Exzellenzuniversität: Ein Resümee für Erstis und alle, die noch ein paar Semester studieren

Am Ende ihres Studiums angelangt, enthüllt unsere Redakteurin Jamie-Lee Merkert ihre Überlebensstrategien an unserer Exzellenzuniversität. Was Exzellenz wirklich bedeutet, bleibt ein unlösbares Rätsel – so komplex, dass die Erklärung nur von jenen verstanden wird, die bereits die Abschlusshürden gemeistert haben. Begleitet sie auf einer humorvollen Reise durch den Uni-Dschungel, einer Institution so exzellent, dass ihr wahres Geheimnis wohl für immer ungelüftet bleibt.

„Das Studium wird die beste Zeit deines Lebens“, diesen Satz hört man vorzugsweise von entfernten Tanten und Onkeln genauso oft wie „Du wirst die Schule mal vermissen, das waren noch Zeiten!“ Wie es eben so ist mit Bauernschläue haben die Menschen, die diese Zeiten noch ohne Taschenrechner in der Steinzeit verbracht haben, damit recht. Aus der Regelstudienzeit werden die besten fünf Jahre eures Lebens. Denn jede:r Absolvent:in weiß, dass die Regelstudienzeit ähnlich wie die Fahrpläne der Deutschen Bahn eine unverbindliche Empfehlung mit Themenvorschlag ist.

Da Flexibilität an der Uni Konstanz genauso groß geschrieben wird das Wort Exzellenzuni auf jedem Flyer in der Mensa bekommt man im Laufe seines Studiums eine personalisierte Überraschungstüte. Diese wird wahlweise gefüllt mit lästigen BAföG-Briefen von Mitarbeitenden, die mal wieder eure Unterlagen verloren haben, Burnout samt einem Alkoholproblem (wofür glaubt ihr haben wir die psychologische Beratungsstelle?), chronischer Pleite oder kurz gefasst: Herzlich willkommen an der Exzellenzuni Konstanz, dem Ort, an dem Träume sterben, aber Kaffeeautomaten als konstante Anlaufstelle verzweifelter Prüflinge überleben. Wofür genau Exzellenz steht, weiß eigentlich niemand so wirklich und die Erklärung ist so kompliziert, dass man studiert haben muss, um sie zu verstehen.

Die Uni Konstanz wie wir sie kennen und lieben.
Foto: Malin Jachnow.

Die Uni: Café und Fitnessstudio in einem

Selbst die Studierenden, die glauben Kaffee, sei mit Wasser versetzte Blumenerde, müssen früher oder später zugeben, dass das nackte Überleben von den Kaffeepausen abhängig ist. Diese sind somit die Raucherpausen der Studierenden. Dennoch sollte man mit dieser Einstiegsdroge vorsichtig sein. Wie alle Drogendealer ist auch die Uni mit einer bunten Palette an Angeboten sowie Standorten der Kaffeeausgabe versehen. Ob bei hell gleißendem Leuchtstoffröhrenlicht oder bei den in den dunkelsten Ecken stehenden Automaten werden Studierende noch ihres letzten Cents beraubt.

Die Uni Konstanz könnte im Herbst inmitten toter Blätter und Baustellengerüsten nicht schöner sein.
Foto: Malin Jachnow.

Da man sich ohne Geld das Fitnessstudio sowieso nicht leisten kann, könnt ihr dieses direkt aus euren Plänen streichen. Neben den vielen Sportkursangeboten sind die Wege innerhalb der Uni schließlich genug Cardio. Das war schon vor der Baustelle der Fall, seit den Baumaßnahmen darf man davon ausgehen, dass Studierende mit einem Unterkörper wie dem von Hulk das Studium abschließen werden. Unsere Uni ist derzeit wie ein lebendiges Legoset von Hogwarts – immer im Umbau. Bauprojekte gehören zum Studium wie Prüfungen. Wer den Bauzaun als Teil des Campuslebens akzeptiert, hat die erste Hürde genommen. Sportstudierende sollten jedoch beachten, dass die Nutzung des Bauzauns als Klettergerüst oder zum Hürdenspringen nicht zum Hochschulsportprogramms zählt – es sei denn, es steht ausdrücklich auf dem Stundenplan. Mit Standort Unisportgelände. Es lobe sich die Campus-Uni, bei der nicht nur der Sportunterricht, sondern auch schon der Weg dorthin einem Marathon gleicht. Damit alle Studierenden ausreichend Bewegung bekommen und nicht nur diejenigen, die sich körperliche Ertüchtigung freiwillig antun, gibt es auch noch die Vorlesungen außerhalb des Campus. Von wegen Campus-Uni. Egal ob Konzil oder Bischofsvilla – für die Leitung der Uni scheint die ganze Stadt der Campus zu sein.

