Geschichten aus dem Leben der Beiden erzählt. In einer der Podcast Folgen stellte ein Zuschauer die Frage, ob sich Tommi und Felix vorher einen Plan machen würden und sich besprechen, was sie in der nächsten Folge berichten wollen, was beide verneinten. Ganz im Gegenteil, sie hätten privat nicht so viel Kontakt. Laut Felix Lobrecht wäre dies eventuell auch kontraproduktiv, da sie sich sonst weniger zu erzählen hätten. Gerade dadurch, dass sie nicht ständig miteinander sprechen, entstehen über die Wochen hinweg genug interessante Geschichten und Themen, zu denen sie auch oft unterschiedlicher Meinung sind. Genau das macht den Podcast meiner Meinung nach auch aus, denn das Duo polarisiert. Erst vor kurzer Zeit erhielten sie aufgrund ihrer Kritik an Verschwörungstheoretikern diverse Morddrohungen. Doch auch dies wird mit Humor genommen. So schreibt Tommi Schmitt im Zuge dessen auf Twitter: „(…) Habe, Stand 9 Uhr, bislang erst 4 Morddrohungen erhalten! Super unproblematische Leute.“ Dieser eindeutig ironische Kommentar muss natürlich auch als solcher aufgefasst werden und generell sollte man die zwei nicht zu ernst nehmen.

Sie arbeiten nunmal in der Comedy Branche und machen sich gerne auch auf Kosten anderer lustig. Dabei aber – zumindest ist das meine Meinung – nie unangebracht.

An manchen Stellen zeigt sich auch der die beiden verbindende dunkle Humor. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund und begeistern durch ihre authentische Art. Ein weiteres Thema sind die unterschiedlichen Biografien: Während Lobrecht bei seinem alleinerziehenden Vater im Berliner Ortsteil Gropiusstadt im Bezirk Neukölln aufwuchs, verbrachte Schmitt seine Jugend als Sohn eines Arztes in Ostwestfalen. Die sehr unterschiedliche Kindheit und Jugend wird gerade in der Rubrik „5 schnelle Fragen an…“ behandelt. Hier stellt jeweils ein Podcaster dem anderen fünf persönliche Fragen, die zumeist von beiden beantwortet werden. Dies ist die einzige Rubrik, welche in nahezu allen Folgen vorkommt. Seit April 2020 wird sie in einem wöchentlichen Interview-Format mit wechselnden Gästen weitergeführt. In der ersten Staffel zählten zu ihren Gästen der Fußballer Mats Hummels, Rapperin Juju oder Schauspieler Christian Ulmen. Daneben gibt es beispielsweise die Rubrik „Lifehacks“, also Tips, die das alltägliche Leben erleichtern sollen sowie „Overrated Hack“ und „Underrrated Hack“, sprich Dinge die zu Unrecht einen guten Ruf genießen gegenüber Dingen, denen es noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken gilt. Die beiden Podcaster bemühen sich immer um Abwechslung und so kommt es häufiger zu komplett neuen Rubriken, wie kürzlich „Tommis Fernseh-Tips“. Dadurch wird der Podcast nie langweilig und man hört sich gerne eine Folge an, die über eine Stunde geht oder auch gleich mehrere hintereinander. Durch die enorme Reichweite gibt es genügend Menschen, mit denen man sich angeregt über den Podcast unterhalten und ebenfalls Stellung beziehen kann. Von mir eine absolute Empfehlung!

Ema Jerkovic über

Madame Moneypenny

2015 war ein entscheidendes Jahr für mich: Ich wurde 18 Jahre alt, erlangte das Abitur und zog von zuhause aus. Ich war nun erwachsen. Im selben Jahr ging ein Twitter-Post einer Abiturientin viral. Sie fragte sich, wieso sie nach zwölf Jahren Schulbildung nicht einmal weiß, wie man eine Steuererklärung anfertigt. Der Post zeigt einen Missstand in unserer Gesellschaft auf. Vor allem junge Leute haben kein praktisches Wissen über Geld, Sparen und Anlegen. Vorwiegend bei Frauen bleibt dieser Zustand ein Leben lang, denn diese geben die Verantwortung tendenziell eher an den Vater oder den Ehemann ab. Natascha Wegelin alias Madame Moneypenny möchte dies mit ihrem Podcast ändern.

Die Geschichte der Unternehmerin ist untypisch und doch wiederrum sehr klassisch. Nach ihrem Studium gründet die junge Frau ein Online-Unternehmen, verzichtet auf die Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung und unterschreibt über eine Maklerin einen Vertrag für eine private Rentenvorsorge. Nach einiger Zeit merkt sie, dass sie von den Versprechungen der Maklerin verleitet wurde und den Vertrag ohne Gegenlesen unterschrieb. Jedoch verpflichtete sie sich dazu, eine hohe Summe als Provision zu zahlen, jedes Jahr steigend. Sie kündigte den Vertrag sofort und machte sich auf die Suche nach einer besseren, tatsächlich unabhängigen Finanzberatung. Doch sie fand keine, fing an, sich selbst zu bilden und gründete einen Blog. Der Podcast entstand kurz darauf, und soll Zuhörer_innen dazu anleiten, ihre finanzielle Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und nicht einem Verwandten oder gar teurem Makler_in zu überlassen.

