Zwischen Hype und Realität – Serienreview der neuen Mockumentary „Irgendwas mit Medien“

Lennart ist überambitionierter Student und studiert wie der namensgebende Titel der neuen ARD-Serie „Irgendwas mit Medien“. Um die Bewältigung seines Erstsemesteralltags und die Absurditäten des Studierendenlebens geht es in der neuen Mockumentary im Auftrag des MDR und ARD Kultur. Unsere Redakteurin Jamie-Lee, die selbst irgendwas mit Medien studiert, hat sich die Mockumentary noch vor Erscheinen angesehen.

Die neue ARD-Mockumentary-Serie „Irgendwas mit Medien“ ist eine überspitzte und zugleich nachvollziehbare Darstellung des Studentenlebens von Lennart, einem selbsternannten Wunderkind, der gerade sein erstes Semester an der Universität in Weimar beginnt. Eine Mockumentary ist eine fiktive Dokumentation, die das Genre parodiert. Insgesamt besteht die Serie aus acht Folgen, in denen Lennart, begleitet durch das Kamerateam einer Doku, lernen muss, dass er im großen Teich der Universität nichts Besonderes ist.

Während Lennart mit eigens eingehandelten Pleiten und Problemen zu kämpfen hat, lernt er schon während seiner Eignungsprüfung für „Medien-Kunst“ den Langzeitstudenten Simon kennen. Obwohl oder gerade weil Lennart nicht einsieht, dass Simon von ihm genervt ist, formt sich durch eine Reihe von unglücklichen Zufällen eine Freundschaft zwischen den beiden. Während Lennart ein unermüdlicher Optimist, aber auch Aufschneider zu sein scheint, der andererseits durch seine Naivität und Randständigkeit Mitleid erweckt, findet er in Simon seinen Gegenpol. Durch seine arrogant wirkende Art und seiner Übermotivation schießt er über Ziele hinaus und macht sich dadurch bei seinen Kommiliton:innen unbeliebt. Simon wirkt durch sein Desinteresse am Studium wie ein weiteres wandelndes Stereotyp, der nur durch seine zuerst versteckte später aber deutlich hervortretende empathische und soziale Kompetenz zu einem vielschichtigen Charakter wird.

Lennart ist ein selbsternanntes Wunderkind und studiert irgendwas mit Medien. Foto: DR/UFA/Sascha Hoecker

Klischees mit einer Portion Ernst

So versucht Simon den Ersti vor den Folgen seiner Wichtigtuereien, wie “Blackfacing” oder den Versuch, sich Behinderungen zu Nutze zu machen, zu beschützen, was meistens jedoch missglückt. Als Lennart sich das Gesicht schwarz färben will, versucht Simon ihn davon abzuhalten. Während Projektarbeiten und dem Versuch Freunde zu gewinnen, muss Lennart sich auch den Problemen einer Fernbeziehung mit seiner Schulfreundin Inga stellen. Sein anhaltender Egoismus führt dabei zu immer mehr Spannungen, denn auch sie kann zurecht nicht mit dem anhaltenden Egoismus Lennarts umgehen. Dabei und im Kontext weiterer Charaktere, auf die Lennart trifft, werden nicht nur Klischees und Probleme von Studierenden, insbesondere von Medienstudierenden widergespiegelt, sondern auch gesellschaftskritische Fragen zu Themen wie Queerness, Rassismus und Ableismus gestellt.

Besonders Szenen wie die des Medienpreiswettbewerbs, in der Lennart aus Herzschmerz heraus versucht, mit allen Mitteln in der Kategorie „Inklusion“ zu gewinnen und dabei zum Schluss Simons blinde Freundin, die im Publikum sitzt, in die Situation mit hineinzieht, lassen Zuschauer:innen konsterniert zurück. In solchen Momenten lässt die Serie die Rezipierenden darüber nachdenken, ob es okay ist, bestimmte Klischees so explizit als Negativbeispiel darzustellen und ob sie dazu beitragen oder eher hinderlich sind, Aufklärungsarbeit in diesen Bereichen zu leisten.

