Teilen statt Besitzen – Carsharing in Konstanz

Schlechte Busverbindungen und draußen regnet es: Mobilität in Konstanz ist für Studierende oft nicht leicht. Carsharing verspricht die Freiheit des eigenen Autos ohne nervige Fixkosten. Aber klappt das wirklich? Wir haben bei den Studierenden nachgehakt, die das System täglich nutzen. Lest im Artikel, warum der Wocheneinkauf mit dem Auto billiger sein kann als gedacht, warum Spontanität am Wochenende Grenzen hat und wieso eine Doppelstrategie bei der Anmeldung ein sinnvoller Weg durch den Konstanzer Verkehr ist.

Sich in Konstanz fortzubewegen, ist für Studierende eine Geduldsprobe. Dünne Taktungen in den Abendstunden und die jüngsten Kürzungen im Busverkehr, etwa bei der Linie 9A [siehe Artikel, Link zum Artikel von Finn einfügen], erschweren den Alltag ohne eigenes Auto spürbar. Zwar bieten Leihräder wie Konrad oder die E-Scooter von Lime Alternativen an, doch spätestens beim Wocheneinkauf oder dem Transport von Sporttaschen zur Uni-Halle in Egg stoßen diese Alternativen an ihre Grenzen.

In diese Lücke stoßen die lokalen Carsharing-Anbieter. Doch wie praxistauglich ist das Modell wirklich, insbesondere in Konstanz? Wir haben uns die Strukturen angesehen und ausführlich mit den Nutzern selbst gesprochen.

Neu sortierter Markt und Nischen in den Vororten

Wer in Konstanz nach einem teilbaren Auto sucht, trifft im Wesentlichen auf zwei Akteure. Der Platzhirsch tritt seit August 2024 unter dem neuen Namen Naturenergie Sharing auf – ein Zusammenschluss der Angebote von Stadtmobil Südbaden und my-e-car. Mit rund 500 Fahrzeugen in Südbaden, davon über die Hälfte elektrisch, bietet dieser Verbund eine hohe Dichte und über den Bundesverband Carsharing auch Zugriff auf Autos in ganz Deutschland.

Das lokal konkurrierende Unternehmen Carship setzt hingegen auf eine rein elektrische Flotte von derzeit etwa 18 Fahrzeugen. Interessant ist der Anbieter mit seinen rund 1.500 Nutzern vor allem für Studierende in den Vororten: Carship ist explizit auch in Stadtteilen wie Litzelstetten oder Dettingen präsent, wo die ÖPNV-Situation besonders dünn getaktet ist.

Ein weiterer Pluspunkt für Erstis: Die oft üblichen Altersgrenzen von Mietwagenfirmen (z.B. „erst ab 21“) fallen weg. Bei beiden Anbietenden reicht der Führerschein. Carship ermöglicht sogar das „begleitete Fahren“ ab 17 Jahren – solange die Begleitperson daneben sitzt.

Ein Wermutstropfen bleibt allerdings bei der Standortverteilung: Während das Netz in der Stadt erstaunlich dicht ist, sucht man ausgerechnet direkt am Uni-Campus auf dem Gießberg oder in Egg bisher vergeblich nach einer Station. Wer dort wohnt, muss also erst ein Stück Richtung Stadt radeln.

So kommt man hinters Steuer

Für Neulinge wirkt der Prozess oft komplizierter, als er tatsächlich ist. Das Prinzip ähnelt sich bei beiden Anbietenden stark und lässt sich in vier Schritten zusammenfassen:

  • Registrierung: Nach der Anmeldung in der App muss einmalig der Führerschein validiert werden – das geht meist per Video-Ident oder Post-Ident Verfahren
  • Buchen: In der App wählt man auf einer Karte das gewünschte Auto in der Nähe und den Zeitraum aus.
  • Öffnen & Starten: Am Auto angekommen, öffnet man das Fahrzeug per App oder Kundenkarte. Der Autoschlüssel liegt meist im Handschuhfach in einer speziellen Halterung oder das Auto startet direkt per Knopfdruck.
  • Abstellen: Anders als bei E-Scootern sind die meisten Carsharing-Autos in Konstanz stationsgebunden. Das heißt: Nach der Fahrt bringt man den Wagen an den Ursprungsort zurück und steckt ihn (bei E-Autos) wieder an die Ladesäule.

Abgerechnet wird am Ende automatisch über die hinterlegte Zahlungsart – eine Mischung aus gebuchter Zeit und gefahrenen Kilometern. Strom und Benzin, aber auch die Maut in der Schweiz oder Österreich, sind dabei immer inklusive; getankt oder geladen wird mit einer Tankkarte, die im Auto liegt.

Step-by-Step. Foto: Alexander Hidalgo Achilles
Step-by-Step. Foto: Alexander Hidalgo Achilles

Die Psychologie der Kosten

In unseren Gesprächen mit den Studierenden wird schnell klar, dass vor allem der finanzielle Aspekt motiviert. Jonas*, der das Angebot regelmäßig nutzt, nennt Kosten und Mobilität als seine Hauptgründe. „Wenn man mal zum Edeka muss, im Winter, vor allem wenn es kalt ist, dann ist Carsharing super praktisch“, erzählt er, aber gelegentlich auch für Ausflüge oder den Weg zum Fitnessstudio.

