Muslimisches Leben in Konstanz #2 – im Interview mit dem Vorstand der Muslimischen Hochschulgruppe

Im Campuls-Interview haben zwei Mitglieder des Vorstands der Muslimischen Hochschulgruppe der Uni und der HTWG von ihrem Alltag als muslimische Studierende erzählt.

Nach der Moscheeführung treffen wir uns mit Samet Taskin und Mahira*. Samet studiert Informatik im siebten Bachelorsemester und Mahira studiert Life Science im dritten Mastersemester. Die Life-Science-Studentin kommt aus Indien und lebt seit einem Jahr in Konstanz. Schon bevor sie angereist ist, hat sie sich über muslimische Gruppen in Konstanz informiert und ist dann über Instagram auf die Muslimische Hochschulgruppe gestoßen. „Ich habe Aymane dann über Instagram angeschrieben und er hat mich zur WhatsApp-Gruppe hinzugefügt“, erzählt sie. „Ich bin froh, die Gruppe gefunden zu haben, denn sie hat mir auch bei organisatorischen Dingen wie der Wohnungssuche geholfen.“ Samet ist in Konstanz aufgewachsen und gehört schon lange der Muslimischen Hochschulgruppe an. Heute sind er und Mahira beide im Vorstand der Gruppe, die neben einer Hochschulgruppe auch ein eingetragener Verein ist und damit Musliminnen und Muslimen aus ganz Konstanz offensteht. „Wir wollen aber nicht politisch sein“, sagt Samet Taskin über die Gruppe.

Das Bild zeigt die beiden Interviewpartner:innen.
Samet Taskin und Mahira erzählen im Interview über ihren Alltag als muslimische Studierende an der Uni Konstanz. Foto: Malin Jachnow

„In der WhatsApp-Gruppe sind etwa 150 Mitglieder:innen und im Vorstand sind wir zu sechst“, erzählt Mahira. „Der Vorstand trifft sich einmal pro Woche, immer donnerstags. Außerdem gibt es wöchentlich je ein Brüder- und ein Schwesterntreffen. Einmal im Semester haben wir außerdem ein gemeinsames Treffen mit allen, bei dem wir auch den Vorstand wählen.“ Samet geht regelmäßig zu den Brüdertreffen: „Die Treffen werden von Aymane, unserem Vorstand, geleitet. Dort essen wir gemeinsam, außerdem reden wir viel. Wichtig dabei ist, dass wir eine neutrale Gesprächsatmosphäre schaffen. Wenn wir beispielsweise über den Nahost-Konflikt sprechen, betrachten wir ihn aus einer historischen Perspektive und versuchen die Zusammenhänge zu verstehen. Außerdem reden wir über Feste, die bald anstehen, über die Familie und über unser Miteinander. Auch stellen wir Fragen zu unserem Glauben und versuchen Antworten darauf zu finden. Unser Treffen ist für alle offen, jede:r kann vorbeikommen.“

„Unsere Treffen laufen ähnlich ab“, ergänzt Mahira. „Wir treffen uns immer bei einer der Schwestern zuhause. Jede, die möchte, kann etwas zu essen mitbringen. Wir reden dann viel, oft über Geschichten aus dem Koran. Wir besprechen auch moralische Fragen oder beten zusammen.

Während des Ramadans sei der Unialltag schon mal schwer, antworten beide auf die Nachfrage nach der Fastenzeit. „Aber Allah gibt uns Herausforderungen und wir nehmen sie an. Das betrifft sowohl das häufige Beten als auch die Fastenzeit und andere persönliche Prüfungen, die wir meistern müssen. Wir wissen, dass die Menschen sündhaft geboren werden, aber wir müssen trotzdem versuchen, die Prüfungen zu bestehen. Jeder hat seine eigene Prüfung und am Tag des Jüngsten Gerichts muss jeder vor Gott rechtfertigen, warum er eine der Prüfungen weniger gut bestanden hat“, erklärt Samet. „Der Glaube hilft einem außerdem, das Fasten nicht zu brechen“, ergänzt Mahira. „Außerdem gibt uns der Glaube eine große Disziplin, unter anderem weil wir mit dem Sonnenaufgang zum Beten aufstehen müssen.“

„Bisher habe ich vor allem an der Uni sehr viel Positives erlebt“, erzählt Mahira, „die meisten Menschen sind hilfsbereit und entgegenkommend. Aber ich musste auch schon schlechte Erfahrungen machen. Oft starren mich Leute an, so als wäre ich eine Kriminelle. Vor allem ältere Menschen sprechen mich immer wieder an, zum Beispiel im Bus. Die meisten Leute sprechen mich auf Deutsch an. Manche machen dann auf Englisch weiter, wenn sie merken, dass ich kein Deutsch spreche. Andere wenden sich ab.“ Mahira erzählt weiter: „Ich musste mir schon Sprüche anhören wie ‚Du kannst dein schönes Gesicht ruhig zeigen‘. Außerdem wurde ich schon aufgefordert, den Gesichtsschleier abzunehmen.“ Mahira möchte nicht sagen, von wem die Anmerkung kam, aber es sei auch schon zu ihr gesagt worden, dass die Kleidung, die sie trägt, im universitären Raum nicht angemessen sei. „Ich bin eine selbstbewusste Person und stehe zu meiner Überzeugung“, sagt Mahira. So begegne sie auch den Menschen, die Kommentare zu ihrem Kopftuch oder Gesichtsschleier machten. Dennoch störten sie die Kommentare, da sie sehr verletzend seien, vor allem, wenn Betroffene nicht so ein großes Selbstvertrauen hätten.