So sind die einzelnen Folgen in sich geschlossen, denn obwohl jede Folge einen Schritt zum Semesterende macht, gibt es keinen übergreifenden Handlungsbogen. Die Serie zeigt außerdem keine signifikante Charakterentwicklung. Insbesondere beim Hauptcharakter, der im Gegensatz zu den anderen Figuren, die lernen sich durch ihre Erfahrungen an die Gegebenheiten des Studiums anzupassen, scheinbar auf der Stelle tritt. Während Simon primär durch seine Liebschaften und Versuche, Lennart zu retten, an Tiefe gewinnt, ist es bei Inga trotz ihrer kleinen Rolle in der Serie im Kontrast zu Lennart deutlich, dass sie sich durch das Studium verändert. Lennart ist von Anfang bis zum Ende nur auf seinen eigenen Erfolg bedacht und kann trotz der Tatsache, dass er sich am Ende bei Simon entschuldigt, nur schwer seine egoistische Art erkennen.

Simon ist der genaue Gegenpol zu Lennart und entspricht dem Klischee des klassischen Langezeit-Studi. Zwischen beiden entwickelt sich dennoch eine Freundschaft. Foto: DR/UFA/Sascha Hoecker

Medienstudierende können sich wiedererkennen

Das Team der Serie konnte für den Cast auf aktuelle und ehemalige Studierende der Bauhaus-Universität Weimar zurückgreifen und auch deren Räumlichkeiten nutzen, was der Serie ein hohes Maß an Authentizität verleiht. Das Schauspiel ist bewusst amateurhaft gehalten und durch häufige Blicke in die Kamera betont. Dieses Stilmittel zum Durchbrechen der vierten Wand funktioniert oft gut, wirkt jedoch an einigen Stellen überbeansprucht. Genauso wirken die Dialoge durch den Überfluss an versuchten Pointen und offensichtlichen Stilmitteln oftmals aufgesetzt und gescriptet. Vermutlich ist das jedoch beabsichtigt, um das Genre der Mockumentary zu unterstreichen. Andererseits lockern Zitate wie „Das Kursangebot wird jedes Jahr schlechter“ oder die ausweichende Antwort „Ich hab ja noch zweieinhalb Jahre bis zum Bachelor“ bezüglich Lennarts Zukunftsperspektiven in der Medienwissenschaft, die ansonsten übertriebene Darstellung der Serie auf und zaubern den Medienstudierenden ein wissendes Schmunzeln ins Gesicht.

Entstanden aus einem ehemaligen Studi-Projekt

Die Nähe zur Realität wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass die Hauptdarsteller, Regisseure und Autoren Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach selbst ehemalige Studenten der Bauhaus-Universität Weimar sind und die Idee zur Serie bereits 2016 während ihrer Studienzeit entstand. Durch kontinuierliche Ideensammlungen und die Teilnahme an einem Förderprogramm konnte 2019 die Pilotfolge gedreht werden und schließlich für den Mitteldeutschen Rundfunk (MRD) und die ARD-Mediathek umgesetzt werden. Das studentische Projekt wurde somit professionell aufgearbeitet, was auf der Metaebene eine gewisse Ironie ergibt.

Die Serie spielt mit Klischees und Normen, die in ihrer übertriebenen Darstellung mit zahlreichen Fremdschammomenten an der Glaubhaftigkeit zweifeln lassen. Dies ist jedoch sicherlich beabsichtigt und Studierende in ähnlichen Bereichen können sich trotz Überspitzung immer wieder in Charakteren oder Momenten wiedererkennen.

Im Vergleich zu anderen Serien im gleichen Genre, wie „Die Discounter“ oder „The Office“, kann „Irgendwas mit Medien“ wegen diesem misslungenen gelungenen Balanceakt zwischen Abbildung der Realität und stilsicherer Übertreibung im Sinne einer Mockumentary nicht mithalten. Trotzdem schafft es die Serie ein authentisches Bild eines Erstsemesters besonders im Bereich der Medienwissenschaften zu vermitteln, das oft von unerwarteten Hürden und Herausforderungen geprägt ist.

Insgesamt ist „Irgendwas mit Medien“ eine unterhaltsame und meta-humorvolle Serie, die besonders Studierende in ähnlichen Bereichen anspricht.

Die Mockumentary „Irgendwas mit Medien“ ist eine Produktion der UFA Serial Drama im Auftrag des MDR in Zusammenarbeit mit ARD Kultur für die ARD Mediathek.
Gefördert wurde die Serie in der Entwicklung von „Formate aus Thüringen“ und in der Produktion von der Thüringer Staatskanzlei.

Ihr findet die Serie „Irgendwas mit Medien“ hier in der ARD-Mediathek:
Länge der Serie: 8 x 25 Minuten

Seit 13. April verfügbar

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