Landwirtin mit Erträgen

Wer den Kuhfladen ehrt…

Die große ökologische Wende ist meist Thema für Talkshows und abstrakte Debatten. Doch konkrete Projekte gibt es schon wenige Gehminuten von Konstanz entfernt.

Der Hahn ist misstrauisch. Laut gackernd macht er klar: hinter dem doppelten Elektrozaun beginnt sein Reich. Zumindest hier und für eine begrenzte Zeit hat er damit wohl auch recht. Denn die zehn Personen, gegen die er seine Position klar zu machen versucht, wollen sich den Hof ansehen, da dieser anders betrieben wird als viele andere. Thomas Schuhmacher, der gemeinsam mit seiner Frau den Hättelihof bewirtschaftet, betreibt an dieser Stelle Landwirtschaft seit dem Jahr 2000. Damals begann alles mit 4 Kühen. Dort, wo diese sich gerne aufhielten, entstand der Stall. „Wir haben nach den Kühen geschaut und gedacht, das kann so ein schlechter Platz nicht sein“.

Mittlerweile ist der Hof am Rand der Stadt Konstanz ein Vorzeigehof, die Qualität wird mit dem Demetersiegel bezeugt und ganz oben auf der Homepage steht der Reiter „Philosophie“.

Auch zu den Aktionen der „17 Ziele“ in Konstanz gehört eine Besichtigung des Hofes. Dabei wird aber gleich klar, dass Landwirtschaft doch gerade hier von den Gegebenheiten des Tages bestimmt wird. Der Stall ist nicht für die Gäste aufgeräumt, ein schöner Sommertag während der Heusaison kann nicht für einige Besucher:innen geopfert werden. Die Rinder lassen sich davon sowieso nicht stören.

70 Rinder leben von den 60 Hektar

Das Heu in den ordentlichen Ballen, deren Schatten die Abendsonne nun auf die Stoppeln wirft, ernährt die Kühe ein ganzes Jahr lang. Futter wird nur im absoluten Notfall zugekauft. Das ist das zentrale Element des Hofkonzeptes. Verfüttert wird nur, was selbst hergestellt werden kann und nur Futter, das nicht für den Mensch gedacht ist. Darum besteht die Ernährung der Kühe vollständig aus Grasprodukten.

Rainer Grimminger, der für die Biomusterregion Bodensee als Regionalmanager tätig ist, zitiert empört die Statistiken darüber, was andernorts falsch läuft: „70 Prozent des Eiweißfuttermittels wird importiert“. Wenn dieses Missverhältnis erst einmal mehr Menschen bewusst würde, wären viele für Veränderungen bereit, ist er überzeugt.

Die Nutzung von Zweinutzungshühnern

Einzige Ausnahme auf dem Hof sind die Hühner. Mehr als die fuchsbedingt nicht mehr ganz zweihundert, die aktuell hier leben, will Schuhmacher nicht anschaffen. Denn Hühnerfutter sei nun aus der Sicht der Anbauflächen im Wesentlichen identisch mit der Nahrung für Menschen. Außerdem schlage sein Herz für Wiederkäuer: „Ich bin ein Rindermensch. An Kühen habe ich Freude“. Nur gebe es eben auch eine sehr hohe Nachfrage nach ökologischen Eiern. Gerade bei den sogenannten Zweitnutzungshühnern.

Diese werden nicht nur zur Produktion von Eiern eingesetzt, sondern auch zur Fleischproduktion. Dadurch wird der Verzicht auf das Schreddern der männlichen Küken wirtschaftlich gemacht. Bis zu 14 Monate dürfen die Hühner hier in dem mobilen Stall leben. In diesem werden sie regelmäßig an einen anderen Standort versetzt. Der große, mit einem Elektrozaun abgesperrte Bereich darum herum, erinnert an einen großen Garten.

Bild: Steffen Mierisch

Dann führt allerdings auch für sie der Weg in den Kochtopf. Damit umzugehen ist für die Gruppe der ökologisch bewussten Konsument:innen nicht leicht. Hier entzweit sich die sowieso schon kleine Gemeinde, sehr zum Leidwesen von Rainer Grimminger.