„Zum Kopftuch gibt es im Islam zwei Ansichten“, erklärt Mahira. „Der Koran sagt zu den Frauen: Verstecke deine Schönheit. Die einen verstehen darunter, lediglich mit einem Kopftuch, Hidschāb, das Haar zu bedecken. Andere finden, dass Frauen auch das Gesicht bedecken sollten – mit einem Niqab, wie der Gesichtsschleier genannt wird.“ Samet Taskin ergänzt dazu: „Man kann als Regel sagen, dass Frauen sich ohne eine Verhüllung vor Männern zeigen dürfen, die sie entweder geheiratet haben oder aufgrund von nahen Verwandtschaftsverhältnissen nicht heiraten dürfen. So dürfen zum Beispiel Vater, Brüder und Onkel sie sehen.“

Eine negative Erfahrung, die Samet gemacht hat, sei auf einer Wanderung mit den Mitbrüdern geschehen. Dort hätten sie auf einer Wiese eine Pause gemacht, um zu beten. „Als wir gebetet haben, wurden wir von Passanten – einem älteren Ehepaar – komisch angeschaut“, erinnert er sich.

Aktuell plant die Muslimische Hochschulgruppe einen „Raum der Stille“. „Der Raum soll allen offenstehen: Angehörigen von verschiedenen Religionen, aber auch Konfessionslose sollen dort einen Ort zum Meditieren haben oder einen Moment der Ruhe finden“, berichtet der Student, der bisher immer in einer ruhigen Nische in der Bibliothek betet. „Ich denke, dass so ein Raum für alle schön wäre“, findet er. „Ich bete meistens im M-Gebäude, wo auch meine Veranstaltungen stattfinden“, erzählt Mahira. „Es wäre zu weit, jedes Mal zur Bibliothek zu gehen. Bisher habe ich damit aber gute Erfahrungen gemacht. Bei meinen beiden Hiwi-Stellen habe ich einfach nachgefragt, wo ich einen ruhigen Ort zum Beten finde. Mir wurde sofort geholfen.“

  • Auf dem Bild sieht man Samet Taskin beim Beten.
  • Auf dem Bild sieht man Samet Taskin beim Beten.

Auch die Studentin unterstützt den Raum der Stille. „In großen Einkaufszentren, wie beispielsweise dem LAGO-Center, könnten wir uns Gebetsräume ebenfalls gut vorstellen“, finden Samet und Mahira. „Da es in Konstanz viele Musliminnen und Muslime gibt, würden wir uns nicht über solche Räume beschweren, aber wir stellen keine Forderung danach“, ergänzt Samet. Beide hoffen auf den Raum der Stille, doch im Moment fehlten ihnen noch genug Stimmen.

Auf die Frage, welche Verbesserungen sie sich außer dem Raum der Stille noch wünschen, antworten die beiden: „Es wäre schön, wenn es in der Mensa Essen gäbe, das halal ist. Überall wird veganes Essen angeboten, warum gibt es dann so selten Speisen, die halal sind?“, fragt sich der Student. „Wir wissen, dass wir hier in einer christlich geprägten Gesellschaft leben, weshalb wir natürlich nicht alles bekommen, was wir uns wünschen. Aber kleine Veränderungen, wie der Raum der Stille, sollten möglich sein. Räume in der Uni gibt es schließlich genug.“ Mahira ergänzt: „Im Gegenzug steht die Moschee jedem offen. Jeder, auch Nicht-Muslime, sind willkommen, um Fragen zu stellen oder einfach vorbeizuschauen. Ich wurde selbst sehr warmherzig empfangen, als ich nach Konstanz kam, und gehe am Wochenende gerne in die Moschee.“ Samet schließt: „Ich gehe immer gerne auf Menschen und andere Religionen zu und versuche, Gruppen zusammenzubringen. Deshalb mache ich gerne weiterhin Moscheeführungen. Wir hoffen, dass wir auf diese Weise bald noch mehr Stimmen finden und den Raum der Stille an der Uni umsetzen können.“

* Mahira möchte nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden. Deshalb wurde ihr Name von der Redaktion geändert. Mahiras Aussagen wurden außerdem aus dem Englischen übersetzt, da sie kein Deutsch spricht.

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