Wege in die Hochschulpolitik

Nicht selten wird der Eindruck erweckt, das Engagement an den Hochschulen nehme ab. Von einer „Krise des Engagements” ist sogar die Rede. Gerade in dieser Zeit stellt sich die wichtige Frage: Wie finden Menschen ihren Weg in die Hochschulpolitik? Wir haben mit drei Vertreter:innen gesprochen, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise den Weg zu ihr gefunden haben.

Für viele unauffällig, aber voller Fleiß und Leidenschaft engagieren sich viele Studierende in der Hochschulpolitik. Das Studierendenparlament (Stupa) tagt in langen Sitzungen, Anträge werden vor- und nachbereitet. Doch was motiviert Menschen, sich hier zu engagieren?

Aus der Fachschaft heraus

Carl Eggen ist bereits seit zehn Jahren an der Universität und schloss dort seinen Bachelor und Master in Mathematik erfolgreich ab. Zurzeit promoviert er. Sein Interesse an der Politik hat früh begonnen – schon während der Schulzeit. Sein erster Berührungspunkt zur Fachschaft Mathematik war auf der Ersti-Hütte . Ein halbes Jahr später fragt ihn der stellvertretende Fachschaftsfinanzer, der die Hütte mitleitete, ob er für den Fachbereichsrat kandidieren möchte. So wurde Carl dort Vertreter der Fachschaft und übte dieses Amt für drei Jahre aus. „Mit der Studierendenvertretung (StuVe) hatte ich damals aber noch nicht so viel zu tun”, sagt er, „das kam dann später, nach meinem Erasmus-Semester.”

Dieses hat Carl in Dublin verbracht. „Da war ich sehr fasziniert davon, was die Studierenden alles auf die Beine stellten”, schwärmt er, „das kannte ich so gar nicht aus Konstanz. Die waren wesentlich aktiver, bekamen mehr Aufmerksamkeit – das wurde auch mehr wertgeschätzt von den Leuten.”

Als Carl wieder in Konstanz war, bewarb er sich für den Wahlausschuss und wurde stellvertretender Wahlleiter. “Nach der Wahl ging es richtig los”, fügt er schmunzelnd hinzu, “ich hatte Blut geleckt und mich als stellvertretender Vorsitzender aufstellen lassen.” Ein Jahr lang lässt Carl sein Studium fast völlig ruhen, um sich auf die Arbeit im Vorstand zusammen mit Tanja Rebmann zu konzentrieren.

Dieses eine Jahr war die beste Zeit meines Studiums.“




Carl Eggen über seine Zeit im Vorstand der StuVe.

“Man kann etwas machen. Auf Studierende wird gehört”, fasst er dieses Jahr zusammen, “man muss viel investieren, mit den richtigen Leuten reden. Klar, das kostet Zeit.” Dennoch gab es für Carl viele Gründe, sich diese Zeit zu nehmen. “Was mich persönlich am meisten angetrieben hat, war, etwas für die Studierenden zu tun, vor allem für die Fachschaften”, sagt Carl.

Nach seiner Zeit im Vorstand engagierte sich er noch im Senat und saß in der letzten Legislaturperiode für die Walpartei (eine politische Hochschulgruppe) im Studierendenparlament. Seitdem hat er alle Ämter niedergelegt und konzentriert sich nun ganz auf seine Promotion.

Durch Freunde inspiriert

Nicht nur durch die Fachschaft gelingt der Weg in die Hochschulpolitik, wie das folgende Beispiel zeigt. Eine Freundin fragte vor zwei Semestern Nadja Günther, die Life Science studiert und gerade ihre Bachelorarbeit schreibt, ob sie in das Studierendenparlament möchte. “Da dachte ich mir: Das klingt doch eigentlich ganz cool”, erzählt sie. Das sei auch der Moment gewesen, in dem ihr Interesse an Politik geweckt wurde. “Die haben noch Leute für die Liste der Jusos [Hochschulgruppe der Jugendorganisation der SPD, Anm. d. Red.] gebraucht und dann hat man mich gefragt, ob ich da mit drauf will: Entweder aktiv oder weiter hinten drauf. Da dachte ich mir, dass es doch eigentlich schön wäre, wenn ich dann auch ins StuPa kommen würde.”

Carl Eggen und Nadja Günther in der Uni. Foto: Malin Jachnow.

Bereits vor ihrer Kandidatur engagierte sich Nadja in der Fachschaft. Auch hier war es eine Freundin, die Nadja angesprochen hat und überzeugen konnte. “Ich wusste anfangs gar nicht, was eine Fachschaft ist”, verrät sie, “Es gab ja auch das Corona-Semester. Die haben sich zwar online vorgestellt, aber so richtig los ging es dann erst wieder bei den Präsenzveranstaltungen.“

Nach ihrer ersten Legislaturperiode im Studierendenparlament, bei der sie auch stellvertretend ins Präsidium des Studierendenparlaments gewählt wurde, gefiel ihr das Amt so gut, dass sie sich für eine weitere Legislatur aufstellen ließ. “Vor allem das Organisieren und Leiten von Sitzungen finde ich cool”, berichtet sie.

Während ihr Zeit im Studierendenparlament habe sie die Debatte um das Campusfestival am meisten bewegt. “Am Anfang ging es darum, ob wir es finanziell fördern oder nicht”, erinnert sie sich, “das war irgendwann vom Tisch, weil wir das nicht mehr durften. Dann ging es darum, ob wir überhaupt mit den Veranstaltenden kooperieren – weil das Festival nicht mehr an der Uni war und groß geworden ist. Viele haben es auch nicht mehr als studentisch angesehen.”

