Marc-Julien Heinsch studierte von 2013 bis 2019 Literatur-Kunst-Medien (LKM) an der Universität Konstanz. Darüber hinaus war er seit seinem ersten Semester beim Hochschulmagazin Campuls zunächst als Redakteur und später als Chefredakteur tätig. Momentan ist er Teil der Kompaktklasse der 58. Lehrredaktion an der Deutschen Journalistenschule in München (DJS). Diese bildet seit 1949 Nachwuchsjournalist:innen aus.
Wie kamst du dazu, dich nach der Uni an einer Journalistenschule zu bewerben? Hätte es nicht auch ein redaktionelles Volontariat mit Praxisbezug getan, bei dem du direkt Geld in einem Medienhaus verdient hättest?
Heinsch: Eigentlich hatte ich die Ausbildung an einer Journalistenschule gar nicht auf dem Schirm. Um ausgebildeter Journalist zu werden, wollte ich nach der Masterarbeit ein Volontariat bei einem Medienhaus machen und so wenigstens meine ungefähr 1200 Euro netto verdienen. Während meines Studiums hatte ich die Freiheit, meine Leidenschaft für das Schreiben und Recherchieren weiter auszuleben, sowohl bei Campuls als auch als freier Reporter beim Südkurier. Was mir in dieser Zeit klar wurde: Es gibt nicht nur den einen Weg in den Journalismus. Während meiner Masterzeit habe ich eine Bekannte kennengelernt, die als freie Journalistin für den Spiegel gearbeitet hat. Da habe ich mich natürlich gefragt, wie sie das geschafft hat. Davor hatte sie eine Ausbildung an der DJS gemacht und total von ihrer Zeit in München geschwärmt. Sie hat mich ermutigt, mich trotz des langwierigen Aufnahmeverfahrens zu bewerben.
Wie hast du dann deine Zeit an der DJS finanziert?
Heinsch: Die Ausbildung selbst ist kostenlos. Um meine Lebenshaltungskosten in München zu decken, habe ich mich auf diverse Stipendien beworben. Das war ziemlich kräftezehrend, weil ich lange nicht wusste, ob ich mir die Ausbildung dank eines Stipendiums leisten können würde – oder eben nicht. Ungefähr einen Monat vor meinem Start an der DJS habe ich dann die Zusage von der FAZIT-Stiftung bekommen. Das war eine sehr große Erleichterung. Die Förderung deckt alle meine Kosten während der Ausbildungszeit und im Gegensatz zum BaföG muss man nichts davon zurückzahlen.
Im Journalismus sind die Aussichten auf eine Festanstellung gering; eine gewisse finanzielle Sicherheit steht meistens erst nach ein paar Jahren in Aussicht. Warum hast du dich dennoch für diesen Berufsweg entschieden?
Heinsch: Ich muss zugeben, dass selbst mit einem Platz an der DJS die Zukunftsängste nicht verschwinden. In dieser Branche wirst du in den meisten Fällen weder wahnsinnig reich noch mit beruflicher Sicherheit belohnt. Da ich aus einer Arbeiterfamilie komme, kannte ich zudem lange Zeit niemanden, der mit dem Schreiben Geld verdient. Über meine gesamte Schulzeit hatte ich jedoch immer Spaß am Schreiben und Sprache überhaupt. Nach meinem FSJ wollte ich daher bei meiner Heimatzeitung Heilbronner Stimme ausprobieren, ob berufliches Schreiben etwas für mich ist. Dort hat es dann Klick gemacht: Recherchieren, Menschen auf den Zahn fühlen, Fragen nachgehen und sich mit einem Thema so lange beschäftigen, bis man es verstanden hat und aufschreiben kann. Das ist genau mein Ding. Während meines Studiums konnte ich mich weiter journalistisch austoben und habe viele positive Rückmeldungen auf meine Arbeit bekommen. Wenn man es ernst meint und Journalist:in werden will, muss man die Sorgen irgendwann ausblenden und alles daransetzen, besser zu werden. Für mich ist es der beste Job auf der Welt, der zwar seine Nachteile hat – aber die haben alle Berufsfelder.
