Wenn der Bus nur noch selten kommt – Die Busfahrplanänderung, die niemandem passt

Seit nun etwa einem Monat gilt in Konstanz einer neuer Busfahrplan: Eine Veränderung die für die unter Konstanzer:innen für große Empörung gesorgt hat und immer noch diskutiert wird. Wir sind den Ursachen für den neuen Busfahrplan auf den Grund gegangen und haben einige kommunal-politische Stimmen zum Thema eingefangen.

Knapp über 1000 Studierende sind in den Studierendenwohnheimen an der Rheingutstraße im Paradies beheimatet und damit direkt betroffen: Seit der Busplanänderung, eingeführt am 12. Oktober 2025, fährt die Linie 9A nicht mehr über die Laube durch das Paradies, sondern direkt vom Sternenplatz über das Konzil zum Hauptbahnhof. „Für alle die, die hier wohnen und an der Uni studieren ists natürlich sehr scheiße.“, so schätzt Phillip, Student und Wohnheimbewohner im Paradies die Lage ein. Aber auch für Senior:innen, und Schüler:innen im Paradies, dürfte eine ehemals wichtige Anbindung an den Konstanzer ÖPNV weggefallen sein. Entsprechend groß ist die Empörung in Konstanz über den neuen Busfahrplan. Doch was hat sich noch verändert und was steckt hinter der für Furore sorgenden Fahrplanänderung?

Zu den Größten Neuerungen des Fahrplans gehören, neben der Kürzung der Linie 9A, Änderungen an den Linien 3 und 12, die Wollmatinger Stadtteile ans Konstanzer Stadtzentrum anbinden. Beide Linien verkehren nun nur noch in einer 30-minütigen Taktung, vorher war es eine 20-minütige. Außerdem fährt die Linie 5 nicht mehr bis zum Strandbad am Hörnle und einige Linien drehen nicht mehr die Runde über die Laube zum Bahnhof sondern fahren, wie die Linie 9A, direkt über die Konzilstraße. Maßgebliche Gründe für die Veränderung sind, laut Pressemitteilung der Stadtwerke Konstanz, die Fertigstellung der Bahnhofsbaustelle und das – im letzten Jahr eingeführte – Tempolimit. Auf vielen Straßen des Konstanzer Stadtgebiets ist die erlaubte Geschwindigkeit seither auf 30 km/h begrenzt.

„Das Tempolimit erhöht die Umlaufzeiten der Buslinien. Die Anzahl an Umläufen und den alten Fahrplan beizubehalten, wäre mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden gewesen. Um den alten Fahrplan weiterhin bedienen zu können, bräuchte es in Sachen Personal und Fahrzeuge eine erhebliche Aufstockung. Die fehlende Geldsumme beläuft sich auf rund 1.8 Millionen Euro.“ – Christopher Pape, Pressesprecher der Stadtwerke

Der neue Busfahrplan sei die wohl beste Möglichkeit gewesen, trotz Tempo 30 den aktuellen Umfang des Fahrplans mit den vorhandenen Mitteln sicher zu stellen, erklärt Christopher Pape. Wie so oft fehlt also Geld. Mit den Kürzungen am Fahrplan rückt nun die in Konstanz geltende Geschwindigkeitsbegrenzung in den Fokus der kommunalpolitischen Diskussion.

Reaktionen auf die Fahrplanänderung

Die Tempolimit-Ausweitung wurde erst im Mai 2024 durch den Gemeinderat beschlossen. Grund dafür ist der Lärmaktionsplan, den die EU für Kommunen vorschreibt. Von Lärm geht eine hohe Belastung für die Natur und Gesundheit des Menschen aus. Er stellt laut der offiziellen Gesundheitsinformationsplattform Deutschlands (www.gesund.bund.de) ein Risiko sowohl für die körperliche als auch für die psychische Gesundheit dar. Die CDU-Fraktion des Konstanzer Gemeinderats hat nun dennoch beantragt, das Geschwindigkeitslimit auf die Nacht zu begrenzen. Auch der Konstanzer FDP-Nachwuchs, Junge Liberale (JuLi), äußert in sozialen Netzwerken Kritik an den Busfahrplanänderungen und dem Tempolimit. Mit Flyer und Instagram-Beitrag bewirbt die Organisation eine eigene Umfrage zum Thema, bei der der Busfahrplan im Schnitt mit zwei von fünf Sternen abschneidet. Die Vorsitzende des Verbundes, Lea Banger, positioniert sich: „Der Busfahrplan hat sich deutlich verschlechtert, die Taktungen haben sich verschlechtert, einige Verbindungen sind gekappt worden und einige Haltestellen werden gar nicht mehr angefahren.“ Auch sie sieht das Problem beim Tempo 30 und erzählt von einer Forderung der JuLis: „Anfangs haben wir gesagt: Tempo 30 ganz zurücknehmen!“. Den Lärmschutz hält Banger durch Tempo 30 nicht für gewährleistet, „Schaltwagen sind in den unteren Schaltungen lauter, als in den oberen.“, so versucht Sie das zu erklären. Tatsächlich sind nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr für den von Kraftfahrzeugen ausgehenden Lärm nicht nur Motorengeräusche verantwortlich, sondern insbesondere auch Fahrbahngeräusche. Die Gemeinderatsfraktion der FDP stelle sich jetzt hinter den Antrag der der CDU, sagt die JuLi-Vorsitzende abschließend.

