Carsten Manz

„Die Narbe wird sicherlich bleiben.“ – Interview mit dem HTWG Präsidenten über die Besoldungsaffäre an seiner Hochschule

Die Affäre rund um die vom Ministerium beanstandete Besoldung von Professoren, lässt die HTWG Konstanz nicht zur Ruhe kommen. Im großen Interview steht Hochschulpräsident Carsten Manz Campuls Chefredakteur Marc-Julien Heinsch Rede und Antwort. Ein Gespräch über die Hintergründe der Affäre, die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und die öffentliche Rehabilitierung der HTWG.

Campuls: Herr Manz, Wir wollen heute über das schwierige Thema der Besoldungsaffäre an Ihrer Hochschule sprechen. Wie funktioniert grundsätzlich die Besoldung der ProfessorInnen?

Manz: Die ProfessorInnen bekommen zunächst ein Grundgehalt. Dieses ist in den letzten Jahren erhöht worden. Es gab Zeiten, da lag das Grundgehalt der ProfessorInnen teilweise unter dem Einstiegsgehalt von Hochschulabsolventen. Heute erhalten W2-Professuren ein Grundgehalt von rund 6000 Euro brutto.

(Anmerkung der Redaktion: W1 bezeichnet eine Juniorprofessur, W2 eine Vollprofessur mit Aufgaben in Forschung und Lehre und W3 eine Vollprofessur mit Fokus auf Forschung)

Im öffentlichen Dienst und Beamtenverhältnissen gibt es sonst üblicherweise Erfahrungsstufen. Das heißt, dass das Gehalt mit zunehmender Beschäftigungsdauer steigt. Früher galt das so ähnlich auch für Professuren. Dieses Modell fiel mit der leistungsorientierten Besoldung für ProfessorInnen weg.

C: Wie funktioniert das?

Manz: Mit der leistungsorientierten Besoldung erhalten ProfessorInnen zum Beispiel einen besonderen monatlichen Leistungsbezug nach entsprechender Leistungsevaluation. Dies geschieht aber seit 2005 nicht mehr automatisch. ProfessorInnen müssen also ihre eigene Leistung, insbesondere in den drei Feldern Forschung, Lehre und Weiterbildung, darstellen. Ein Zusatzpunkt kann noch die Nachwuchsförderung sein. Damit ist die Basis für eine differenzierte Betrachtung der Leistungen gegeben. Verbunden mit der Besoldungsreform zum 1. Januar 2015 mit Rückwirkung über die Jahre 2013 und 2014 wurde das Grundgehalt signifikant angehoben. Bedingt durch die Erhöhung der Grundgehälter haben wir zum Beispiel in Absprache mit den Gremien die Evaluationsintervalle von drei auf fünf Jahre hochgesetzt.
Der Präsident der HTWG Prof. Dr.-Ing. Carsten Manz.

C: Kann die Besoldung auch herunterkorrigiert werden?

Manz: Unter das Grundgehalt kann man nicht gehen. Unbefristete Zulagen kann man nicht zurücknehmen. Befristete Zulagen kann man auslaufen lassen. Die Selbstbewertung der ProfessorInnen muss sauber dokumentiert sein. Im Vergleich zu den sonst üblichen Erfahrungsstufen im öffentlichen Bereich wird ein entsprechender Aufwand betrieben, um Leistung zu evaluieren und Bezüge nach Leistungskriterien zu vergeben. So kann man sagen: Leistung wird honoriert.

C: Geldanreize kann Ihre Hochschule aus dem Vergaberahmen schöpfen, den das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) von Ministerin Theresia Bauer vorgibt. Wie kann man sich diesen Geldtopf vorstellen?

