Mit dem Erasmus-Praktikum fremde Sprachen und Kulturen kennenlernen

Unsere Redakteurin Ina ist zurzeit in Stockholm und macht dort ein Erasmus-Praktikum im Verlagswesen. Im Artikel erklärt sie, was genau ein Erasmus-Praktikum ist, und erzählt von ihren Erfahrungen im Ausland. Sie berichtet unter anderem, wie die Bewerbung für das Erasmus-Praktikum abläuft und was Interessierte beachten sollten.

Wie ich mich kurz vor knapp um das Erasmus-Stipendium beworben habe und wie es ist, ein Auslandspraktikum in Schweden zu machen

„I omkring tjugo minuter kommer vi till Stockholm Central“, tönt es durch die Lautsprecher im Nachtzug von Hamburg nach Stockholm. Ich habe mich die ganze Nacht von den Geräuschen und Bewegungen des Zuges einlullen lassen und bin gerade von der Durchsage aufgewacht. Ich bin ein bisschen aufgeregt. Positiv, weil ich gerade zum ersten Mal auf meiner Reise etwas Schwedisches gehört habe und weiß, dass ich jetzt wirklich in meiner Wahlheimat für ein Semester angekommen bin. Hier mache ich ein Praktikum in einem Verlag für Reiseliteratur. Ich bin schon seit fast 24 Stunden unterwegs. Am Morgen zuvor bin ich in Zürich mit dem ICE losgefahren. Inzwischen ist ein neuer Tag angebrochen und ich erreiche in wenigen Minuten mein Ziel, den Hauptbahnhof von Stockholm. Bevor der Zug den Zielbahnhof erreicht, verlasse ich kurz mein Schlafabteil und schaue aus dem Fenster. Bis jetzt sieht es nicht besonders schwedisch aus. Was mich besonders irritiert ist, dass es schon hell ist. Immerhin ist es schon November und im Winter ist es in Schweden auch tagsüber fast die ganze Zeit dunkel. Es liegt kein Schnee, was mich ebenfalls überrascht. Dann sehe ich endlich die typischen schwedischen roten Holzhäuschen. Wenigstens etwas. Nach der Ankunft fahre ich zum Hotel, das meine Praktikumsbetreuerin für mich organisiert hat. Am Nachmittag treffe ich sie zum ersten Mal persönlich. Dann beginnt offiziell mein Praktikum, das über Erasmus gefördert wird.

Ein klarer Winternachmittag in Stockholm, hier mit Blick auf das königliche Schloss in der Altstadt.
Foto: Ina Klompmaker.

Erasmus-Stipendium für Praktikant:innen

Zwei Monate vorher: Bis vor kurzem habe ich nichts von der Möglichkeit gewusst, ein Praktikum über Erasmus zu machen. Ein ehemaliger Erasmus-Praktikant erzählt mir, dass ich mein Auslandspraktikum über Erasmus fördern lassen kann. Für ein Erasmus-Praktikum suchen sich die Studierenden eigenständig eine Praktikumsstelle im Ausland. Da ich bereits einen Praktikumsplatz habe, fange ich an zu recherchieren und finde heraus, dass ich mich über die zentrale Stelle in Karlsruhe um das Erasmus-Stipendium bewerben muss.

Melanie Bien, Mitarbeiterin an der Koordinierungsstelle für die Praktischen Studiensemester der Fachhochschulen in Baden-Württemberg (KOOR) in Karlsruhe, erklärt, dass die Stelle in Karlsruhe sich um die Erasmus-Praktikant:innen von 42 Hochschulen und Universitäten, hauptsächlich aus Baden-Württemberg, kümmere. Darunter ist auch die Universität Konstanz. Alle Studierenden der Uni Konstanz, die ein Erasmus-Praktikum machen wollen, müssen sich über die Stelle in Karlsruhe bewerben. Dafür ist eine Registrierung notwendig. Danach müssen verschiedene Daten eingegeben und einige Formulare hochgeladen werden: Wie beim Erasmus-Studium auch, gibt es ein Learning Agreement. Das muss zuerst von der Praktikumsstelle und dann von der Erasmus-Koordinator:in des Fachbereichs der Studierenden unterzeichnet werden. In meinem Fall hat die Erasmus-Koordinatorin des Fachbereichs Literatur, Kunst und Medien Melanie Hochstätter das Learning Agreement ausgefüllt. Ein Bewerbungsformular muss zusätzlich von der Universität ausgefüllt werden. An der Universität Konstanz ist Verena Ladegast aus dem International Office für die Auslandspraktika zuständig und unterschreibt dementsprechend das Bewerbungsformular. Das Einholen der Unterschriften braucht etwas Zeit. Einfacher zu bearbeiten sind die Versicherungserklärung und eventuell die Erklärung für Grünes Reisen. Da müssen die Praktikant:innen nämlich nur selbst unterschreiben. Die Praktikant:innen bekommen einen finanziellen Zuschuss, wenn sie sich für grünes Reisen entscheiden, also den Zug, das Fahrrad oder andere umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen. In der Erklärung unterschreiben sie, dass sie tatsächlich grün Reisen und zum Beispiel Flüge vermeiden.

