C: Können Sie zunächst etwas über die Entstehung der ZSB in Baden-Württemberg erzählen?
AW: „Die Geschichte beginnt damit, dass in den 1970er-Jahren die Frage aufgekommen ist, wie junge Menschen eine passende Studienwahlentscheidung treffen können. Deshalb gab es ein Pilotprojekt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie an einer weiteren Hochschule. Es wurde eine Art zentrale Anlaufstelle eingerichtet, an die sich Studieninteressierte wenden konnten. Das Pilotprojekt hat Früchte getragen und so sind in Baden-Württemberg – vorwiegend an den Universitäten – zentrale Studienberatungen eingerichtet worden.“
C: Welches Konzept steckt hinter der ZSB?
AW: „Die Beratungsstellen nennen sich zentral, weil sie nicht die jeweilige Hochschule vertreten, an der sie verankert sind, sondern unabhängige Ansprechpartnerinnen für die Region Baden-Württemberg sind. Die ZSB hat zum Ziel, junge studieninteressierte Menschen dabei zu unterstützen, die für sie richtige Studienwahl zu treffen. Dabei wird auf eine sowohl an Interessen als auch an Fähigkeiten orientierte Studienwahl Wert gelegt. Der Hintergrund ist, Studienabbrüche zu vermeiden, denn volkswirtschaftlich gesehen ist es schädlich, wenn junge Menschen ihre Zeit für eine falsche Studien- oder Berufswahlentscheidung nutzen. Es geht aber auch darum, jungen Menschen eine Hand in der schweren Umbruchphase zwischen Schule und Studium beziehungsweise Studium und Beruf zu reichen. Denn vor allem der Übergang zwischen Schule und Studium wird zunehmend komplex, da es mittlerweile rund 25 000 Studiengänge in Deutschland gibt. Außerdem sind die Studienanfänger:innen immer jünger geworden, weil das G8 eingeführt wurde und die Wehrpflicht weggefallen ist.“
C: Wie funktioniert die Zentrale Studienberatung und was genau ist der Auftrag der Einrichtung?
AW: „Am wichtigsten ist für die ZSB, junge Studieninteressierte in ihrer Entscheidungsfähigkeit zu unterstützen. Wir stellen Informationen bereit und unterstützen darin, eine Entscheidung eigenständig und eigenverantwortlich treffen zu können. Das heißt, dass nicht die Berater:innen einen Vorschlag machen, was die Ratsuchenden studieren sollen, sondern diese von den Berater:innen beim Findungsprozess begleitet werden. Im Zentrum stehen für die ZSB ihre Neutralität und ihre Unabhängigkeit von den Hochschulen. Sie wirbt nicht für die Hochschule, an der die jeweilige ZSB sitzt, sondern ist auch für Studieninteressierte da, die nicht an dieser Hochschule studieren möchten. Die ZSB ist keinem übergeordneten Ziel oder einer Kennzahl verpflichtet. Deshalb richtet sie sich nicht danach, in welchen Fächern gerade Studienanfänger:innen gebraucht werden, oder nach einer Marketingstrategie. Um Schüler:innen und Studierende unabhängig zu beraten, organisiert sie öffentliche Veranstaltungen und Gruppenformate, bietet aber auch eine Einzelberatung an. Diese findet in Form von Gesprächen statt und steht sowohl Studieninteressierten als auch Studierenden offen.“
C: Wie genau läuft so ein Gespräch ab?