Generell gefiel Nadja die Debattenkultur im Studierendenparlament. “Das hat sich oft wie richtige Politik angefühlt”, sagt sie.

Aus einer Partei

Ein dritter Weg, um in die Hochschulpolitik zu kommen, ist der aus der politischen Welt außerhalb der Universität. Jonas Erlinghagen, der im fünften Semester Rechtswissenschaften studiert, begann seine politische Karriere früh. “Ich glaube, das war vor fünf Jahren”, sagt er, “da kam die Zeit, in der man sich mehr für politische Themen interessiert hat. Da ging es dann in Richtung Fridays for Future, wo man dann hingegangen ist und gemerkt hat: ‚Ja, das ist etwas, bei dem ich mitreden möchte’”.

Jonas Erlinghagen in der Uni. Foto: Malin Jachnow.

Jonas fiel es zunächst schwer, sich für eine politische Partei zu entscheiden, ließ sich dann aber von seinen Wertvorstellungen leiten und trat in die FDP ein. “Da war ich am Anfang eher ruhig”, sagt er, “ich habe die eine oder andere Veranstaltung besucht, aber dann habe ich angefangen, mich in der Jugendorganisation, bei den Julis, zu engagieren.”

Diesen Weg beschreibt Jonas als eher untypisch, da es seiner Meinung nach eher unüblich sei, erst in die Mutterpartei und dann in die Jugendorganisation einzutreten. Dennoch war es für ihn der richtige Weg. “Es ist nicht so undankbar”, erzählt Jonas, “in der Jugendorganisation bekommt man relativ schnell ein Feedback, wenn man etwas gut gemacht hat. Das ist manchmal recht angenehm.”

Während seiner Schulzeit wurde Jonas Kreisvorsitzender bei den Julis in seiner Heimat, dem Schwarzwald-Baar-Kreis. So war sein erstes Semester vom Pendeln geprägt. In Konstanz besuchte er nur gelegentlich den Stammtisch der Jungen Liberalen. “Irgendwann ging es um die Frage: Wer hat Interesse, ins Studierendenparlament zu gehen? Da habe ich meine Chance gesehen, mich in Konstanz politisch zu engagieren.”

Seinen Posten als Kreisvorsitzender gab Jonas dann auf. Inzwischen ist er Teil des Landesvorstands der Jungen Liberalen.

Nachdem Jonas in seinem zweiten Semester ins Studierendenparlament kam, wurde er auch ins stellvertretende Präsidium gewählt. Noch in derselben Legislaturperiode kam seine Wahl zum Präsident. “Am Anfang habe ich mir das Präsidialamt allein nicht zugetraut”, sagt er, “aber es hat mir sehr geholfen, Erfahrung zu sammeln.”

Auch in der nächsten Legislatur ließ sich Jonas erneut fürs Studierendenparlament aufstellen und verlängerte seine Laufbahn als Präsident. “Ich war unzufrieden”, erwidert er auf die Frage, was ihn motiviert habe, “ich wollte vieles effizienter gestalten und habe gemerkt, was ich eigentlich für Möglichkeiten habe, dies umzusetzen.”

Fazit

Drei ganz unterschiedliche Biographien, die alle das Engagement in der Hochschulpolitik verbindet. Auf die Frage, was man tun sollte, wenn man sich engagieren möchte, empfiehlt Carl als erstes die Teilnahme an einer Ersti-Hütte. “Da fängt man mal an“, rät er, “und dann nimm alle Veranstaltungen mit, die deine Fachschaft dir bietet.” Nadja ergänzt, dass man sich auch per Mail an eine Hochschulgruppe wenden kann. “Häufig haben die auch Veranstaltungen aushängen”, sagt sie, “das ist praktisch, wenn man schon weiß, in welche Richtung man gehen will.”

“Die Engagierten kriegen wir immer“, stellt Jonas fest, „Man muss die kriegen, die gar nicht wissen, wie wichtig Engagement ist. Eigentlich müssten wir uns in den Biergarten stellen und sagen: Ohne uns würde es ihn gar nicht mehr geben.”

Dass die Aufgabe wichtig ist, scheint aber nicht der einzige Grund zu sein, der die drei motiviert. “Man lernt fantastische Leute kennen”, fügt Carl hinzu, “man erweitert seinen Horizont, lernt andere Situationen kennen. Man trifft auf andere Denkmuster. Mein Appell ist: Wer Lust hat, sich zu engagieren, soll es einfach ausprobieren. Es ist eine Bereicherung fürs Leben. Es gibt eine Portion Selbstvertrauen.”

Auch Nadja sieht in den Menschen eine wichtige Motivation. “Die Menschen sind der Hauptgrund, warum ich das so gerne mache”, sagt sie, “es sind sehr viele verschiedene Leute dabei. Man ist nicht so abgeschottet. Und man lernt auch viel, in meinem Fall: Sitzungen zu leiten. Das konnte ich vorher nicht, aber je mehr man es macht, desto besser klappt es.”

Die Erfahrung des Lernens hat auch Jonas gemacht. “Es macht Spaß, man lernt unglaublich viel“, bemerkt der werdende Jurist, „Ich lerne im Studierendenparlament mehr über meinen zukünftigen Job, als in den Vorlesungen.“

Nach unserem Gespräch gehen wir in verschiedene Richtungen. Es gibt so viele engagierte Menschen, die diese Universität am Laufen halten, die im Hintergrund arbeiten, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Ob die Universität Konstanz zu dem Ort werden kann, den Carl in Dublin gesehen hat? Letztlich braucht es mehr Menschen, wie Carl , Nadja und Jonas. Es braucht mehr Menschen, die etwas gestalten wollen. Die Wege, wie das gelingen mag, sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst.

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