Auch die Buchbranche feiert Weihnachten. Das Schaufenster eines Buchladens in Stockholm ist mit einem Weihnachtsbaum aus Büchern dekoriert.
Foto: Ina Klompmaker.

Alle Unterlagen müssen im Bewerbungsportal von KOOR einen Monat vor Praktikumsbeginn hochgeladen werden. Ich war etwas spät dran und habe buchstäblich in der letzten Minute die Formulare hochgeladen. Zukünftigen Praktikant:innen, die hoffentlich früher von der Möglichkeit des Erasmus-Praktikums erfahren als ich, rate ich, früh mit der Bewerbung anzufangen, um genug Zeit für das Bearbeiten der Unterlagen und das Einholen von Unterschriften zu haben. Wenn die Formulare erst mal hochgeladen sind, bleibt noch ein Monat Zeit, um auf das Grand Agreement, das ist der Stipendienvertrag, zu warten und es mit Unterschrift nach Karlsruhe zu schicken. Dann wird das Stipendium überwiesen. Die Förderhöhe für Schweden beträgt 600 Euro im Monat. Für die verschiedenen Länder gibt es unterschiedliche Förderbeträge, je nachdem, wie hoch die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Zielland sind. Der Betrag wird für den gesamten Praktikumszeitraum in zwei Portionen ausgezahlt. Die Förderung komme von der EU, erklärt Melanie Bien, genauer von der Europäischen Kommission. Innerhalb Deutschlands werde das Geld dann vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) verteilt. Hier gibt es alle wichtigen Informationen rund um das Erasmus-Praktikum, etwa über den Bewerbungsablauf, Förderkriterien und wichtige Fristen. Bei weiteren Fragen und persönlichen Anliegen gibt es eine Online-Sprechstunde mit einer der Mitarbeiterinnen in Karlsruhe.

Eine Förderung über Erasmus lohnt sich bei einem Auslandspraktikum in jedem Fall. Aber wo finden Interessierte eine passende Praktikumsstelle? Ich habe meinen Praktikumsplatz über meinpraktikum.de gefunden. Ich habe mich im Semester vor Praktikumsbeginn bei verschiedenen Verlagen beworben. Einer davon sitzt in Stockholm, dort habe ich eine Zusage bekommen. Neben meinpraktikum.de gibt es noch andere Stellenportale im Internet. Melanie Bien nennt als weitere Möglichkeiten ein Praktikum zu finden den Career Service der eigenen Hochschule, Kontakte im Fachbereich, ehemalige Praktikant:innen, Stellenportale von internationalen Unternehmen, die Deutsche Außenhandelskammer und das Portal IASTE für Mint-Fächer. Gerne könnten sich Interessierte auch an die Stelle in Karlsruhe wenden. Die Mitarbeiter:innen schauen dann nach, welche Unternehmen im Ausland schon mal Praktikant:innen von der Heimathochschule aufgenommen haben. Die Unternehmen können die Studierenden dann als Anhaltspunkte nehmen.

„Wir möchten die Erasmus-Praktikumsförderung weiter unter den Konstanzer Studierenden bekannt machen.“

Verena Ladegast

„Auf jeden Fall!“, antwortet auch Melanie Bien auf die Frage, ob das Erasmus-Praktikum noch bekannter werden sollte. Vor allem das über Erasmus geförderte Graduiertenpraktikum nach Studienabschluss sei vielen Studierenden noch nicht bekannt, erklärt sie. Seit 2022 seien außerdem geförderte Praktika außerhalb der EU möglich. Seit September 2021 sind schon über 1400 Praktikant:innen über die Stelle in Karlsruhe mit Erasmus-Stipendien gefördert worden. Während der Pandemie sei die Zahl der Praktikant:innen verständlicherweise eingebrochen, erzählt Melanie Bien, aber grundsätzlich ließen sich wachsende Zahlen bei den Geförderten beobachten.

