Dank der digitalisierten Welt konnte die Campuls mit ihm sprechen und dabei zu Anfang direkt klären wie er selbst sein Künstlerdasein beschreibt. Denn er hat eine beachtliche Vita:
Filme, Musik, Literatur, Drehbücher und Ausstellungen mit Kunstwerken verschiedenster Medialitäten.
Während der Corona-Quarantäne enstand die Serie “Aus dem Tagebuch eines Zersplitterten”.
Intermediale Kunst
Wenn Jeremias Heppeler sich im Smalltalk-Kontext vorstellt, sagt er, er sei Künstler. Bei offiziellen Ansprachen nennt er sich „intermedialer Künstler“. Denn bei Ersterem findet meistens nur die Assoziation mit Malerei statt. „Intermedial arbeite ich aber eigentlich am Liebsten, vor allem im Performance-Kontext. Alles gleichzeitig und in den Zwischenräumen“, sagt er. Zuletzt hat er jedoch viel im Bereich Musik und Film gemacht, ohne diese Medien zwangsläufig zu vermischen.
„Ich könnte wahrscheinlich auch sagen, ich sei Autor oder Filmemacher, aber Musik, Film und das Schreiben sind so konkret. Kunst kann jedoch alles sein und dieses Alles fasziniert mich. Deshalb liegt im Zweifel die Antwort darin, zu sagen ich bin ‚bildender Künstler‘.“
Jeremias Heppeler
In unserer vielfältigen, breit aufgestellten Gesellschaft und Kultur, müsste man denken, es sei ratsam sich als Künstler:in nicht zu beschränken. Doch wie alles hat auch die grenzenlose Freiheit im Schaffen zwei Seiten. Als Jeremias sich vor fünf bis sechs Jahren parallel zu seinem Master-Studium als Künstler gefunden hat, hatte er das Gefühl, es sei eher problematisch sich nicht erklären zu können, besonders bei Absagen von Projektleitenden mit der Begründung „das ist zu unkonkret“. Mit der Zeit konnte er durch Auszeichnungen und eine Vielzahl an Projekten seine Herangehensweise jedoch legitimieren, sodass er sich kaum noch bewerben, geschweige denn beweisen muss.
Kunst hat viele Gesichter
Die letzten anderthalb Jahre haben gezeigt, dass seine vielfältige Arbeitsweise sich auszahlt. Neben seiner Anstellung als Kunstlehrer, hatte er als auch Künstler durch Corona keine finanziellen Probleme. Im Gegenteil: Jeremias ist in der Lage gewesen, schnell und gut mit verschiedenen Mitteln reagieren zu können. Anstatt zu performen, hat er einfach mehr geschrieben, denn das geht immer. Durch diese zeitgemäße Herangehensweise wird sein „Pool“ an möglichen Projekten durch seinen wachsenden Bekanntheitsgrad immer größer. Das findet er selbst jedoch bizarr, da sich an seiner Qualität nichts ändert.
„Es heißt doch oft: Wir suchen jemanden für dieses Praktikum, aber man braucht Berufserfahrung. Das gibt es in der Kunst definitiv auch.“
Jeremias Heppeler
Wenn man projektbezogen arbeiten möchte, wie es Jeremias tut, dann müsse man sich stark an Rückschläge gewöhnen. Das dies nicht einfach ist, hat er am eigenen Leib erfahren. Selbst wenn er ganze Konzepte entworfen hat, mitsamt Trailer und eigens komponierter Musik, um sich auf Projekte zu bewerben, wurde er immer wieder abgelehnt. Deshalb sind viele Künstler:innen auf den Markt fokussiert, aber er will sich nicht verkaufen:
In Galerien ist die einzige zweite Ebene Geld und das finde ich sehr langweilig.
Jeremias Heppeler
Sich nicht einzuschränken, aber trotzdem auf Ratschläge zu hören und ab und an klein beizugeben, ist besonders anfangs wichtig um Fuß zu fassen. Trotzdem hatte Jeremias viel Glück zu Anfang seiner Karriere, weshalb er sich auch nicht sicher ist, ob es „den einen Durchbruch“ gibt. Während er im Bachelor-Studium im Lokaljournalismus tätig war, gab es im Master-Studium diesen Moment in dem ihm das schreiben über andere Leute nicht mehr reichte. Dieser Frustrationsmoment führte dann zu seiner ersten Ausstellung, die durch Kontakte ermöglicht wurde und zu dem „Samsung Smarfilm Award“, den er gemeinsam mit Jörg Locher im Genre „Experimental“ erhielt.