Die Haltestelle Gartenstraße direkt vor dem Seniorenwohnheim Margarete-Blarer-Haus, von der Studierende aus den Wohnheimen an der Parallelstraße, der Rheingutsraße, früher einen Direktbus an die Uni nehmen konnten. Bild: Finn Girrbach

Doch auch die Konstanzer Grünen sind mit dem neuen Busfahrplan unzufrieden. Der neue Fahrplan konterkariere mit den klimapolitischen Zielen der Stadt, heißt es in einem Instagram-Beitrag und einer Stellungnahme auf der Website der Grünen Gemeinderatsfraktion, in der zugleich eine Überarbeitung des Fahrplans und längerfristig ein neues Buskonzept gefordert wird. Niklas Becker, Gemeinderatsbeisitzender für die grüne Fraktion – bestehend aus der Freien Grünen Liste (FGL) und dem Bündnis 90 die Grünen – und Student der Universität meint: „Gerade in diesen Zeiten kann es doch aus klima-, aber auch sozialpolitischen Gründen nicht sein, dass der ÖPNV abgebaut wird.“ Seine Fraktion beantragte nun, dass der Busfahrplan ab November auf die Tagesordnung des Gemeinderats rückt. „Es ist wichtig, dass die kommunalpolitischen Gespräche über den Busfahrplan transparent für Bürger:innen fortgesetzt werden.“ Kommentiert er diesen Antrag. Becker findet, in den ÖPNV müsse mehr Geld investiert werden. Doch wo soll dieses Geld herkommen? Niklas berichtet, von seiner Fraktion habe es bereits Vorschläge für die Aufbringung zusätzlicher Mittel für den ÖPNV gegeben, diese sein allerdings im Gemeinderat immer mehrheitlich abgelehnt worden. Doch auch Ideen zur Gestaltung eines flüssigeren Verkehrs für Busse, ohne die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h abzubauen, gibt es in der Grünen Fraktion. „Auf mehrspurigen Straßenabschnitten wäre es möglich weitere Busspuren einzurichten, auf denen dann ausschließlich Busse erlaubt sind.“ Solche Spuren, auf denen Busse dem allgemeinen Verkehrschaos ausweichen können, gibt es teilweise bereits, zum Beispiel an der Laube.

Lärmschutz bedingte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h am Zähringerplatz. Bild: Finn Girrbach

Der Meinung, man müsse aus sozialpolitischen Gründen etwas am Busfahrplan verändern, dabei allerdings das Tempolimit schützen, ist auch die Konstanzer Linke. Lars Hofmann, Landtagskandidat für die Linke Konstanz reiht sich in die lange Liste der Busfahrplankritiker:innen ein. Er hebt dabei hervor: „Neben den Studierenden sind vor allem Senior:innen von den Änderungen betroffen. Insbesondere auch von den Kürzungen an der Linie 5.“ Hofmann sagt, die Linke Gemeinderatsfraktion, die Freie Linke Liste, wolle ebenfalls eine Überarbeitung des Busfahrplans bewirken.

Eines lässt sich also mit Sicherheit über den neuen Busfahrplan sagen: So richtig zufrieden damit ist in Konstanz niemand. Am stärksten betroffen sind natürlich alle, die tagtäglich auf den Bus angewiesen sind. Eine 85-jährige Paradies-Anwohnerin, die, auf eine Krücke gestützt aus einem Bus an der Haltestelle Gartenstraße aussteigt, ist empört über die Kürzung der Linie 9A: „Ich bin auf die Busse angewiesen, vor allem seit mein Sohn mir letztes Jahr das Fahrrad verboten hat.“ Sie findet, es brauche eher mehr als weniger Linien durch das Paradies, die Busse seien manchmal so voll. Dennoch ist sie versöhnlich gestimmt. Sie sei noch ganz gut zu Fuß und verspüre die Änderungen deshalb als nicht ganz so eingreifend, erzählt sie trotz der Krücke. Die im Paradies anzutreffenden Studierenden äußern sich betroffen. „Es ist halt einfach unpraktisch, dass man jetzt so lange an die Uni braucht und dass man wegen des Umstiegs seinen Alltag nicht mehr so genau planen kann.“, beklagt eine Studentin der Universität. Über 1200 Menschen haben bereits eine Petition für den Erhalt der Direktverbindung zwischen dem Paradies und der Universität unterschrieben. Ob der lautstake Gegenwind und die Kritik am neuen Fahrplan Wirkung zeigen werden, bleibt offen. Aktuell spendet die Aussicht auf eine Fortsetzung der Gespräche über den Busfahrplan ein Wenig Hoffnung.

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