Verirren im Vorlesungsverzeichnis und in fremden Betten: Ein Feature, kein Bug

Wenn man sich nicht in den endlosen Gängen der Uni verläuft, dann garantiert im Vorlesungsverzeichnis. Bis man das völlig ausgeklappt hat, hat man nicht nur promoviert, man hat auch verstanden, warum die Website heißt, wie ein nicht gerade unschuldiger Göttervater, der genauso wechselhaft ist wie unser Vorlesungsverzeichnis. Denn die Uni ist neben unüberwindbarer Hürden, wie der Anmeldezeiträume, die den Hürden für Helden in der griechischen Mythologie nicht unähnlich sind, auch eine ideale Datingplattform. Zumindest für jene, die sich nach beziehungsunfähigen und illiquiden Partner:innen und einer Perspektive ohne Zukunft sehnen.

Wer sich vorstellt, trotz der Inflation später seinen Nachkommen von der ‚besten Zeit‘ seines Lebens zu erzählen oder ein eigenes Haus zu bauen, sollte vielleicht eher in Ausbildungsberufe investieren. Dort fließt möglicherweise mehr Geld als bei jemandem, der mit 34 Jahren nur sein Abitur als höchsten Abschluss vorweisen kann und immer noch nicht seinen Bachelor geschafft hat. Im besten Fall ist die Bindungsangst weniger spürbar als bei dem Soziologen-Justus, der zwar zum dritten Mal seinen Studiengang gewechselt hat, jedoch seit drei Jahren dieselbe Bettwäsche verwendet. Wer meint, sich als studierende Person über Azubis zu stellen, liegt also genauso falsch wie jemand, der meint, dass LKM aus Lachen, Klatschen und Malen besteht.

Solche Warnschilder sollte es auch in der universitären Datingszene geben.
Foto: Malin Jachnow.

Solche exemplarischen Selbstüberschätzer der männlichen Spezies sind oft auf Erstsemesterparties anzutreffen. Anzutreffen sind dort neben der übermotivierten Erstis die unvermeidlichen Fachschaftsmitglieder, sowie gezwungenermaßen deren Freunde. Warnsignale sollten aufleuchten sobald die Tutoren auftauchen, die immer noch verzweifelt auf Partnersuche sind. Zwar mögen im Studium ältere Männer und jüngere Frauen gesetzlich akzeptiert sein, jedoch bleibt fraglich, ob ein Altersunterschied von einunddreißig zu achtzehn Jahren in einem Lehrkontext das richtige Machtgefüge darstellt.

Doch keine Sorge, auch für Männer ist der universitäre Datingdschungel nicht einfach: Abgesehen vom Balanceakt, toxische Männlichkeit abzulegen und ein klares „Nein“ zu akzeptieren, stehen auch sie vor der Herausforderung, den Eltern zu erklären, dass die neue Mitbewohnerin nicht als passende Begleitung für die Hochzeit der Cousine infrage kommt.