Drei Jahre später…
…folgte die Auszeichnung mit dem Förderpreis der Stadt Konstanz für junge Kunst. „Ich habe davor schon ein, zwei Preise gewonnen, aber rückwirkend hat mir dieser wirklich vieles ermöglicht.“ Es ging in die Schweiz und in die chinesische Partnerstadt von Konstanz Suzhou, gleichzeitig hatte er viele Kooperationen mit dem Kulturamt Konstanz.
Diese schnellen, sich abwechselnden Kontraste und die Suche nach immer neuen Herausforderungen ziehen sich bis heute durch seine Werke:
Meistens gibt es noch keine Projektpartner:innen, keine Vorschläge oder Aufträge von außerhalb, bevor ich loslege. Ich finde nichts langweiliger, als etwas nochmal zu machen. Ich lese sogar ganz selten Texte zweimal, das ist zwar manchmal fast schon krankhaft, weil es ja ein ganz neues Publikum gibt. Aber ich will immer etwas Neues machen.“
Jeremias Heppeler
Mittlerweile kann er unabhängig arbeiten, ist selten auf das Bewerben auf Projekte angewiesen und kann jederzeit sein „Ding durchziehen“. Angekommen ist Jeremias trotzdem noch nicht.
Schneller, höher, weiter
„Je älter man wird, desto weniger spielt es eine Rolle eines Tages berühmt zu werden. Es geht zusehends vor allem ums machen“, sagt er und trotzdem ist er jemand der immer mehr will: Schneller, höher, weiter. Ein harter Kontrast zu dem Mann, der erzählt, dass es zwar nie sein Traum war Künstler zu sein und er in diese Welt eher hineingerutscht ist, der aber trotzdem hofft für große Institutionen arbeiten zu können und seine Liste mit Zielen abzuhaken, auf der die Veröffentlichung seines Romans oder eine eigene Modekollektion steht.
Seine neusten Projekte umfassen unter anderem Hörbücher und Songexperimente. Nicht nur die Lieder, auch das Hörbuch „Katzengold, 5 g/cm3“, dass er zusammen mit Barbara Marie Hofmann geschrieben und vertont hat, sowie „X32312 – Ein Mallorca Märchen“ klangen, um bei seiner eigenen Beschreibung zu bleiben „ziemlich trippy“. Ein Blick auf seine Website löst dasselbe Gefühl aus.
Das Aufbrechen von Idylle mit harten Kontrasten
Genau das ist der Reiz hinter seinen Werken und das Wesentliche, das sich durch alle Arbeiten zieht. Es geht ihm um das Aufbrechen von Idylle mit harten Kontrasten und das am liebsten in einem Tempo, das man als Außenstehender nur schwer begreifen kann.
Ein Beispiel dafür sind die Ausflüge seines Bandexperiments “die hunde” ins eigens festgelegte Genre „DARKSCHLAGER“, das als Gegenprojekt zu den gewöhnlichen Schlagerliedern dient. Als Jeremias damit jedoch Erfolg hatte, wollte er nicht bei dieser einen Musikrichtung bleiben. Er jagt die eigene und die Fremdprovokation in dem er immer auf den nächsten Zug aufspringt, der in die entgegengesetzte Richtung von dem vorherigen fährt.
„Meine Motivation dahinter verstehe ich selber gar nicht so richtig. Meine Musikerfreunde planen ihr Spotify, es geht darum eine Marke zu sein. Aber mein Spotify soll so sein, dass wenn jemand die hunde anklickt, er keinen Plan hat was als nächstes kommt – das kann alles sein. Nur meine Stimme ist dann das verbindende Element.“
Jeremias Heppeler
Bei der Malerei fühlt man sich sicher.