Bei jedem Auslandsaufenthalt ist es wichtig, auch die Kultur des Landes kennenzulernen: Hier ein Runenstein aus der Ausstellung „Welt der Wikinger“ im Historiska Museet Stockholm.
Foto: Ina Klompmaker.

Die ersten Monate in Stockholm

Inzwischen sind die ersten beiden Monate meines Praktikumssemesters vorbei. Ich habe mich gut in Stockholm eingelebt und verstehe mich gut mit meinen Praktikumsbetreuer:innen. Die Aufgaben im Verlag sind vielfältig, ich darf ein Buchprojekt von Anfang an begleiten und arbeite bis zur Veröffentlichung daran mit. Neben der Schreibtischarbeit sind wir oft unterwegs und recherchieren vor Ort. Der Verlag ist auf Reiseliteratur spezialisiert. Deshalb führen wir oft Interviews mit Leuten aus der Tourismusbranche und besuchen Sehenswürdigkeiten, über die wir schreiben.

Bis jetzt kann ich sagen, dass sich mein Erasmus-Praktikum auf jeden Fall lohnt. Ich habe die Möglichkeit, mein Schwedisch zu verbessern. Durch die finanzielle Unterstützung von Erasmus kann ich die Kultur in Schweden kennenlernen, reisen und Sprachkurse machen. Da es mein Traum ist, später in der Verlagsbranche zu arbeiten und Buchprojekte zu verwirklichen, kann ich in meinem Praktikum im Verlag wertvolle berufliche Erfahrungen sammeln. „Auslandserfahrungen bringen eigentlich immer einen Mehrwert“, findet auch Melanie Bien, die selbst schon zwei Auslandspraktika und ein Auslandssemester gemacht hat. Und das in vielerlei Hinsicht. Eine neue Sprache könne gelernt werden, Erfahrungen in interkultureller Kommunikation könnten gesammelt werden, Soft Skills könnten ausgebaut werden und das Wissen aus dem Studium könne vertieft werden. Das selbständige Leben im Ausland verleihe zudem ein neues Selbstbewusstsein. Auch für den Lebenslauf seien Erfahrungen im Ausland wichtig. „Ein Auslandsaufenthalt während des Studiums ist daher aus meiner Sicht nur zu empfehlen“, schlussfolgert die Projektmitarbeiterin aus Karlsruhe. Als Tipp legt sie Studierenden ans Herz, sich früh um einen Praktikumsplatz zu kümmern. Mindestens ein halbes Jahr Vorlaufzeit sei sinnvoll. Da das Erasmus-Stipendium die Kosten des Auslandspraktikums meist nicht vollständig decke, sei es wichtig, sich auch noch um andere Fördermittel, wie etwa das Auslands-Bafög, zu bemühen, erläutert sie. In jedem Fall solle bei einem Auslandsaufenthalt Zeit bleiben, das Zielland auch privat zu erkunden, unabhängig davon, ob es sich um ein Auslandssemester oder ein Auslandspraktikum handele.

„Auslandserfahrungen bringen eigentlich immer einen Mehrwert, sei es nun der Erwerb von Sprachkenntnissen und Erfahrungen in interkultureller Kommunikation, Vertiefung der im Studium erworbenen Fähigkeiten oder der Ausbau der eigenen Soft Skills.“

Melanie Bien, Projektmitarbeiterin bei KOOR Erasmus Services BW in Karlsruhe

Den letzten Tipp nehme auch ich mir sehr zu Herzen, da das Kennenlernen der fremden Kultur für mich persönlich sehr wertvoll ist. Ich gehe so oft wie möglich in verschiedene Museen, erschließe mir Stück für Stück die verschiedenen Stadtviertel Stockholms und mache Tagesausflüge ins Umland. Ein paar Reisen habe ich auch geplant, um mir andere Teile des Landes anzusehen. Im März geht es nach Lappland und in die Region Dalarna. Vom Praktikum aus mache ich Recherchereisen nach Kopenhagen, Helsinki, Oslo und die schwedischen Regionen Halland und Skåne.

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