Wer lernen will, muss Geld verdienen

Die Bibliothek ist kein Ort des Lernens – sie ist ein Schlachtfeld. Besonders in der Prüfungszeit. Die beliebten Plätze sind über sechs Stockwerke rar gesät: An einigen Orten ist es im Sommer zu heiß, bei anderen tropft einem das Regenwasser durch das undichte Dach auf den Kopf. Anstatt Schwerter und Revolver wird hier mit weitaus perfideren Mitteln getrickst, um unliebsame Gäste von Gruppentischen zu verjagen. Immer lauter werdendes Getuschel gehört ebenso dazu wie das gezielte Platzieren von Büchern, die man nicht benötigt, aber abschreckend wirken sollen (Ted Bundy oder Jack the Ripper sind auf Regal BG3a zu finden; Jeffrey Dahmer hat es bisher leider nur in den Online-Bestand geschafft). Diese Taktiken zur psychologischen Kriegsführung werden nicht nur von Psychologiestudierenden beherrscht. Auch wenn es verlockend klingt, den mörderisch-schönen Beschreibungen der gefährlichsten Verbrecher nachzukommen: Eure Kommilitonen in der Bib zu erschlagen, wirft euch in eurem Lernplan noch weiter zurück als die fünf Netflixpausen am Tag.
Solltet ihr wider Erwarten einen der begehrten Gruppentische ergattern und dort auch tatsächlich an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, gelten dieselben Regeln wie zu Schulzeiten: Gruppenarbeiten sind wie ein Ausflug in den Dschungel. Es gibt immer eine Person, die sich (ver)irrt und eine Person, die genau weiß wo es lang geht. Tipp: In den wenigsten Fällen seid ihr diese Person. Lasst deshalb die anderen die Karte lesen – Verantwortung müsst ihr später im Berufsleben noch oft genug übernehmen.

Während des Studiums sind daher Jobs ohne Denken oder größere Verfügungsgewalt zu empfehlen. Denn Exzellenz in unserem Titel hat ihren Preis. Und damit meine ich nicht das Geld, das Studierende sich auf die ein oder andere schäbige Weise verdienen, sondern die Geschichten, die man währenddessen sammelt. Vom Tellerwäscher, der nie Millionär wird, über die Bücherwürmer, die als verlängerte Arme und Kaffeeautomaten für Dozierende arbeiten bis hin zum Verkauf von Fußfotos auf einschlägigen Websites steht Studierenden die Berufswelt offen.

Vom zuerst harmlos klingenden HiWi-Jobs solltet ihr jedoch großen Abstand nehmen. Sie sehen fantastisch im Lebenslauf aus – aber die Bezahlung beschert eurer Kaffeesucht bald einen kalten Entzug. Im Landesvergleich zeigt sich laut der TVStud-Initiative, dass die Unikonstanz die niedrigsten Löhne an ihre studentischen Hilfskräfte zahlt. Da ist BAföG dagegen ein echter Segen – und das, obwohl dies nicht wie von der Regierung angegeben für ‚Bundesausbildungsfinanzierungsgesetz‘ steht. In Wahrheit bedeutet BAföG „Bürokratisches Abenteuer für öffentliche Geldnot“. Das BAföG-Büro ist der Ort, an dem Träume sterben, beginnend mit einer Expedition durch endlose Formulare und mysteriöse Unterlagen. BAföG-Briefe sind wie kryptische Botschaften aus einer anderen Dimension. Wenn ihr den Code knackt, bekommt ihr Geld – oder zumindest die Hoffnung darauf. Einfach auf gut Glück unterschreiben und hoffen, dass es nicht euer Seelenverkauf ist. Dasselbe gilt übrigens auch für jegliche Form von Arbeitsvertrag.

Abbildung eines möglichen Karrierewegs an der Uni Konstanz.
Foto: Malin Jachnow.

Solltet ihr entgegen diesem gut gemeinten Rat den Karriereweg an der Uni wählen, könnt ihr von der Reinigungsfachkraft bis zum professionellen Einschleimer beim Lieblingsdozierenden alles werden. Ganz nach dem Motto: Arbeiten, wo andere Urlaub machen.

