Hoch hinaus – Tief hinein: Ein ungewöhnlicher Spaziergang über die Dächer und Katakomben der Universität

Der Hörsaal ist voll, die gesamte Aufmerksamkeit ist gespannt nach vorne gerichtet: Eine ganz normale Situation. Doch vor den 140 Studierenden steht kein Professor im Hemd oder Sakko.

Der Hörsaal ist voll, die gesamte Aufmerksamkeit ist gespannt nach vorne gerichtet: Eine ganz normale Situation. Doch vor den 140 Studierenden steht kein Professor im Hemd oder Sakko. Der Vortragende trägt das blaue T-Shirt des Facility Management Teams der Uni Konstanz. Tilo Prautzsch ist Abteilungsleiter des etwa 100-köpfigen Teams, das aus Techniker_innen, Hausmeister_innen, Architekt_innen, Leitwärter_innen oder Ingenieur_innen besteht und sich darum kümmert, dass der Alltag an der Uni so reibungslos wie möglich funktioniert.

Prautzsch weiß über die Zukunft der Uni genau Bescheid. Viele neue Gebäude sind geplant: Die Uni wächst. Das zukünftige Gebäude X soll beispielsweise dafür sorgen, dass 32 von den ungefähr 100 Seminarräumen an der Uni zentraler angesiedelt sind. Auch die Fläche vor dem Haupteingang wird neugestaltet und als zentraler großer Platz ganz ohne Straße und Bushaltestelle auskommen.

„Die Bushaltestelle wird verlegt, die Straßenführung geändert“,

erläutert Prautzsch.

Zukunftsorientiert werden Parkplätze, wie zum Beispiel der Parkplatz Nord, zu Bauflächen umfunktioniert, mit dem Gedanken, dass es weniger private Autos geben wird. Gleichzeitig sollen mehr zentrale Stellplätze für Fahrräder konzipiert werden.

Versammelt haben sich die Studierenden aber nicht nur, um mehr über die zukünftigen baulichen Veränderungen der Uni zu erfahren, sondern weil sie einen Platz in der anschließenden Katakombenführung ergattert haben. Die Führungen werden von der Studierendenvertretung und dem Facility Management organisiert. Die Plätze werden gelost, weil die Nachfrage die Kapazitäten übersteigt. Seit zwanzig Jahren führt Prautzsch Gruppen durch die Tiefen der Uni und auch im Sommersemester ist wieder eine Katakombentour für Studis geplant.

„Ich bin froh, dass ich dieses Mal so viele Kollegen gewinnen konnte, eine Führung zu übernehmen“,

erklärt Prautzsch nach der kurzen Präsentation der Gebäudeplanung. In Sechser-Gruppen teilen sie die Studierenden auf. Die rote Gruppe, geleitet von Tatiana Schmid, fährt zuerst aufs Dach.

Die gelernte Bauingenieurin schließt die große dunkle Tür auf Ebene L11 auf und betritt das Dach, gefolgt von ungefähr 20 Studierenden. Lautes Brummen empfängt die Gruppe.

„Früher, mit den alten Geräten, war es hier noch lauter“,

lacht Schmid. Verantwortlich für den Lärm sind die Wärmerückgewinnungsanlagen, die die produzierte Wärme aus den naturwissenschaftlichen Bereichen und Laboren wiederverwendet. Technik mit Seeblick sozusagen.

Nach dem Ausblick geht es mithilfe des Lastenaufzuges in den Bauch der Uni. Auf Ebene L4 lotst Schmid die Gruppe durch eine schwere Tür. Angekommen in den unterirdischen Katakomben der Uni ist es warm und stickig. In jedem Raum zischt, brummt oder plätschert etwas.

Über steile Betontreppen geht es ein halbes Stockwerk hinauf und wieder hinunter.

Der Starkstromkasten, der Strom in die überliegenden Bereiche verteilt, ist hinter einer vergitterten Tür gut geschützt.

Durch weitere Gänge aus Beton und vergitterten Abteilen gelangt die Gruppe zur Wasseranlage. In den schwarz ummantelten Rohren fließt vier Grad kaltes Bodenseewasser.

Nicht behandeltes Wasser wird als Rücklauf wieder dem Bodensee zugeführt. Benutztes Wasser, das in den Naturwissenschaften meist in Laboren oder zum Kühlen Verwendung findet, wird in großen Umwälzpumpen und -behältern so lange umgewälzt, bis der gewünschte pH-Wert erreicht ist und dem Abwasser zugeführt werden kann.

Meterlange, schmale Gänge, flankiert von dicken, grauen Wasserrohren, führen zur zentralen Einrichtung, die sich unter dem Eingangsbereich der Uni befindet.

Alle Gebäude der Uni, bis auf das Y-Gebäude, sind unterkellert und werden für Infrastruktur und Technik oder als Abstellfläche genutzt. So auch die Gänge unter dem A-Bereich.

„Diese Teile stehen hier seit zehn Jahren herum“,

schmunzelt Schmid.

Tiefer geht es in den Uni-Bauch über eine weitere, sehr schmale Treppe. Wer leicht unter Schwindelgefühlen leidet, sollte hier besser nicht nach unten schauen.

Die Katakomben bilden nicht nur abgeschlossene, voneinander getrennten Stockwerke, sondern sind auch in Halbgeschossen aufgebaut.

Angekommen in der zentralen Einrichtung wird die Gruppe mit dem Blick in einen weitläufigen, aber niedrigen Raum belohnt. Viele technische Geräte und Rohre sind in der Raummitte installiert.

An einer Seite befindet sich die Zuluftanlage, die Luft von draußen ansaugt, reinigt und je nach Außentemperatur abkühlt oder erwärmt und als frische Zuluft in die Hörsäle oder Bibliothek weiterleitet.

In einer anderen Ecke hat sich ein richtiger Kabelsalat angehäuft. Dieser funktioniert als Kabeldepot und ist zusätzlich ein Farbklecks im tristen Grau der Kellerräume.

Dass in diesen menschenleeren Räumen Techniker_innen tagtäglich arbeiten, fällt vor allem durch der Wanddekoration auf. Landkarten, Weltkarten und eine Panorama-Alpenkarte befinden sich an den Wänden und bringen ein wenig Farbe und Natur in die tiefen Keller der Universität.

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