Noch deutlicher wird Lena*, die früher ein eigenes Auto besaß. „Rein finanziell ist Carsharing für den täglichen Gebrauch unschlagbar“, findet sie. Lena verweist darauf, dass sich ein eigener PKW unter einer Laufleistung von etwa 14 000 Kilometern im Jahr kaum rechne.

„Beim eigenen Auto zahlst du zum Monatsanfang, das Geld ist weg und du denkst dir: Jetzt kann ich ja fahren, weil das Benzin kaum was kostet“, erklärt Lena. Beim Carsharing sei das anders. „Du zahlst für jede Fahrt.“ Das führe dazu, dass man sich bei längeren Strecken durchaus zweimal überlege, ob man nicht den Zug nehmen sollte. Dennoch überwiege der Komfort, sich im Wesentlichen um nichts kümmern zu müssen. „Du steigst einfach ein, fährst los“, fasst Lena zusammen.

Doch was kostet eine Fahrt mit dem Auto? Wir wollten es genau wissen und haben den Selbstversuch gemacht. Samstagmorgen, der Kühlschrank ist leer. Unser Redakteur Paul bucht einen Kleinwagen für den Einkauf. Die Bilanz: Für die Fahrt zum Supermarkt, entspanntes Einkaufen ohne Hetze und den Rückweg brauchte er 1 Stunde und 45 Minuten, für die Strecke 4 Kilometer. Die Abrechnung folgte prompt: 4,58 Euro. Damit ist das Carsharing-Auto bei kurzen Strecken sogar günstiger als zwei Einzeltickets im Bus (derzeit je 2,60 Euro).

Car-Ship in Konstanz. Foto: Alexander Hidalgo Achilles

Verfügbarkeit erfordert Planung

Ein Kritikpunkt, der oft im Raum steht, bestätigt sich teilweise in der Praxis: Spontanität hat Grenzen. „Unter der Woche geht es, ein Auto zu bekommen“, berichtet Jonas. „Am Wochenende wird es schwieriger. Da hängt es dann mehr am Preis, günstige Autos sind häufiger vergriffen.“ Auch seien Fahrzeuge manchmal über mehrere Tage für Urlaube gebucht.

Sein Rat an Erstnutzende ist daher simpel: „Unter der Woche sollte man das Auto morgens reservieren, wenn man es abends haben möchte.“ Wer jedoch im Sommer einen Wochenendausflug plant, muss vorausschauender buchen. „Richtung Sommer am Wochenende sollte man eher eine Woche vorher reservieren“, so Jonas. Auch Lena bestätigt diese Erfahrung. „Man muss planen können, dann geht das schon“, sagt sie. „Wenn man früh genug bucht, dann klappt das.“

Die Angst vor dem Schaden

Eine Hürde für viele Interessierte ist die Sorge vor der Haftung. Unser Gesprächspartner Mark*, der das System noch nicht nutzt, fragt sich, ob das System nicht ausgenutzt werde. „Ich kann mir vorstellen, dass Leute Schäden am Auto anderen unterjubeln möchten“, befürchtet er.

Die Erfahrungen der aktiv Nutzenden zeichnen hier jedoch ein anderes Bild. Da vor Fahrtantritt Mängellisten per App abgeglichen werden, fühlt sich Jonas durch die inkludierte Vollkaskoversicherung, deren Selbstbeteiligung man durch ein zusätzliches Abo klein halten kann, abgesichert. „Deswegen mache ich mir keine Sorgen“, sagt er. Auch Lena hatte „noch nie Probleme, auch nicht mit Verschmutzung“. Zwar berichtet Jonas, dass vereinzelt Autos „ziemlich schlimm“ verschmutzt waren, dies sei aber die Ausnahme. „Im Schnitt ist es normalerweise sauber bis sehr sauber“, so sein Urteil.

Während unsere Presseanfragen bei beiden Anbietenden für diesen Artikel ins Leere liefen, lobt Jonas den Kundenservice für Nutzende ausdrücklich. „Bei jeglichen Kratzern – oder wenn das Auto nicht verfügbar ist: Man ruft die an, die haben sofort jemanden in der Leitung.“

Fazit: Doppelt hält besser

Carsharing in Konstanz erweist sich als Ergänzung zur Mobilität, die das eigene Auto für Studierende oft obsolet macht. Zwar erfordert die Nutzung am Wochenende etwas Planungsvorlauf, die technische Abwicklung ist jedoch ausgereift und in der Regel auch die ökologisch und ökonomisch sinnvollere Option.

Da bei den Basistarifen in der Regel keine monatlichen Fixkosten anfallen, empfiehlt sich für Studierende eine Doppelstrategie: Eine Anmeldung sowohl bei Naturenergie Sharing (für die breite Abdeckung und Fernreisen, einmalige Anmeldegebühr von 30€) als auch bei Carship (für die Verfügbarkeit in den Vororten, keine Anmeldegebühr) maximiert die Chancen, auch in Zeiten dünner Busfahrpläne mobil zu bleiben.

*Namen von der Redaktion geändert.

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