Wir sind alle Dilettanten

Wenn alle Leser:innen ehrlich sind, studieren sie nur aus einem von zwei möglichen Gründen: Sie wollen auf einem spezifischen Themengebiet Nischenkoryphäen werden oder sie wollen ernsthaftes Arbeiten solange wie möglich herauszögern. Bei beiden Gründen stellt man jedoch früher oder später fest, dass man dümmer ist, als man bisher geglaubt hat. Die Dummheit wächst übrigens nicht nur exponentiell mit dem Alkoholproblem, weil man an seinem Studium verzweifelt, sondern auch mit jeder besuchten Vorlesung. Man lernt, es nur besser zu verstecken. Denn die Kunst des akademischen Small Talks ist komplexer als die Prüfungsordnung. Lernt mit einem ernsten Gesicht über abstruse Theorien zu sprechen, ohne zu verstehen, wovon ihr redet. Schließlich sind Dozierende wie wilde Tiere – man muss ihre Sprache deuten können. Lächeln und Nicken hilft oft mehr als jede wissenschaftliche Frage. Paaren sollte man dies mit in schönsten Mitschriften auf Schmierpapier. Dabei ist eigentlich ganz egal, was mitgeschrieben wird, auch wenn es nur die ohnehin hochgeladenen Folien sind. Denn ein paar volle Seiten wirken Wunder bei dem unsinnigen Gefühl, an einem Tag nichts erreicht zu haben.

Schließlich ist das Semester wie ein Wettlauf gegen die Zeit. Wer denkt, die Zeit sei dabei jemals im eigenen Team, irrt. Die Zeit ist schneller vergangen als der letzte Espresso vor einer Prüfung.
Sich gut vorbereitet zu fühlen ist bereits die halbe Miete in der Prüfungszeit, in der man es schaffen muss, die Namen von Menschen, Statistiken und Fakten zu wiederholen, die man das ganze Semester über ignoriert hat. Einige bereuen es dann, dass sie den Stundenplan ähnlich wie die Prüfungsordnung als grobe Empfehlung genommen haben. Doch keine Sorge, Multitasking ist ohnehin eine Kompetenz, die im Berufsleben viel gefordert wird. Übt euch also früh darin, zu lernen, gleichzeitig Vorlesungen zu verpassen, Kaffee zu schlürfen und existenzielle Krisen zu überstehen. Letztere kommen in allen Formen, Farben und Prüfungsordnungen.
Lest euch diese besonders gut, das heißt nicht so wie eure Texte, durch und versteht sie. Beim Verstehen mangelt es leider bei den meisten. Dies führt am Ende vom Studium entweder zu einem Mangel an Credits oder – wie in meinem erbärmlichen Fall – zu einem Überschuss, sodass ich ein Semester zu lang studiert habe.

Doch die Uni Konstanz wäre keine Exzellenzuniversität, wenn sie nicht für jedes Problem, auch für die, die sie selber schafft, nicht mindestens eine Lösung parat hätte. In den meisten Fällen sind es sogar mehrere – ob die dann funktionieren, steht genauso in den Sternen wie das Mensamenü der folgenden Woche, in der vegane Gerichte zwar zunehmen, aber zu oft rar gesät sind. Veganer:innen müssen sich wohl weiterhin auf ihre eigene Küche verlassen.

Bei Fragen und Nebenwirkungen könnt ihr euch glücklicherweise jederzeit an das Studierenden-Service-Zentrum wenden. Sie leiten euch gerne an eines der zahlreichen, jedoch völlig unbekannten Büros weiter, die sich eigentlich um alles kümmern, von dem man erwartet, dass es Aufgabe des SSZ wäre. Das heiß jederzeit, außer wenn das SSZ geschlossen hat – sprich wochentags immer nach 14 Uhr. Tja, studieren ist eben nichts für Langschläfer oder all diejenigen, für die Geld und mentale Gesundheit erstrebenswert sind. Früher oder später wird dies allen Studierenden bewusst, unabhängig davon, was sie studieren. Denn manche studieren auf Bachelor, andere auf Master – doch die allermeisten studieren auf gut Glück.

Greift nach den Sternen und wenn die mal zu weit weg sind, einfach nach den Baukränen vor den Vorlesungsfenstern.
Foto: Malin Jachnow.
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