Wenn Vierbeiner Strom sparen müssen

Die Energiekrise hat im Winter an alle Türen geklopft und dabei das Tierschutzheim Konstanz nicht ausgelassen. Welche Energiefresser verstecken sich dort, die wir aus unserem eigenen Heim nicht kennen, und wie geht das Tierschutzheim mit den steigenden Kosten um?

„Hallo Idefix“, begrüßt Heidi Schätzle lächelnd den kleinen Terrier-Mischling, der mitten im Interview auf ihren Schoß springt. Idefix wurde vor zwei Jahren im Park ausgesetzt und ist seitdem im Tierschutzheim Konstanz zuhause. Eine lange Zeit – mit gleich zwei Krisen: der Corona-Pandemie und direkt im Anschluss die Energiekrise.

Idefix muss sich zum Glück keine Gedanken darum machen, wie er und seine rund 30 vierbeinigen Freunde im Tierschutzheim Konstanz Strom sparen können. Antworten auf diese Frage finden Leiterin Heidi Schätzle, Andrea Doll (zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins) und ihre Kolleg:innen.

Ein kunterbuntes Tierzuhause

Das ist der Eindruck, den das Tierschutzheim mitten im Industriegebiet vermittelt, als Heidi Schätzle durch die Katzengehege, gefüllt mit allen möglichen Stühlen, Katzenbäumen und Decken, geht.

Insgesamt kommen hier im Moment sechs Hunde, etwa 20 Katzen und fünf Kaninchen unter. Aber das kann morgen natürlich schon anders sein. „Die Jungtiere können wir in der Regel schnell weitervermitteln. Alles was Ecken und Kanten hat, bleibt länger hier“, erklärt die Leiterin.

Zusätzlich übernimmt das Tierheim für die Stadt Konstanz das Fundamt für Tiere. Abgegeben werden vor allem verletzte Wildtiere, ausgesetzte Haustiere seien eher die Ausnahme: „Tatsächlich sind es eher gut gemeinte, falsch verstandene Fälle – vor allem Katzen.“ Die streunern nämlich besonders gerne herum, auch wenn ihr Zuhause sich nur eine Ecke weiter befindet.

Alle Tiere haben hier ihr eigenes kleines Reich; von den Katzen geht es weiter zu den Kaninchenställen und letztendlich zu den Hundeboxen. Das Gebäude stammt aus den Achtzigern und wurde über die Jahre hier und da ausgebessert. Das nächste Projekt sollen Solarpanels auf dem Hausdach sein. Energetisch ist das Heim trotzdem bei weitem nicht so weit ausgebaut, wie es sein müsste, um einen Einschlag wie die Energiekrise abfedern zu können. Und mit so vielen Vierbeinern lasse sich ein hoher Energieverbrauch nun mal nicht vermeiden, wie Heidi Schätzle erklärt.

Krise auf Krise

Und dabei war das Tierschutzheim, wie jede:r von uns, gerade erst auf die Probe gestellt worden. „Während der Corona-Zeit haben wir eigentlich normal weitervermittelt, es konnten alle versorgt werden“, erinnert sich Heidi Schätzle. Andrea Doll ergänzt: „Wir haben uns aber fast ganz abgeschottet – allein weil wir nicht wollten, dass der Betrieb hier zusammenbricht.“ Groß genug, um ihre Mitarbeiter:innen in zwei Schichten einzuteilen und damit das Infektionsrisiko zu mindern, ist das Tierheim nämlich nicht. Die Tiere haben von der Pandemie also wenig mitbekommen: Die Vierbeiner kamen und gingen wie gewohnt, das Team blieb die ganze Zeit einsatzbereit, aber klein.

Auch der Ansturm von Besitzer:innen, die ihre vierbeinige Begleitung durch den Lockdown nach der Corona-Zeit abgeben wollten, wie die beiden Kolleginnen es teilweise aus den Großstädten hörten, blieb hier im eher ländlich gelegenen Konstanz aus.

Dafür kam letzten Herbst die nächste Herausforderung auf das Tierheim zu: „Energiekrise, das war erst mal der Schock, dass wir für den Gasabschlag nicht 900, sondern 3100 Euro zahlen mussten. Das war aber vor der Gaspreisdeckelung.“ Doch auch nach der Deckelung gehen die Kosten nicht wieder auf das vorherige Niveau zurück. Sie liegen immer noch etwa bei dem Doppelten der Gaspreise vor der Krise, sodass das Tierschutzheim jetzt jährlich rund 250.000 Euro Gesamtkosten stemmen muss. Finanziert werden diese aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und den Geldern der Gemeinden Konstanz, Allensbach und Reichenau, die das Tierschutzheim einnimmt, weil es der Stadt die Anlaufstelle für Fundtiere abnimmt.