Das Thema Finanzen klingt erst einmal staubtrocken. Doch Natascha Wegelin schafft es, durch ihre positive Energie und Elan auch dieses Thema interessant darzustellen. Abwechslung bringen Ihre verschiedenen Formate.

So lauscht man bei Interviews interessanten Gesprächen oder kann Natascha im Format „Moneytalk“ eigene Fragen über WhatsApp stellen, die sie dann beantwortet. Doch auch eine Prise Women Empowerment steckt in ihren Folgen, ist es doch sehr befreiend und ermächtigend, wenn kollektiv zahlreiche Frauen über ihre Finanzen Bescheid wissen und beginnen, Geld anzulegen.

Vor allem der Aspekt der Community macht diesen Podcast besonders. Natascha postet regelmäßig Challenges auf Instagram, wie beispielsweise jeden Tag eines Monats Geld zum Sparen beiseitezulegen. Auch auf Pinterest und LinkedIn experimentiert sie mit neuen Inhalten. Der Kanal, der mich aber am meisten fasziniert hat, ist die Facebook-Gruppe für Moneypennies, wie Natascha ihre Follower_innen liebevoll nennt. Hier tauschen sich Frauen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum über finanzielle Angelegenheiten aus. Nicht nur, dass man einiges lernen kann, sondern auch habe ich keinen einzigen Hasskommentar gefunden – eine Seltenheit auf der Plattform.

Und trotzdem bleibt die Frage: Brauchen wir in einer Zeit von Gleichstellung und dem dritten Geschlecht überhaupt einen Podcast, der nur auf Frauen ausgerichtet ist? Ja, das brauchen wir, wenn es um Finanzen geht. Die Scheidungsrate in Deutschland steigt, viele Frauen sehen sich dann in einer Existenznot. Auch nehmen sich noch immer vorrangig Mütter Elternzeit oder gehen in Teilzeit arbeiten und haben im Alter Renteneinbüße. Nataschas Podcast verteufelt diese persönlichen Entscheidungen nicht, sondern zeigt auf, wie eine Frau trotzdem durch private Investments oder Übereinkünfte mit ihrem Partner langfristig finanziell unabhängig bleibt und später nicht in die Altersarmut rutscht. Einen Podcast, der diese Thematik anspricht, ist schon längst überfällig. Und auch Menschen, die anderen Geschlechtern angehören, können beim Zuhören einiges über sich und ihre Finanzen lernen.

Leonie Thiel über

Conversations with Kenzie

Kenzies süße Stimme und ihre kurzweiligen, aber hochinteressanten und faktenbasierten Interviews machen süchtig – mich zumindest. Es geht um Themen wie mentale Gesundheit, Schlaf, Beziehungen, Drogen. Die Kanadierin, die als Self-Care-Bloggerin sehr erfolgreich ist, startete diesen Podcast Anfang 2020, während der Hochphase der Corona-Pandemie und erreicht mit ihrer warmen und offenherzigen Art Zuhörer_innen auf der ganzen Welt. Mit Expert_innen ür die einzelnen Themenbereiche hat Kenzie Brenna immer den/die richtige/n Podcast-Partner/in am Start. Besonders heikle und stigmatisierte Thematiken wie sexuell übertragbare Krankheiten, Angststörungen, Polyamorie oder die Black Lives Matter-Bewegung stehen dabei auf der Agenda. Und ich habe den Eindruck, sie trifft damit genau den Nerv und auch den richtigen Ton – inklusiv, tolerant, freundlich. Der englische Begriff „wholesome“ beschreibt’s ganz gut. Für alle, die ihre Serien auch gern auf Englisch schauen und sich tiefgründigen Gesprächen widmen wollen, ist der Podcast das Richtige. Persönliche Anekdoten und komische Pannen aus dem echten Leben der Interviewpartner_innen verleihen dem Ganzen die nötige Leichtigkeit.

Die Podcast-Folgen sind meistens zwischen 45 Minuten und 75 Minuten lang – lange genug, um nicht nur an der Oberfläche eines Themas zu kratzen, sondern auch auf den Boden einer Sache zu gelangen; aber ohne die Aufmerksamkeit überzustrapazieren.

Ich persönlich finde ja dieses ganze Self-Care und Love-Yourself-Getue auf Social Media ein bisschen „too much“ und oft kommt es einfach gespielt herüber. Kenzie Brenna ist da, meiner Meinung nach, eine Ausnahme – sie wirkt authentisch, versucht, sich selbst und das Leben nicht zu beschönigen, redet über ihre eigenen Macken, Unsicherheiten und Fehler und erschafft keine unglaubwürdige rosarote Welt, in der nur durch Gesichtsmasken und ein paar bunte Flauschesocken auf einmal alles wieder paletti ist.

Es gibt nach wie vor viele Tabu-Themen in unserer Gesellschaft, die entstigmatisiert werden müssen. Auch wenn Kenzie selbst nicht aus Europa kommt, ist die westliche Kultur in den Industrieländern doch vergleichbar und somit auch die Erfahrungen, die man macht. Darüber hinaus finde ich es als Deutsche spannend, ihre kanadische Perspektive auf verschiedenste Dinge zu hören. Wer ihren Podcast mag, ist vielleicht auch von ihrem Instagram Account @kenziebrenna angetan: Ihre Posts machen Mut und eröffnen einen Blick „über den (eigenen) Tellerrand hinaus“.

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