Das mehrstufige Auswahlverfahren an der DJS ist sehr schwierig. Zuerst muss man schriftlich eine Bewerbungsreportage einreichen, um dann – falls diese für gut befunden wird – zwei Tage lang nach München zu reisen und sich dort einer mehrköpfigen Jury zu stellen sowie einen Wissens- und Bildertest zu absolvieren. Wie hast du dich vorbereitet?
Ich hatte das Pech, erst kurz vor den Weihnachtsferien die Mail von der DJS mit den Reportage-Themen im Spam-Ordner zu finden. Für die Recherche blieb daher nur noch wenig Zeit. Ich habe die Aufgabe „Das Duell – Geschichte eines Zweikampfes.“ gewählt: In meiner Reportage begleite ich einen Mann, der seit 12 Jahren gegen die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose ankämpft. Menschlich gesehen war es ein großartiges Erlebnis. Aus wahnsinnig viel Material habe ich meinen Text geschrieben, den ich später auch an den Südkurier verkauft habe.
Deine Reportage hatte die DJS überzeugt. Du bist nach München eingeladen worden, um auf Herz und Nieren geprüft zu werden. Wie hast du das Auswahlwochenende in München überlebt?
Heinsch: Während des kompletten Bewerbungsverfahrens vor Ort musst du vor allem die Nerven bewahren. Trotzdem behaupte ich, dass es jede:r an die DJS schaffen kann, da sich der Wissens- und Bildertest vor allem auf die vergangenen zwölf Monate beziehen – du kannst dich also vorbereiten. Das ist der Vorteil im Gegensatz zu anderen Journalistenschule. An der Henri-Nannen-Schule sind die Tests eher auf bildungsbürgerliches Wissen angelegt. Wenn du also aus einem Haushalt kommst, wo morgens schon immer die Süddeutsche Zeitung direkt neben dem Glasperlenspiel von Hermann Hesse auf dem Frühstückstisch liegt, hat man ganz andere Voraussetzungen als ein:e Mitbewerber:in, wo das nicht der Fall ist. Nach den Tests und einer Schreibübung mussten wir uns am nächsten Tag dem Auswahlgespräch stellen. Das ist schon heftig. Zu dritt wirst du von Journalist:innen aus allen Bereichen – Print, Hörfunk und TV – gegrillt. Die Jury wechselt über den Testtag. In unserer war der Promi Jan Weiler. Aber auch bei großen Namen musst du versuchen, so ruhig und gelassen wie möglich zu bleiben.
Du stehst nun fast am Ende deiner Ausbildung. Was hast du in dieser Zeit gelernt?
Heinsch: Journalist:innen tragen eine wahnsinnig große Verantwortung. Als Journalist:in triffst du Menschen, die dir sehr intime Einblicke in ihr Leben ermöglichen. Die DJS hat mir noch deutlicher gemacht, dass ich mit Berichten oder Reportagen ein öffentliches Bild einzelner Menschen zeichne. In der Summe ergibt die journalistische Arbeit im Idealfall so etwas wie ein authentisches Mosaik unserer Gesellschaft. Diesen Vorgang müssen wir reflektieren. Nur kritischer Journalismus ist guter Journalismus. Ich denke, Reporter:innen brauchen die Fähigkeit, so unvoreingenommen wie möglich an jedes Thema und jeden Menschen heranzutreten oder zumindest die eigene Rolle immer wieder zu hinterfragen. Die Ausbildung hat mir also vieles beigebracht, um dieser Verantwortung so gerecht wie möglich zu werden. Und natürlich einen Haufen praktischer Skills wie Videoschnitt, Kameraarbeit oder das Redigieren von Texten. Was wir in unserer Lehrredaktion ebenfalls immer wieder diskutiert haben: Wenn der Journalismus ein Bild unsere Gesellschaft abbilden soll, dann braucht es auch Journalist:innen aus allen Teilen der Gesellschaft, seien es beispielsweise mehr People of Colour oder Menschen mit Behinderung. Diesbezüglich müssen auch die Journalistenschulen insgesamt vielfältiger werden.
Und wo siehst du dich in fünf Jahren?
Heinsch: Ich bin nicht der Typ, der die heißen News unter Zeitdruck in die Welt bringt. Lieber möchte ich Fragen stellen und meine Zeit in längere Recherchen investieren. Wenn ich damit in der Branche Fuß fassen, ungehörte Geschichten erzählen und gleichzeitig damit Geld verdienen kann, dann bin ich froh.