„Bester Kuchen“ – Backen gegen Altersarmut

Das Start-up „Bester Kuchen“ aus Gottmadingen hilft von Altersarmut Betroffenen, sich durch den Verkauf selbst gebackener Kuchen finanziell die Rente aufzubessern. Wer und was hinter der Gründung dieses besonderen Unternehmens steckt, berichtet Serafina Strömsdörfer.

„Wir backen gegen Altersarmut“ steht auf einem handgeschriebenen Schild rechts vom Stand auf dem Wochenmarkt in Konstanz. Der Stand selbst ist ein weißes Zelt, unter dem eine gut bestückte Kuchentheke und ein pinkfarbenes Banner, das die Worte „Bester Kuchen“ trägt, zum Vorschein kommen. 

Vor etwa einem Jahr hat Angelika Eger das Start-up „Bester Kuchen“ in der Absicht gegründet, Rentner:innen, die von Altersarmut betroffen sind, eine helfende Hand zu reichen — das Zauberwort heißt hier „Handwerk“. Die 55 – 78 Jahre alten Senior:innen, die in einer Backstube in Gottmadingen die in der Theke sichtbaren Kuchen kreieren, können sich durch die generierten Einnahmen finanziell ihre Rente aufbessern und zudem soziale Kontakte knüpfen und pflegen. 

„In unserer Gesellschaft ist mächtig etwas schiefgelaufen“, benennt Angelika in Bezug auf das Thema der Altersarmut, den Elefanten im Raum. Als erfolgreiche aber zunehmend unglückliche Graphikdesignerin lebte Angelika in einer Scheinwelt, wie sie das Marketing-Business nennt, in dem sie lange tätig war, und entschloss sich irgendwann, etwas zu tun, dass Menschen unterstützt und nicht die Verkaufszahlen großer Unternehmen. 

Bei „Bester Kuchen“ werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Rentner:innen können sich Geld zu ihrer Rente hinzuverdienen und gleichzeitig entstehen ausgezeichnete, unheimlich leckere Kuchen — denn wer backt besser und ursprünglicher als Opa oder Oma? Die Senior:innen dürfen sich monatlich 450 Euro zu ihrer Rente dazuverdienen und das geht in der Backstube, die Angelika liebevoll und dennoch mit einer deutlichen Nuance Stolz in der Stimme als chaotisch und bunt beschreibt. Nicht nur harte Fakten („450 Euro haben oder nicht haben“) zählen, sondern auch die Komponente des sozialen Austauschs.

Angelika Eger (r.) hat das Start-Up „Bester Kuchen“ ins Leben gerufen. Foto: Lea Bering

„Mein Wunsch ist es, die verschiedenen Generationen wieder zusammenzubringen“ sinniert Angelika. „Zum einen hält es die Alten jung, wenn sie sich mit jungen Menschen umgeben, zum anderen können die Jungen so viel von den Alten lernen – nicht nur, wie man guten Kuchen backt.“

Diese originelle Idee ist nicht neu, aber wertvoll. In München hat Angelika sich von „Kuchentratsch“, einem ähnlich strukturierten Unternehmen, viel zeigen und beibringen lassen und auch das Wiener Pendant „Vollpension“ hat sie darin bestärkt, ihre Vision anzugehen und diese Schritt für Schritt Form annehmen zu lassen. 

„Mein Wunsch ist es, die verschiedenen Generationen wieder zusammenzubringen.“

Angelika Eger

Ursprünglich war die Idee, Cafés und Hotels mit den vom ehemaligen Konditormeister Opa Karl-Heinz und anderen Senior:innen gebackenen Kuchen und Torten zu beliefern, doch durch pandemiebedingte Schließungen oder eingeschränkten Betrieb in Gastronomie und Hotellerie gestaltete sich die Umsetzung dieser Intention als nicht möglich. Deshalb war „Bester Kuchen“ noch bis vor kurzem auf diversen regionalen Wochenmärkten mit Kuchen bestückten Ständen vertreten. Aufgrund von Personalmangel mussten die Stände auf den Wochenmärkten in Konstanz und Radolfzell jedoch leider aufgegeben werden. Samstags von 07.00-12.30 Uhr ist „Bester Kuchen“ dennoch auf dem Singener Wochenmarkt anzutreffen — ein Besuch (und ein Stückchen Kuchen) lohnen sich! 

