YouTuberin „Typisch Sissi“ aus Konstanz im Gespräch

Mit ihrem YouTube-Kanal „Typisch Sissi“ hat Sissi Kandziora aus Konstanz eine Reichweite von etwa 250.000 Menschen, auf Instagram folgen ihr über 30.000 Accounts. Seit bereits elf Jahren steht sie vor der Kamera und teilt ihr Leben mit der Öffentlichkeit. Sissis mediale Präsenz hat dabei im Laufe der Jahre und besonders seit 2015 einen thematischen Wandel durchlaufen. Seit wenigen Jahren zeigt sie sich nachhaltig und konsumkritisch. Das war nicht immer so. Sissi befasste sich in ihrer Anfangszeit mit Themen wie Beauty, Fashion und Lifestyle, machte Werbung für Produkte und zeigte stolz in ihren YouTube-Videos, was sie in den Geschäften erbeutet hat.

Dieser Artikel erschien auch in der Printausgabe im Sommersemester 2020.

Mit der Zeit folgte eine Neuorientierung zu einem nachhaltigeren Alltag, zum Versuch eines individuellen Minimalismus und zu vielen Ausmistvideos mit der von ihr konzipierten Methode unter dem Hashtag „#nurwasichmag“, die im Jahr 2016 etabliert wird. Während der Schwangerschaft sind vor allem Vlogs und Babycontent in den Vordergrund des Kanals gerückt, nach der Geburt ihres Kindes ebbte dies mehr und mehr ab. Sissis momentane Neuausrichtung des Contents geht in Richtung Business und Women Empowering. Für die Leser_innen der Campuls stand sie in einem ausführlichen Interview über ihre Person, ihren Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit und ihre soziale Medienpräsenz als Ergänzung zur Nachhaltigkeitswoche der Universität Konstanz zur Verfügung.

Dein Auftreten im Internet scheint sehr positiv und lebensfroh, du teilst begeistert nahezu alle Aspekte deines Lebens mit deiner Community. In deinen Vlogs, in denen du dich selbst filmst, hältst du sowohl emotionale Momente als auch kleinere Krisen fest. Du gibst an, dass du und deine Community euch gegenseitig bestärkt aber wie weit bereust oder hinterfragst du deinen Content manchmal?

Sissi: Das Video, in dem ich meine „Krise“ beziehungsweise meine negative Stimmungslage in dem Moment filme, ist zu einer speziellen Zeit entstanden und steht nicht repräsentativ für meinen Kanal. In dem Vlog geht es um ein Zurechtfinden nach der Geburt, davor habe ich ja mehr „Aufräum-Content“ produziert. Durch das Mamasein befinde ich mich in einer Phase der Neufindung und wollte meine Gedanken dazu ehrlich mit der Community teilen.

Quelle: instagram.com/typischsissi
Wie empfindest du die Resonanz deiner Community auf den starken Contentwandel?

Meine Abonnent_innen sind zum Glück immer sehr verständnisvoll. Klar gibt es mal ein oder zwei blöde Kommentare aber der Großteil ist relativ emphatisch. Wobei man festhalten muss, dass sich meine Community zusammen mit mir mit verändert hat: Während meiner Schwangerschaft hat sich eine Tendenz von einer „Minimalismus-community“ zu einer „Mama-community“ herauskristallisiert. Von letzterer möchte ich mich jedoch nach und nach distanzieren und einen neuen Fokus setzen.

Musstest du schon einmal einen Beitrag löschen, weil er dir im Nachhinein unangenehm war?

Jein – Ich habe nur mal ein Statementvideo hochgeladen, da etwas zu einem anderen Video von der Community falsch aufgefasst wurde. Ansonsten würde ich es nur von der Plattform runternehmen, wenn mein Baby nicht richtig zensiert ist oder wenn ich merke, dass ich mich mit älterem Content nicht mehr identifizieren kann. Wobei, diese Videos habe ich dann einfach auf privat gestellt.

Inwiefern betreibst du digitale Nachhaltigkeit und wie könntest du dir vorstellen, Nachhaltigkeit zum Beruf zu machen (ausgenommen von einem YouTube-Kanal)?

Puhh, da habe ich mir bisher noch keine konkreten Gedanken zu gemacht. Meiner Meinung nach bringt jede Person mit einer gewissen Reichweite eine Botschaft an die Menschen. Ich sehe die neuen Medien da als klares Potenzial, diese Reichweite zu etablieren und viele Personen für das Thema Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen zu sensibilisieren. Sinnvoll wäre es in dem Rahmen auch, wenn neben Politiker_innen in den klassischen Medien auch Menschen Botschaften verbreiten, zu denen aufgeschaut wird. Es wäre daher förderlich, wenn mehr mit Influencer_innen gearbeitet wird. Gerade durch ihre Popularität und Nahbarkeit haben sie einen direkten Zugriff auf bestimmte Zielgruppen.

