Meluva e.V. und das Konstanzer Bürgerbudget

Wäre es nicht cool, wenn Bürger:innen einer Stadt über einen kleinen Teil des kommunalen Haushalts selbst entscheiden dürften? In Konstanz ist das tatsächlich der Fall und zwar im Rahmen des sogenannten Bürgerbudgets. Was hat es damit auf sich? Und wie funktioniert es genau?

Das Bürgerbudget der Stadt Konstanz wurde 2018 ins Leben gerufen, um kreative Ideen aus der Zivilgesellschaft zu fördern, die einen gemeinnützigen Zweck verfolgen. Insgesamt umfasst es 100.000 Euro, von denen für jedes Projekt maximal 15.000 Euro zur Verfügung stehen. Für das Bürgerbudget können sich alle Bewohner:innen der Stadt ab 14 Jahren, sowie Vereine, Initiativen und Gruppen aus Konstanz bewerben. Dazu können jedes Jahr bis zum 20. Juli Anträge bei der Abteilung „Bürgerbeteiligung und Bürgerschaftliches Engagement“ eingereicht werden, die aus einem Antragsformular und einem Finanzierungsplan bestehen müssen.

Welche Projekte in welchem Umfang gefördert werden – darüber berät ein sogenannter Bürger:innenrat. Dieser besteht aus 20 Personen, die zufällig aus dem Einwohnermeldewesen der Stadt gezogen werden. Dabei wird darauf geachtet, dass der Bürger:innenrat in etwa die soziodemografische Zusammensetzung der Konstanzer Stadtgesellschaft widerspiegelt. Er wird zudem jedes Jahr neu besetzt.

Der Bürger:innenrat tritt im Oktober zusammen und bewertet die Projektvorschläge im Hinblick auf die geltenden Förderrichtlinien für das Bürgerbudget. Dabei wird insbesondere auf die folgenden Kriterien geachtet: 1) Der Grad der eingebrachten, freiwilligen Eigenleistung. Denn die Stadt will mit dem Budget vor allem die Bürgerschaft aktivieren. Wichtig ist daher nicht nur die Idee an sich, sondern die Umsetzung dieser gemeinsam mit anderen. 2) Die Gemeinwohlorientierung des Projekts, also die positive Wirkung auf die Stadtgesellschaft als Ganzes, unabhängig von Alter, Geschlecht und Milieu. 3) Die Förderung von Zusammenhalt bei der/den im Antrag genannten Zielgruppe(n). Zudem legt die Stadt besonders Wert auf den Klimaschutz. 20.000 Euro des Budgets sollen daher jährlich in Klimaschutzprojekte fließen. Nachdem der Bürger:innenrat seine Empfehlung ausgesprochen hat, muss der Gemeinderat in seiner Sitzung im November der Förderung noch formell zustimmen.

Das Beispiel des Vereins Meluva e.V.

Die maximale Fördersumme von 15.000 Euro erhielt im letzten Jahr unter anderen Meluva e.V.

Meluva ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für Menschen mit Behinderung einsetzt und sich zum Ziel gesetzt hat, ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Sie entwerfen zum Beispiel Mode, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung zugeschnitten ist.

Einer der Gründer des Vereins, Valon Kelmendi, erzählt mir, dass er schon sehr lange über die Nachteile und Hindernisse nachdenkt, mit denen Menschen mit Behinderung täglich zu kämpfen haben:

„In der Schule hat das schon angefangen. Ich war Pate für einen Behinderten und da war auch der Alltag so, dass ich mir dachte: Wir gehen jetzt Fußball spielen und er? Wo ist er? Was macht er? Über die Jahre hat sich das gestaut, bis ich gesagt habe: Keiner macht was, das reicht. Jetzt mache ich was.“

Valon Kelmendi

Vor einigen Jahren musste Valon zudem Sozialstunden ableisten – eine Erfahrung, die ihn nachhaltig geprägt hat. Dabei ist er vermehrt mit schwerbehinderten Menschen in Berührung gekommen und hat ihre Benachteiligung hautnah miterlebt. Mittlerweile arbeitet Valon hauptberuflich bei der Heimatliebe Bodensee GmbH, die an verschiedenen Standorten um den Bodensee nachhaltige Backwaren, Kaffeesorten aus eigener Rösterei, sowie weitere regionale Produkte anbietet. Er ist außerdem ehrenamtlich sowohl bei der Feuerwehr, als auch bei Meluva e.V. tätig. Der Verein besteht neben ihm aus einem bunt gemischten Team, in dem Grafikdesigner:innen, Modedesigner:innen, medizinischen Praxisleiter:innen, Pädagog:innen und Vetriebsmitarbeiter:innen mitwirken.

Derzeit liegt der Fokus von Meluva auf drei Projekten: Mode, Mobilität und Musik.

Wir personalisieren auf die individuellen Bedürfnisse“, erzählt Valon in Bezug auf die Mode. Bei Menschen mit schwerer Neurodermitis zum Beispiel, können nur bestimmte hautschonende Stoffarten verwendet werden. Außerdem leiden viele Menschen mit Behinderung im Winter besonders unter der Kälte, da sie sich weniger bewegen können. Meluva setzt daher auf die Verwendung von Silbergarn, denn dieses wirkt temperaturregulierend. Die Silberfasern haben also die praktische Eigenschaft zu wärmen, wenn es kalt ist und zu kühlen, wenn es warm ist. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie Kleidung an die verschiedenen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung angepasst werden kann. Allerdings sei es dem Verein wichtig, dass die Kleidung im Endeffekt nicht nur funktional ist, sondern die Menschen auch dabei unterstützt, ihrer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen.