Bei der Frage, was er streichen würde, wenn er heute aus seiner künstlerischen Tätigkeit einen Teil von Literatur-Kunst-Medien ausradieren müsste, zögert er nicht lange. Sein Instagram Account zeigt meist seine Gemälde, trotzdem würde er der Malerei den Rücken kehren. Denn obwohl die Malerei ein entscheidender Einstieg in die Kunst für Jeremias war, fehlt ihm in diesem Medium die Spannung und die Unberechenbarkeit wie bei einer Performance. Beim Malen ist es schwer eine Fallhöhe zu generieren, bei der es die Möglichkeit des Scheiterns gibt. Die Bilder werden gerahmt, aufgehangen und im weißen Raum („white cube“) ausgestellt – das sieht meistens schön aus. Selbst bei der Ausstellung in Suzhou, als er die Bilder vor Ort unter Zeitdruck malte, fehlte ihm das Risiko, denn: „Bei Malerei fühlt man sich sicher, aber ich bin jetzt noch nicht an einem Punkt an dem ich mich sicher fühlen möchte.“
Die Schattenseiten
Diese Sucht nach dem Vabanquespiel hat jedoch auch Schattenseiten. Wenn man nicht aufpasst, leidet die Gesundheit. Jeremias musste selber erst austesten wie weit er gehen kann. Bei der Dokumentation „Die Stadt der vergessenen Kinder“ bei dem es um die Straßenkinder in der Mongolei geht, reizte er 2015 bereits emotional seine Grenzen aus. Während der Corona-Pandemie lernte er seine manchmal begrenzten Kapazitäten zu akzeptieren. Deshalb wird er zwangsläufig irgendwann sein Tempo ändern müssen und sich von dem Gedanken aus seinem Kurzfilm „Soi“, dass „die Idylle der gefährlichste Ort der Welt“ sei, verabschieden.
Es geht vor allem ums machen.
Doch zweifellos bleiben seine Arbeiten tiefgreifend wie es schon bei diesem Zitat der Fall war. Denn er denkt: „Es geht nicht mehr drum, dass du ein gewisser Techniker, der beste Maler bist oder diese Kunstausbildung hast. Davon bin ich fest überzeugt. Es geht vor allem ums machen. Du musst machen, egal was. Was dann passiert, das kommt von selber oder es kommt nicht. Was wichtig ist, vor allem in der bildenden Kunst, ist, dass du nicht nur eine Oberfläche zeichnest. Du brauchst eine zweite und dritte Ebene. Die kann für jeden anders aussehen, aber du musst diese Falltüren offen lassen. Wenn du das nicht machst, wird die Kunst immer nur Dekoration bleiben.“
„Overkill“-Manier
Stillstand gibt es für ihn nicht und trotzdem muss er während des Interviews inne halten und überlegen, als es um die wertvollste Kritik geht, die er je erhalten hat. Denn diese entspricht so gar nicht seiner „overkill“-Manier. An die Worte seines Projektpartners erinnert er sich: „Irgendwann kriegst du das Tempo nicht mehr hin. Also wenn du denkst du machst zu wenig, mach noch zweimal weniger. Das war ein besonderer Moment und auf das Projekt dahinter was bald erscheinen wird bin ich wirklich stolz.“
Angehenden Künstler:innen rät Jeremias dennoch alles zu machen, was sie wollen auch wenn es dafür nichts gibt. Wenn man alles gemacht hat: mehr machen, viel machen und weiter machen. Dabei findet man dann auch sein Alleinstellungsmerkmal:
„Ich arbeite seit jeher mit eher unprofessionellen Tools. Ganz lange habe ich mit Windows Movie Maker geschnitten. Dann hatte ich dieses Stipendium und da waren nur Vollprofis, so ein Haufen Ausnahmstalente. Und ich. Den Dozent habe ich dann gefragt, wieso ich überhaupt da bin und er hat mir erklärt, dass er genau das interessant fand, also wie ich mir diese weirden Tools zu eigen gemacht habe. Deine vermeintliche Schwäche kann auch zu deiner Stärke werden.“
Jeremias Heppeler
Zum Schluss warnt er vor der Angst sich zu positionieren. Denn heutzutage seien Künstler:innen nicht vom Ich ablösbar und deshalb sollten sie sich nicht frei machen von einer eigenen Position zu Politik und Kultur – selbst wenn sie die vermeintliche Idylle der Kunstwelt stören.