„Die Debatte wird oft sehr emotional geführt. Dabei sollte die erste Überlegung sein, was für eine Art von Landwirtschaft wir grundsätzlich wollen.“

Dass dann unterschiedliche Lösungen entstehen können, ist für ihn ganz selbstverständlich:

„Da wünsche ich mir einfach mehr Toleranz untereinander. Diese Entscheidungen sollte man akzeptieren“, findet er.

So werden auf dem Hättelihof auch junge Bullen für etwa 30 Monate aufgezogen. Normalerweise haben diese ähnlich wie männliche Küken keinen Wert.

Ob das dann fair sein kann – an dieser Stelle zögert auch er. Aber es ist der Ansatz, mit dem er glaubt, die Landwirtschaft wirklich verändern zu können.

Allein den Verzicht auf tierische Produkte als Lösung anzuerkennen, geht für ihn an der Realität vorbei: „Damit kriegen wir viele Menschen nicht“. Gerade ein massentaugliches Konzept sei aber das, was ein großes Umdenken anstoßen könne. Für ihn selbst gehören Tiere zu einem landwirtschaftlichen Kreislauf dazu, wenn auch Fleisch in diesem Modell nur noch sehr selten auf den Tisch kommt, wie er beteuert.

Bild: Steffen Mierisch

Rainer Grimminger überblickt die Aufzucht seiner Hühner.

Wenige Gehminuten von den Kühen und Hühnern entfernt treffen wir auf weniger umstrittene Nahrungslieferanten. Reihe um Reihe stehen Zucchini, Salat und Rhabarber auf den Beeten von Christoph. Hier wächst verschiedenes Gemüse, das für neun Monate des Jahres einen Ertrag abwirft. Seinen Namen möchte er nicht im Internet veröffentlicht haben, ein Foto ebenfalls nicht, er hat auch selbst keine elektronischen Geräte. Sein Leben will er genauso auf dem direkten Weg organisieren wie den Verkauf seiner Erträge. Nur an einem kleinen Stand in Sichtweite des Feldes gibt es sein Gemüse zu kaufen.

Jeden Morgen erntet Christoph einige Dinge, legt sie frisch geschnitten aus und geht für einen halben Tag diversen anderen Tätigkeiten nach. Dann ist er Hausmeister und Mann für alle technischen Geräte, im Vertrauen in seine Kund:innen. Diese würden das Geld fast immer in die Kasse daneben werfen, „und wenn doch mal jemand so großen Hunger hat, dann soll er oder sie sich eben etwas nehmen“, sagt er.

Bild: Steffen Mierisch

Gedüngt wird mit dem Mist von Schuhmachers Kühen. Aber anders als auf den meisten Äckern.

„Ich dünge nicht die Pflanzen, ich dünge den Boden. Das Ziel ist ein gesunder Humus“ erklärt er.

Erst im dritten Jahr warf das kleine Gelände endlich wenigstens einen geringen Ertrag ab. „Karotten zum Beispiel wachsen in diesem schweren Boden nicht“, erzählt er. Erfahrungswerte, die mittlerweile einen gezielten Anbau der richtigen Sorten möglich machen. Dazu kommen die Präferenzen der Kund:innen. Viele seien in einem höheren Alter, hätten den Mangel der Nachkriegszeit erlebt und wollten deshalb bestimmte Gemüsesorten auf keinen Fall mehr zubereiten.

Große Erträge sind auch in Zukunft nicht zu erwarten, eine Umstrukturierung auf mehr Fläche und Aufwand will Christoph auf keinen Fall. Unter keinen Umständen soll der kleine Betrieb in Zwänge geraten, die seine Handlungsfreiheit als Landwirt in Frage stellen. Für ihn ist es ein Halbtagsberuf, aber augenscheinlich eine ganze Leidenschaft.

Wenige Schritte und einige Straßenkreuzungen von der Idylle entfernt, laufen währenddessen weiterhin die abgepackten Steaks zu Billigpreisen über die Bänder. Wenn auch die ersten Supermarktketten beginnen, ein Öko-Image aufzubauen, bis zu Grimmingers Ziel eines großen Umdenkens in der breiten Bevölkerung ist es noch ein weiter Weg.

Aber vielleicht beginnt er auch irgendwo zwischen diesen Heuballen, Kuhstall und Zucchini-Beeten.

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