Manz: Die Hochschule verfügt über ein jährliches Budget, das für die leistungsorientierte Besoldung zur Verfügung steht. Innerhalb dieses Vergaberahmens ist die Hochschule bei der Mittelvergabe frei. Der von Ihnen genannte Geldtopf ist mit der Reform von 2015 aber nicht wirklich größer geworden, obwohl alle Grundgehälter angehoben wurden. Folglich mussten wir also die Vergabe von Geldern nach der Besoldungsreform restriktiver handhaben. Deshalb haben wir die einzelnen Zahlungen reduziert und, wie zuvor gesagt, den Evaluationszeitraum erhöht. Auch der Vergaberahmen wurde von uns eingehalten – das hat auch das Ministerium bestätigt – da muss man also gar nicht weiter diskutieren. Eigentlich haben wir die Zahlungen reduziert und in der Presse wird es dargestellt, als hätten wir Unsummen bezahlt.

C: Wie kam es aber dann zu der vieldiskutierten Besoldungsaffäre? Was ist dann doch schief gelaufen?

Manz: Der wesentliche Punkt in Bezug auf die besonderen Leistungsbezüge ist der, dass das MWK und wir eine unterschiedliche Vorstellung davon hatten, was unsere individuelle Leistungsevaluation im Jahr 2015 ausmacht und wie diese zu dokumentieren ist. Am 20. Februar hatten das MWK und die Hochschule mit den Gremien Senat und Hochschulrat eine gemeinsame Sitzung. In der Sitzung haben VertreterInnen des Ministeriums nochmals klar dargelegt, wo mögliche Beanstandungen zu sehen sind. Dabei wurde nochmals betont, dass nicht die Leistung der ProfessorInnen in Frage gestellt wird. Es wurde deutlich, dass zum Beispiel entgegen unserer Sicht einer individuellen Leistungsbewertung, diese nicht gemäß Ministerium gegeben war, was ebenfalls für die Dokumentation gilt. Bei der im Jahr 2015 vorgenommenen außerordentlichen Evaluation hatten wir uns aber auf zurückliegende Evaluationen bezogen. Insbesondere vor dem Hintergrund des rückwirkenden Charakters der Reform für 2013 und 2014, waren wir von einer rechtmäßigen Vorgehensweise ausgegangen.
Carsten Ganz im Interview mit dem Campuls Chefredakteur Marc-Julien Heinsch

C: Es hätten also neue Evaluationen für 2013 und 2014 gemacht werden müssen. Das Ministerium bemängelt, dass Leistungszulagen vergeben aber nicht ausreichend dokumentiert wurden?

Manz: Das ist ein wesentlicher Punkt, ja.

C: Nun müssen wir auf Kanzlerin Andrea Veith zu sprechen kommen: In der Presse ist zu lesen, dass wohl die Kanzlerin die anonyme Anzeige, die die Besoldungsaffäre ins Rollen brachte, gegen Sie bei der Staatsanwaltschaft eingereicht hat. An die Presse kam damals ebenfalls anonym der Vorwurf, dass Sie „Gelder nach Gutsherrenart verteilt“ hätten. Seit Mai 2017 ist Frau Veith nun krankgeschrieben und für keine Stellungnahme zu erreichen. Die Hochschule hat bereits versucht ein Abwahlverfahren in die Wege zu leiten. Dieses wiederum wurde vom Ministerium gestoppt. Das alles klingt sehr nach bösem Blut. Was ist da abgelaufen?

Manz: Zum jetzigen Zeitpunkt möchte Ich mich nicht zu dieser Personalfrage äußern.

C: Was sagen Sie zum anonymen Vorwurf, dass Sie Gelder verteilt hätten, um Ihre Wiederwahl als Präsident zu sichern?

Manz: Das fand ich absolut absurd. Sie müssen wissen, dass mein Professorenjob momentan ruht. Von daher befinde ich mich im Gegensatz zu meinem Vorgänger in einer eher entspannten Lage. Es macht mir sehr viel Spaß mit den Studierenden und meinen KollegInnen zusammenzuarbeiten. Es freut mich natürlich, wenn die Mannschaft – wie zuletzt bei den Informationsveranstaltungen – weiter hinter mir steht. Viele sind auf mich zugekommen und meinten, ich müsse ja ein unheimlich dickes Fell haben. Mir ist es wichtig, jetzt und in Zukunft authentisch zu bleiben. Das Thema einer möglichen Amtsverlängerung steht erst in zwei Jahren an. Warum hätte ich denn schon vor zwei Jahren versuchen sollen, meine Wiederwahl mit solchen Mitteln zu sichern?