Energiefresser im Tierheim

Vergleichbar mit dem Energieverbrauch in Studenten-WGs ist der im Tierschutzheim wohl kaum. Heidi und Andrea  stehen vor einer Waschmaschine und einem Trockner, beide drei Mal so groß wie die, die Studenten-WGs meist im Keller stehen haben. „Die Waschmaschine läuft von acht Uhr morgens bis um siebzehn Uhr nachmittags“, sagt die Leiterin, während sie die Maschine mustert, „und in so eine Industriewaschmaschine kann man sich selbst fast reinsetzen.“

Die große Waschmaschine gilt als einer der Stromfresser im Tierheim. Foto: Marie-Louis Kindsvater

Der Dauerbetrieb der Waschmaschine lässt sich hier ebenso wenig wegdenken wie die Lampen in den Tierboxen – und vor allem den Hunde- und Katzenklappen. „Die Hitze geht genauso raus wie der Hund auch“, sagt Heide Schätzle und schmunzelt.

Jetzt im Sommer sind die Heizungen im Regelfall immerhin nicht in Betrieb. Das Problem wartet noch bis zum Winter, ist aber noch wohlbekannt aus dem letzten Jahr: Das Zweite der beiden Hundehäuser wurde komplett heruntergefahren, nachdem alle Tiere, die dort zuhause waren, im Herbst 2022 vermittelt worden waren. Die Auslastung hätte die Kosten gesprengt, sei aber eigentlich fester Bestandteil des Tierschutzheims: „Die Platzkapazität ist bei uns natürlich auch immer eine Verhaltensthematik. Wir können nicht jeden Hund neben jeden setzen. Wenn wir mehr Kapazitäten haben, kann man darauf mal ausweichen und Problemhunde einzeln setzen. Dann hat er mehr Ruhe und wir können besser mit ihm arbeiten. Das ist eine Möglichkeit, die jetzt wegfällt.“

Glück im Unglück gebe es trotzdem auch: Bisher musste noch kein Tier aus Gründen der Energiekrise im Tierschutzheim abgewiesen werden. In anderen Tierheimen in Deutschland sehe das anders aus, vor allem wenn es sich um Exoten oder Reptilien handle, die viel Wärme bräuchten.

Schmerzlich seien die steigenden Kosten im Tierschutzheim Konstanz an anderen Enden, wie Andrea Doll erklärt: „Die Energiekrise hat natürlich noch mehr Folgen, und zwar indirekt dadurch, dass alles teurer wird. Wir brauchen einen neuen Zaun, neue Dachrinnen – da kommen dann schnell mal 100.000 Euro zusammen, die in der Höhe nicht eingeplant waren.“ Staatliche Unterstützung gibt es für die Tierheime nicht. Zwar gibt es die Möglichkeit, Mitglied im Landestierschutzbund zu werden, und sich so im Dachverband Deutscher Tierschutzbund oder einzeln mit anderen Tierheimen abzusprechen. Aber letztendlich sind alle Tierheime eigenständig und selbst für ihre Finanzierung verantwortlich.

Wo wir mit anpacken können

Keine Sorge, die Überschrift soll niemanden abschrecken, der zuhause nicht ein eigenes Haustier und jahrelange Erfahrung hat: Das Tierschutzheim freut sich über die Hilfe von jedem mit etwas handwerklichem Geschick und Tatkraft.

Andrea Doll und Heidi Schätzle sprechen im Interview über die Energiekrise im Tierheim. Foto: Marie-Louis Kindsvater

Am Ende der kleinen Führung durch das verwinkelte Heim zeigt Heidi Schätzle die kleine Baustelle, auf der der Hausmeister im Begriff ist, einen neuen Kaninchenstall zu bauen. Schleppend geht das Projekt vor allem voran, weil es mühsam sei, allein sowohl den Beton zu mischen als auch zu mauern. Helfende Hände sind hier also auf der Baustelle, aber auch bei allen Projekten willkommen. In Absprache mit dem Tierheim lassen sich auch eigene Projekte umsetzen.

Andere Aufgaben im Tierheim erfordern dann doch mehr Expertise: „Dinge wie der Nacht- und Notdienst brauchen halt eine gewisse Einarbeitung und auch Erfahrung. Das kann man dann eigentlich erst richtig nach einem Jahr.“

Wer sich also angesprochen fühlt und sich gerne einbringen möchte, kann sich per E-Mail an das Tierheim wenden, sollte aber etwas Geduld mitbringen. Denn einen klar strukturierten Tagesablauf hat es hier laut der Leiterin noch nie gegeben. „Könnte aber gefährlich sein, hier was zu machen“, fügt sie hinzu und streichelt Idefix auf ihrem Schoß, „so bin ich nämlich auch hierher gekommen. Ich habe während meines Studiums auch ein Mal einen Vogel vorbeigebracht, und bin dann hier hängen geblieben.“ In die Zukunft blicken Heidi Schätzle und Andrea Doll ohne Zweifel positiv, trotz Energiekrise. Idefix und seine tierischen Mitbewohner müssen sich um ihr warmes, wohliges Zuhause keine Sorgen machen.

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