Valon Kelmendi, Mitbegründer von Meluva e.V., Foto: Naemi Haberkorn.

Im Bereich Mobilität arbeitet Meluva derzeit an dem Entwurf eines speziellen Lasten-E-Bikes. Dieses ist so konzipiert, dass ein:e Fahrer:in eine Person im Rollstuhl mitnehmen kann. Ende des Jahres soll dazu der erste Prototyp getestet werden.

Mit ihrem Musikprojekt möchte der Verein außerdem den Zugang zu Musikproduktion für Menschen mit Behinderung erleichtern. Dazu kooperiert Meluva mit einem Tonstudio in Konstanz und dem Rapper Gramoz Krasniqi, der im Rollstuhl sitzt und unter dem Namen „Rolling G.“ inzwischen deutschlandweit bekannt ist. Geplant sind verschiedene Angebote von Workshops über Studioarbeit bis hin zu Videodrehs.

Insgesamt ist der Verein mit seiner Arbeit bisher noch in den Startlöchern. Das Bürgerbudget war insbesondere für ihr Modeprojekt eine wichtige Starthilfe: „Hätten wir das Geld nicht bekommen, hätten wir leider aufhören müssen“, erzählt Valon. Das Geld sei hauptsächlich in die Beschaffung von Industrienähmaschinen geflossen, mit denen sie ihr Modeprojekt nun angehen können.

Wir hatten die Maschinen, wir konnten auf einmal in Gespräche gehen, man hat uns ernst genommen. Wir durften das Logo [der Stadt] auf der Webseite einbetten. Ohne das Budget würde es uns jetzt leider nicht geben.“

Valon Kelmendi

Meluva erhält zudem auch Unterstützung von der Heimatliebe Bodensee, die ihnen Räumlichkeiten an ihrem Standort Allensbach zur Verfügung stellen.

Für die Zukunft hat der Verein noch sehr viel mehr vor. Valon schweben beispielweise verschiedene Gegenstände vor, die den Alltag von Menschen mit Behinderung erleichtern könnten. Nicht umsonst lautet der Slogan des Vereins „Will make you feel better“.


  • Wenn ihr selbst eine gemeinnützige Idee habt, könnt ihr euch noch bis zum 20.Juli mit einem entsprechenden Antrag für das Bürgerbudget bewerben.
  • Kontakt: Anjela Griebel, E-Mail: anjela.griebel@konstanz.de
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Related Posts
Lesen

Das geldige Weihnachten

Weihnachten nervt. Frühestens, wenn die Schoko-Nikoläuse schon bei sommerlichen 30 Grad im Supermarkt stehen und Weihnachtsmusik aus den Lautsprechern dröhnt. Eigentlich wollte man sich doch nur ein kaltes Eis kaufen. Weihnachten nervt, wenn zum zehntausendsten Mal „Kevin allein zu Haus“ im Fernsehen läuft, beim Schrottwichteln wirklich nur kompletter Müll geschenkt wird und der Weihnachtsbaum doch nicht in die Wohnung passt. Und spätestens, wenn die Familie sich an Heiligabend anschweigt, weil mal wieder die falschen Geschenke gekauft wurden. Oder noch schlimmer – ein gequältes Lachen hervorbringt und vorspielt, eine amüsante Zeit zu verbringen.
Lesen

Kreuz und queer – wie Menschen zu ihrer Queerness gefunden haben

Ich frage dich: Woher weißt du, dass du nicht straight (ausschließlich heterosexuell) bist oder dich als ausschließlich weiblich oder männlich identifizierst? Von sich selbst zu wissen, queer zu sein, kann sich sehr bestärkend anfühlen. Endlich können die eigenen Gefühle eingeordnet und benannt werden, vielleicht ergibt es auf einmal Sinn, sich irgendwie „komisch“ oder „anders“ zu fühlen. Es kann auch eine schwer fassbare, harte Realisierung sein, nicht die Person zu sein, die man zu sein glaubte oder die andere in einem sehen. Im Gespräch mit verschiedenen Menschen höre ich mir Gedanken über deren Reise zur eigenen Queerness an und versuche zu erkunden, wie Menschen sich selbst als queere Person kennen- (und lieben) gelernt haben, was sie sich gefragt haben und welche Antworten sie für sich gefunden haben.
Lesen

Ein offener Brief an die Deutsche Bahn

Zuerst einmal vorweg: Ich bin auf der Suche nach einem Auto. Es soll die Grüne Umweltplakette erhalten können und kein Diesel sein – der Umwelt zuliebe. Vielleicht kann mir jemand von der Deutschen Bahn eines empfehlen, denn ich bin sicher, die Damen und Herren der Bahngleisschöpfung fahren genauso selten Zug wie ich bisher mein eigens Auto, nämlich gar nicht. Was mein Autokauf und die Deutsche Bahn miteinander zu tun haben? Eine ganze Menge, um genau zu sein alles:
Lesen

Zehn Jahre Campus Festival – Vom Uni-Parkplatz ins Bodensee Stadion

Zehn Jahre besteht das Campus Festival in Konstanz schon. Für viele Studierende der Uni Konstanz und Umgebung stellt es ein jährliches Highlight dar, welches nicht mehr wegzudenken ist. Oft gerät in Vergessenheit, dass das Festival- wie der Name schon sagt- ein kleines Zusammentreffen von Bands und Student:innen der Uni Konstanz war. Die Geschichte des Campus Festivals anlässlich des diesjährigen Jubiläums, gibt es in folgendem Artikel