C: Wie lief die gemeinsame Diskussion mit Verantwortlichen des MWK am 20. Februar 2018 ab?

Manz: Es war eine konstruktive Sitzung bei guter Atmosphäre. Wir sind uns einig, dass wir alles vernünftig aufarbeiten wollen und, dass wir die Sache hoffentlich bis zur Mitte des Jahres erledigt haben. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass das Ministerium hier die Rechtsaufsicht besitzt und klar kommuniziert hat, was Recht heißt. Und daran orientieren wir uns.
Carsten Manz

C: Das Ministerium hat verlauten lassen, dass die Kommunikation an die Presse im Januar 2018 „im politischen Gesamtrahmen nicht aufschiebbar“ war. Was heißt das?

Manz: Aus unserer Sicht war diese Pressemitteilung sicherlich nicht glücklich. Wir freuen uns auch eher über positive Meldungen. Am Freitag, 26. Januar kam die Pressemitteilung und am Montag war eine Sitzung im Untersuchungsausschuss. Der zeitliche Zusammenhang scheint offensichtlich zu sein.

C: Auch an anderen Hochschulen wie beispielsweise Ludwigsburg kam es zu Problemen rund die Besoldung von Professoren. Wo liegt aus Ihrer Sicht das Problem?

Manz: Für die anderen Hochschulen kann ich nicht sprechen. Mir ist nur klar geworden, dass zumindest in unserem Fall die erforderliche Rechtsexpertise nicht in vollem Umfang gegeben war.

C: Was heißt das für die Professoren, die Zulagen erhalten haben?

Manz: Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Es wird aufgearbeitet und dann muss darüber entschieden werden. Bis zum Sommer wollen wir die Lage aber sauber aufgearbeitet haben.

C: Korrigieren Sie mich aber es geht doch bei 70 Professoren um Zulagen, bei 40 um Lehraufträge und bei 20 um Forschungszulagen. Das ist eine große Menge an Einzelfällen für eine Aufarbeitung bis zum Sommer.

Manz: Ohne an dieser Stelle auf Zahlen und Einzelfälle einzugehen, kann man sagen, dass es sich um wenige Fehler aus Sicht der Rechtsaufsicht handelt, die aber auf eine entsprechende Zahl im Sinne eines systematischen Fehlers führen. Das wollen wir korrigieren und eine Heilung anstreben. Der Jurist würde sagen, es gibt keine Heilung, weil eine Narbe bleibt. Für uns heißt Heilung, die Blutung zu stillen. Aber die Narbe wird sicherlich bleiben.

C: Und die verbleibenden Beanstandungen?

Manz: Wir werden alle Beanstandungen zufriedenstellend aufarbeiten. So, wie man es von uns erwarten kann.
Carsten Manz: “Wenn der Vorwurf einmal in der Welt ist, interessiert die Richtigstellung weit weniger Menschen.”

C: Sie haben eben die Narbe angesprochen. Wie hoch schätzen Sie den Schaden für Ihre Hochschule ein? Was wollen Sie tun, um sich öffentlich wieder zu rehabilitieren?

Manz: Wenn der Vorwurf einmal in der Welt ist, interessiert die Richtigstellung weit weniger Menschen. Wir müssen die Themen, wie gesagt, aufarbeiten. Zugleich wollen wir weiterhin Impulse setzen und positive Nachrichten produzieren, wie wir es in den vergangenen Jahren beispielsweise mit dem Open Innovation Lab, der Modellfabrik und vielen weiteren positiven Projekten einschließlich unseres Strategieprozesses mit Wertediskussion, Erscheinungsbild und Webauftritt gemacht haben. In diesem Sinne wiederum bin ich sehr zuversichtlich, dass unsere Hochschule auch in Zukunft die gewünschte positive Strahlkraft in der Vierländerregion und darüber hinaus haben wird.

