Wenn Influencer:innen Bücher schreiben

Als die App Instagram 2010 startete, sollten Nutzer_innen kurze Schnappschüsse aus dem Alltag teilen und sich gleichzeitig vernetzen. Eine Fusion aus Flickr und Facebook war geboren. Doch mittlerweile ist die App ein komplexes System, das sich zum einen für manche monetär lohnt und zum anderen viele verschiedene Nischen hervorgebracht hat. So auch die der Selbstakzeptanz und Selbstliebe, einhergehend mit Aufklärungsversuchen zahlreicher psychischer Erkrankungen und emotionaler Prägungen.

Zu diesen Instagramer_innen zählen auch Maria Anna Schwarzberg alias „Proud to be Sensibelchen“ und Madeleine Alizadeh alias „DARIADARIA“. Erstere thematisiert auf ihrem Kanal explizit ihre Hochsensibilität, die auch Madeleine Alizadeh als ein Merkmal ihres Selbst aufzählt. Doch widmet sich ihr Kanal vielfältigeren gesellschaftlichen Fragen wie Selbstliebe allgemein, Aktivismus und nachhaltigem Konsum. Sie gründete 2017 sogar ihr eigenes, nachhaltig produzierendes Textilunternehmen. Was beide Frauen gemeinsam haben: Einen Burnout in jungen Jahren. Und ein veröffentlichtes Buch, das in die Kategorie Sachbücher gehört, jedoch eher sehr persönliche Ratgeber sind.

Zu allererst einmal: Beide Autorinnen gehen unglaublich verantwortungsvoll mit den Themen um. Reden sie über Bekannte, sei es positiv oder negativ, nennen sie keine Klarnamen. Außerdem sind die Themen gut recherchiert. Beide nennen Kenntnisse von Wissenschaftler_innen und anderen Buchautor_innen und listen diese Quellen am Ende ihres Buches auf. Dabei ist zu bemerken, dass Madeleine Alizadehs Liste viel umfassender ist als Maria Anna Schwarzbergs. Das könnte daran liegen, dass Madeleine vielseitigere Themen wie Aktivismus im Bereich Umweltschutz, Feminismus, Rassismus sowie Selbstakzeptanz und Berufung thematisiert.

„Oft sind wir gar nicht so sehr das Produkt dessen, was uns passiert, sondern das, wofür wir uns entscheiden zu sein.“

(Madeleine Alizadeh: Starkes Weiches Herz, S. 34)

Das ist meiner Meinung nach aber auch die Schwäche des Buches. Es fehlt ein roter Faden und viele Themen werden nur angerissen. Maria konzentriert sich auf ein Thema, das der Hochsensibilität. Dieses erfährt in der Forschung sowie Presse kaum Resonanz, so dass es schwer zu sein scheint, überhaupt Quellen zu finden.

Beide Frauen setzen in ihren Büchern darauf, ihr Leben sowie eigene Gedankengänge, wiederzugeben. Das führt in manchen Passagen zu einer Identifizierung mit der jeweiligen Autorin. An anderen Stellen reagiert man womöglich kritisch. Es entwickelt sich fast schon zu einer hitzigen, fiktiven Diskussion – wie ein Gespräch mit einer guten Freundin. Der Schreibstil vor allem Madeleine Alizadehs ist dabei hervorzuheben, denn er ist klar und simpel, ohne zu einfach oder unbedacht zu wirken. Sie zeigt anhand ihren eigenen Geschichte, was sie lernen konnte und gibt Tipps und vor allem Fragen mit auf den Weg. Den Leser spricht sie dabei locker mit „Du“ und „Wir“ an. Maria erzählt in chronologischer Reihenfolge von ihrem Leben und die ein oder andere Passage scheint fast genauso aus ihrem Podcast übernommen.

„Die Tatsache, dass ein Mensch sensibel ist und deshalb harmoniebedürftig und empathisch auf das Wohl des anderen bedacht, gibt niemandem das Recht, diese Sensibilität auszunutzen und diesen Menschen respektlos zu behandeln.“

(Maria Anna Schwarzberg: Proud to be Sensibelchen, S. 116).

Die Bücher versuchen somit die Struktur der App Instagram oder eines Podcasts widerzuspiegeln, indem ein Dialog auf Augenhöhe fingiert wird.

Trotzdem hat das Lesen dieser Bücher einen faden Beigeschmack: Die eigene Geschichte der beiden Influencer_innen steht im Mittelpunkt. Geben Sie doch wertvolle Tipps und haben eine Vorbildfunktion, so zeigen sie auch, wie es aussieht, es trotz Burnout „geschafft“ zu haben. Als erfolgreiche, junge Unternehmerinnen und einer Anzahl an Abonnent_innen von 283 Tsd. (@dariadaria Stand: 18. Mai) und 23,2 Tsd. (@mariaannaschwarzberg Stand: 18. Mai) stehen sie, für Nischenthemen, recht weit oben im Ranking der deutschsprachigen Influencer_innen. Ob diese individuellen Lebenswege junge Menschen tatsächlich dazu inspirieren, sich besser zu fühlen oder nicht doch eher an den eigenen Träumen und Fähigkeiten zweifeln lassen? Das ist eine weitere Frage, die sich jede/r selbst beim Lesen der Bücher beantworten sollte.

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