Das aktuell laufende Projekt Angelikas ist die Eröffnung eines Bio-Cafés in Gottmadingen. Mit dem Namen „Das Wohnzimmer“ soll dieses ein Ort des Austauschs und der gemeinsamen Zeit werden. Café und Backstube sollen nur durch eine Glasscheibe getrennt nebeneinander liegen, sodass die Genießer:innen den fleißig backenden Senior:innen ein wenig über die Schulter schauen und Transparenz bezüglich der verwendeten Zutaten und Inhaltsstoffe gewährleistet werden können.

In der Kuchentheke können nicht nur Kuchen mit Namen wie „Schoko Chanel“, „Lemon Love“ und Käsekuchen in verschiedensten Variationen, bestaunt und auch probiert werden. Auch Dauergebäck wie feine Macarons, Florentiner und ein Gebäck namens „Bobbes“, lächelt die Passant:innen fast schon schelmisch an und hält auch, was es mit seinem einladenden Äußeren verspricht. Die gebackenen Meisterwerke schmecken nämlich nicht nur fantastisch, sondern bestehen auch noch aus Zutaten in Bio-Qualität, welche regional bezogen werden. Die Kuchen kommen darüber hinaus ohne Konservierungsstoffe aus. Angelika empfiehlt daher, das Gebäck zügig aufzuessen oder es einzufrieren.

„Unsere Eier bekommen wir vom Johanni-Hof aus Gailingen“, erklärt sie. „Das Bio-Mehl beziehen wir von der Steigmühle aus Engen, Obst für unsere Kuchen kommt vom Magdalenenhof aus Hilzingen— Unsere Kuchen sind somit tatsächlich ein Luxusprodukt“. Ein Luxus, der sich lohnt, denn alle Kreationen, die bei „Bester Kuchen“ erworben werden können, sind ein wahrer Genuss. Die Kuchen und Teilchen schmecken intensiv und nach dem, was drin ist: Mehl (manchmal auch glutenfreies Reismehl), Butter, Zucker, ganz viel Liebe und die Absicht, etwas besser zu machen und zu verändern. „Wenn ich schon nicht die Welt retten kann, so kann ich zumindest meine Welt retten“, sagt Angelika dazu. 

Die Auszeichnung mit dem Preis „Persönlichkeit im Handwerk“ durch die Handelskammer und das Steinbeis-Institut ist eine Errungenschaft des jungen Unternehmens, auf das die Gründerin Angelika stolz ist. Aber trotz dessen steckt „Bester Kuchen“ noch immer in den Kinderschuhen. Angestrebt ist in Zukunft daher auch der überregionale Versand von Torten und Kuchen. Individuelle Kuchenbestellungen für Anlässe wie Geburtstags- oder Hochzeitsfeiern, Taufen oder Ähnliches, werden aktuell bereits rege entgegengenommen und mit Hingabe an Detail und Qualität umgesetzt. Eine Kooperation mit der „BVE Singen“, der „Berufsvorbereitenden Einrichtung für Berufsschüler:innen mit förderpädagogischem Hintergrund“, weist ebenfalls auf die umfassendere Vision Angelikas hin, die nicht nur das Backen gegen Altersarmut und Einsamkeit einschließt, sondern auch Menschen mit jedweden Einschränkungen die Chance auf eine Ausbildung und den Einstig ins Berufsleben geben soll.

Altersarmut ist, so unschön dieses Wort klingen mag, real. Bei „Bester Kuchen“ erhalten Menschen, die Altersarmut gegenüberstehen oder akut davon bedroht sind, die Chance, diesem etwas entgegenzusetzen, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten, und mit ihren Händen etwas zu erschaffen, dass andere fröhlich macht und sie dazu einlädt, innezuhalten und zu genießen.

Besuche „Bester Kuchen“ auf dem Wochenmarkt in Singen: Samstags, Herz-Jesu-Platz, 07.00-12.30 Uhr

Folge „Bester Kuchen“ auf Instagram: @besterkuchen

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