Informationen

Das Präsidium der HTWG

Das Präsidium der HTWG besteht aus dem Präsidenten Carsten Manz, dem Vizepräsidenten Forschung und Transfer Oliver Haase und der Vizepräsidentin Lehre und Qualitätssicherung Beate Bergé. Daneben gibt es noch Kanzlerin Andrea Veith. Der Präsident der Hochschule ist weniger für die Verwaltung, als vielmehr für die Außenkontakte und die Profilbildung der HTWG zuständig. Dienststellenleitung, Repräsentation der Hochschule und die Leitung des höchsten akademischen Gremiums, des Senats, obliegen aber dennoch in letzter Konsequenz dem Präsidenten. Hinzu kommen Grundsatzangelegenheiten, strategische Führung, akademische Angelegenheiten und einiges mehr. Kanzlersache sind im Präsidium Personal-, Haushalts- und Verwaltungsfragen.

Prof. Dr.-Ing. Carsten Manz

Carsten Manz – Pressefoto

Seit 2014 ist Carsten Manz Präsident der HTWG und zugleich Professor im fachlichen Schwerpunkt Technologie- und Innovationsmanagement der Fakultät Maschinenbau. Die Professur des 50-Jährigen ruht allerdings während Manz‘ Amtszeit als Präsident. Carsten Manz studierte Maschinenbau mit Fachrichtung Luft- und Raumfahrttechnik an der TU Braunschweig und promovierte an der Universität Erlangen. Daraufhin arbeitete er in verschiedenen Positionen in der staatlich geförderten Wissenschaft sowie der freien Wirtschaft. 1999 kam er an die HTWG Konstanz, um den Master-Studiengang in Mechanical Engineering and International Sales Management zu leiten. 2008 wirkte Manz außerdem an der Gründung der ersten Institute der HTWG mit.

Die Affäre rund um die Besoldung von Professoren

Im Frühjahr 2017 erreichten das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Informationen über Verstöße gegen die Besoldungsrichtlinien für Professoren an der HTWG Konstanz. Stuttgarter Zeitung und Südkurier berichteten, dass die Missstände wohl durch Kanzlerin Andrea Veith aufgedeckt und ans Ministerium weitergegeben worden seien. Veith ist seit Mai 2017 krankgeschrieben. Ebenfalls in der Presse war zu lesen, dass das Präsidium der HTWG ein Abwahlverfahren gegen die Kanzlerin angestrengt, Ministerin Bauer dieses aber gestoppt habe. Neben der Meldung über Verstöße erreichte die Staatsanwaltschaft außerdem eine anonyme Anzeige mit dem Vorwurf der Untreue gegen Hochschulpräsidenten Carsten Manz. Die Ermittlungen gegen Manz persönlich wurden mittlerweile fallengelassen. Auch erste Untersuchungen an der HTWG wurden 2017 eingestellt.

Im Januar 2018 erhob das MWK dann in einer Pressemitteilung erneut Vorwürfe gegen die HTWG. In 70 Fällen seien rechtswidrig Zulagen für Professoren bezahlt und in 40 Fällen Lehraufträge unzulässig vergeben worden. Außerdem gab es in 20 Fällen Beanstandungen bei der Vergabe von Forschungszulagen. Am 20. Februar 2018 trafen sich hochrangige Vertreter des MWK, des Hochschulrats und des Senats der HTWG in Konstanz. Im Anschluss betonten beide Parteien in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass es „nicht um die Beurteilung der Leistung der Hochschule und insbesondere ihrer Professoren geht, sondern um die rechtskonforme Vergabe und Abwicklung.“

Insbesondere die Dokumentation der Leistungsevaluationen, die dann zur Vergabe von Zulagen führen, wurde seitens des MWK bemängelt. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Kommunikation der Missstände des Ministeriums an die Presse im Januar 2018 „im politischen Gesamtrahmen nicht aufschiebbar war“, in Zukunft aber eine „aufeinander abgestimmte Kommunikation angestrebt“ werde.

Hochschulpräsident Manz äußerte sich zuversichtlich die Aufarbeitung der Einzelfälle bis zum Sommer 2018 abschließen zu können.

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