AW: „Am Anfang eines Beratungsgesprächs steht immer die Klärung des Anliegens. Dieses steht im Zentrum des Gesprächs. Wenn das Anliegen beziehungsweise der Beratungswunsch geklärt ist, dann zeigen wir mögliche Wege auf, wie es für die Ratsuchenden weitergehen könnte. Dabei werden organisatorische Fragen beantwortet, aber es kann auch über mentale Hürden gesprochen werden. Häufig geht es beispielsweise darum, wie ein Loslassen und ein anschließender Neuanfang mental bewältigt werden können. Oder wir sprechen darüber, wie mit dem Scheitern umgegangen werden kann. Unser Ziel für das Gespräch ist auch immer, die Ratsuchenden an nachfolgende Stellen zu verweisen. Das kann bei Studierenden die Sozialberatung oder die Psychotherapeutische Beratung sein, denn es gibt eine gewisse Schnittmenge zwischen uns und diesen Angeboten der Studierendenwerke, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Studieninteressierten zeigen wir zum Beispiel, wo und wie sie ihre Studienbewerbung einreichen können. Menschen, bei denen sich herausstellt, dass neben einem Studium auch andere Wege im Raum stehen, verweisen wir an Stellen, die in diesen Bereichen eine Expertise haben. Niemand soll sich nach einem Beratungsgespräch verloren fühlen, sondern sehen, dass es weitergeht und mit welchen Schritten. Im Beratungsgespräch wenden wir verschiedene Methoden an, zum Beispiel eine Aufstellung der Möglichkeiten mit dem Flipchart, wenn es um eine Entscheidungsfindung geht. Ein Gespräch dauert etwa 1 bis 1,5 Stunden. Wir nehmen uns viel Zeit für die Anliegen, was auch zu einem Coaching mit mehreren Terminen führen kann.“
C: Wie ist die Situation der ZSB heute?
AW: „Heute sind wir an rund 30 staatlichen Hochschulen vertreten, sowohl an Universitäten als auch an Dualen und Pädagogischen Hochschulen. Es gibt in Baden-Württemberg über 100 Berater:innen. Als Zentrum der ZSB gilt Stuttgart, weil dort auch das Wissenschaftsministerium sitzt. Weitere große Zentrale Studienberatungen liegen in Heidelberg und Freiburg. Einmal im Jahr haben wir das Konstanz-Seminar, bei dem sich die meisten Berater:innen zum Austausch treffen. Konstanz ist für die ZSB wichtig, weil die Universität Konstanz zur Entstehungszeit der ZSB als jung und modern galt und sie die ZSB dementsprechend gefördert hat.“
C: Was sind die Vorhaben für die Zukunft und wie geht es weiter?
AW: „Auf jeden Fall wollen wir noch mehr junge Menschen erreichen. Dafür wollen wir mehr auf das Angebot aufmerksam machen, um auch Studieninteressierte zu erreichen, die die ZSB noch nicht kennen. Wir kooperieren deshalb mit Schulen und versuchen, uns noch mehr zu vernetzen. Wir organisieren auch den jährlich stattfindenden Studieninformationstag, der immer im Herbst und an allen staatlichen Hochschulen stattfindet. Ein konkretes Ziel für die Zukunft sind zudem der Ausbau und die Verstetigung des BEST-Trainings. Außerdem wollen wir uns weiterhin für ein chancengerechtes Studium einsetzen und dieses vorantreiben, sodass eine barrierefreie Teilhabe am Studium möglich ist. Auch Diversität ist dabei ein großes Thema. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Teilhabe von Kindern aus Nichtakademikerhaushalten. Ihnen und ihren Eltern sollen mögliche Ängste im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Studiums genommen werden. Generell schauen wir immer, wo der Bedarf der Studierenden liegt. Darauf reagieren wir und deshalb ist unsere Arbeit nie statisch.“
BEST-Training
BEST ist ein Entscheidungstraining für die BErufs- und STudienorientierung. Es findet im Rahmen eines zweitägigen Entscheidungs- und
Zielfindungstrainings für Schülerinnen und Schüler an den allgemeinbildenden und
Beruflichen Gymnasien zum Thema "Studien- und Berufsorientierung" statt.
Wir bedanken uns für das Interview und wünschen der ZSB ein erfolgreiches Jubiläumsjahr.
Ihr seid euch unsicher bezüglich eurer Studienfachwahl? Ihr überlegt, das Fach zu wechseln oder ein neues Studium an einer anderen Hochschule anzufangen? Ihr habt Fragen zur Organisation eures Studiums oder über die Bewältigung des Studierendenalltags? Die ZSB der HTWG Hochschule Konstanz ist per Mail unter zsb@htwg-konstanz.de zu erreichen und die ZSB der Universität Konstanz über die E-Mail-Adresse termin.zsb@uni-konstanz.de