#nurwasichmag ist eine von dir konzipierte Methode, mit der du deinen Zuschauer_innen auf YouTube vermittelst, ein anderes Verhalten zu bereits Gekauftem oder zum Konsumverhalten allgemein zu etablieren. Was hältst du von dem ähnlichen Aufräumtrend von Marie Kondo und den etwaigen Beiträgen, in denen besonders jüngere Personen ihre Kleiderschränke „radikal und ästhetisch ausmisten“?

Im Grunde haben diese Trends die gleiche Intention wie mein Format aber der Aspekt des bewussten Handelns und des „Warum habe ich das Teil überhaupt erst gekauft?“ wird nicht genug behandelt. Es fehlt mir ein bisschen die Ursachenfindung, das wird in meinen Videos konkreter angesprochen. Meine Methode ist in erster Linie dazu gedacht, viele weitere Menschen zu motivieren, ihr Konsumverhalten zu überdenken. Ich bekomme immer wieder Kommentare oder Bilder von Nutzer_innen zugeschickt, die mit mir ihre positiven Erfahrungen teilen. Das motiviert mich natürlich umso mehr, am Ball zu bleiben.

Kannst du unseren Leser_innen ein paar Tipps geben, wie man sein Hab und Gut wieder oder generell lieben lernt?

Meinen Sprung von der einstigen Kaufsucht zu einem nachhaltigeren Umgang mit Konsum habe ich durch eine Art Kombi-Challenge geschafft: ich wollte damals zwei Kilo auf gesunde Weise abnehmen und mir erst dann wieder etwas Neues zum Anziehen kaufen, wenn ich das Ziel erreicht habe. Letztendlich hat das Abnehmen knapp drei Monate gedauert und in der Zeit habe ich realisiert, dass ich auf die meisten Dinge, die ich bis dato noch „brauchte“, gar keine Lust mehr hatte. Eine andere witzige Anekdote, die zu meinem Wandel beigetragen hat, waren ungefragte PR-Pakete. In einem waren mal zwanzig(!) Kilo Haarspray drin und ich war natürlich überwältigt von dieser Masse an Dingen. Mein Tipp wäre daher, sich im ersten Schritt zu organisieren und herauszufinden, was wirklich notwendig ist und auf was man verzichten könnte. Wichtig ist, dass man nur von den Dingen umgeben ist, die einem gut tun und die den Alltag bereichern.

Zusätzlich zu einem erfolgreichen YouTube-Kanal pflegst du auch andere Projekte, hast unter anderem ein Buch zu deiner Methode #nurwasichmag veröffentlicht, bist dabei, Workshops zum Thema „soziale Medienpräsenz“ zu erstellen und hast dazu noch einen Printshop mit individuell bedruckbaren Kleidungsstücken. Inwiefern beißt sich denn dein Nachhaltigkeitsimage mit dem Vermarkten deiner Produkte?

Hinter dem, was ich erstellt habe, steckt keine wirkliche Verkaufsstrategie. Ich erwähne das Produkt höchstens beiläufig in einem meiner Videos oder füge einen Link in die Infobox ein, damit sich jeder ein eigenes Bild davon machen kann, was ich für ein Produkt kreiert habe. Diese sind auch nicht mit dem Zweck erstellt worden, viel Geld zu machen, denn ich erstelle in erster Linie nur das, was ich selbst auch gern hätte und was mir zu 100% gefällt. Das teile ich dann mit der Welt. Für den Umgang der Leute mit meinen Produkten bin ich letztendlich aber nicht verantwortlich.

Wie schätzt du die Konsumentwicklung in Konstanz (gerade in Anbetracht der Grenze zur Schweiz) für die kommenden Jahre ein und was kannst du empfehlen, um nachhaltiger unterwegs zu sein?

Die Stadt Konstanz hat an sich schon ein enormes Müllproblem. Auf den Straßen oder zum Beispiel im Bach beim Döbele liegt viel zu viel davon verstreut, einmal habe ich sogar eine Autobatterie dort gefunden! Ich sehe für die kommenden Jahre einen klaren Konsumwachstum, gerade auch durch den Einkauf der Schweizer in Konstanz, da es hier billiger ist und die Möglichkeit des Ausfuhrscheins genutzt wird. Ich kann allerdings auch völlig verstehen, dass daher mehr konsumiert wird. Meiner Meinung nach ist das allgemeine Problem jedoch, dass die Leute aus den falschen Gründen einkaufen. Nicht weil sie es brauchen, sondern weil es günstig ist und in dem Moment attraktiv wirkt.

Wenn euch das Interview gefällt und euch das Thema Nachhaltigkeit gepackt hat, dann schaut auch mal in unseren vorherigen Ausgaben nach, da gibt’s immer wieder was zum Thema.
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