Meine drei Lieblingsfakten aus dem Film Das Geheime Leben der Bäume:
- Der älteste Baum der Welt ist 9550 Jahre (!) alt und steht klein und allein in der Natur Schwedens.
- In einer Handvoll Walderde stecken mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt.
Peter Wohllebens Lieblingsbäume sind unsere heimischen Buchen.
Vor der eigenen Haustüre kehren
Der auf einem Sachbuch basierende Film wird eingeleitet mit den Worten: „Es hat alles begonnen mit einem Buch, das genauso spannend klingt, wie eine Abhandlung über saure Milch.“ Und unter uns gesagt – Die Arbeit der Milchsäurebakterien erschien mir zu diesem Zeitpunkt noch eindeutig spannender als das Blätterdach des Nachbarwaldes. Wieso ich mich dennoch für diesen Film entschieden habe? Auf Empfehlung meines Vaters, der, als passionierter Landschaftsgärtner, die Wahrheit des deutschen Waldes als „Augen öffnend“ beschreibt. Zwar war ich dennoch sehr verlockt, über große Filme wie Kip Andersens Cowspiracy oder Werner Bootes Plastic Planet zu schreiben. Doch inzwischen kann ich meinem Vater zustimmen und besten Gewissens versichern: Für die Wertschätzung unserer Natur ist es nicht notwendig, auf die Abholzung des Urwaldes oder die plastikdurchzogenen Ozeane zu blicken. Genau genommen reicht es schon aus, einen Blick durch das Fenster zu werfen, oder wie meine Mutter es nennen würde: „Erstmal vor der eigenen Haustüre kehren.“
Ehrfurcht
Hätte ich anstatt einiger nur ein Wort für diese Rezension, so wäre es Ehrfurcht. Es beschreibt das Gefühl, welches ich angesichts des neugewonnenen Wissens empfinde. Das Wissen, dass die Natur so viel größer und mächtiger ist, als wir Menschen es uns vorstellen können. Die Übermacht, die ein jede*r empfindet bei Aufnahmen von Canyons und abyssischen Tiefseerinnen, steckt auch in der vergleichsweisen Kleinheit einer Fichte oder der Einheit eines Bodengeflechts. Der Film zeigt nicht auf, was wir alles falsch machen und wie wir unseren Planeten zu Grunde richten, wie so viele andere Dokumentarfilme es tun. Vielmehr schafft er ein Bewusstsein für die Schönheit und Komplexität der Welt, durch die wir spazieren und das Wunder der Kommunikation zwischen den einzelnen Organismen, die uns verborgen bleibt.
Familiärer Sozialstaat
Was nach der Filmlektüre allerdings kein Wunder mehr ist: Warum Peter Wohlleben Buchen als seine Lieblinge auserkoren hat. Er schätzt sie aufgrund ihrer familiären Art, sich um ihren Nachwuchs und schwächere Organismen zu kümmern. Klingt absurd. Und doch ist es eine Tatsache, dass Bäume durch ihre Wurzeln ein Netzwerk bilden, über welches sie beispielsweise Nahrung in Form von Zucker austauschen. Ältere, schwächere Bäume können so extern versorgt werden, denn: Wälder sind Superorganismen und gleichen in ihrer Vernetzung dem, was wir als Sozialstaat verstehen. So ist beispielsweise auch gegenseitige Rücksichtnahme bei austreibenden Ästen zu erkennen, damit auch ja keinem nebenstehenden Baum zu viel Licht genommen wird. Insofern dieser Nachbar jedenfalls ein befreundeter Baum derselben Gruppe ist. Absurd, ich weiß.
Der Förster
Sein Vergleich, der Beruf eines Försters sei in etwa wie der eines Metzgers, hinkt schon nach dem ersten Mal – übel nehmen kann man es ihm jedoch nicht. Denn bei Wohlleben selbst ist der Nachname Programm. Dass der Mann seine Buchen und Wälder liebt, wird schon nach wenigen Minuten deutlich. Für ihn ist der Wald ein lebender Organismus, der ebenso fühlt wie Tiere oder Menschen. Stolz führt er einzelne Gruppen von Kindern und anderen Interessierten durch das grüne Blätterdach und berichtet über die Wunder des Waldes. Auch die Machart des Films wirkt im Zusammenhang mit der herzlichen Art des Försters Wohlleben ein wenig so, wie ein Vater, der ein neues Technikgadget zu Weihnachten bekommt und dieses spielerisch entdeckt. So wird er an einigen Stellen gefilmt, wie er wiederum ein Selfie-Video aufnimmt und an anderen Stellen erscheinen eingeblendete Fotos von Gruppenführungen und Forstarbeiten. Es ist wohl der Versuch, das allseits Bekannte etwas ‚peppiger‘ (auch hier erscheint mir die Bezeichnung meiner Mutter als sehr treffend) zu gestalten. Dabei ist das gar nicht notwendig. Viele kleine Zeitraffer lassen die Stille des alltäglichen Anblicks und das Wunder eines heranwachsenden Anblicks intensiv wirken – als hätte man das Laub, das Moos oder die Rinde eines Baumes noch nie zuvor wirklich betrachtet.
Welche Erkenntnisse mir Peter Wohlleben zusätzlich zu meinen drei Lieblingsfakten schenkt:
- Wir müssen uns der Natur gegenüber nicht ständig schuldig fühlen. Sie wird immer wieder kommen – nur wenn wir nicht aufpassen, werden wir das nicht mehr miterleben.
- Der Wald und die Bäume vor meinem Fenster stecken voller Leben, weshalb ich ihnen ab jetzt mehr Aufmerksamkeit und Respekt entgegenbringen möchte.
- Ein ungünstig gewählter Filmtitel sagt nichts über die Qualität des Filmes aus.