Von der Generation Merkel zu einem echten Aufbruch?

Seit fast drei Wochen hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Nach ganzen 73 Tagen haben sich die Ampel-Parteien auf einen Koalitionsvertrag geeinigt und Olaf Scholz wurde zum Kanzler gewählt. Nach 16 Jahren mit einer Frau an der Spitze. Wie fühlt sich das für jemanden an, der unter der Ära Merkel groß geworden ist? Unsere Chefredakteurin Livia gibt einen kleinen Einblick in ihre Gedankenwelt.

Bye-bye Frau Merkel! Ganze 16 Jahre lang wurde meine Generation als „Generation Merkel“ von ein- und demselben Gesicht als Aushängeschild Deutschlands geprägt: das von Angela Merkel als Kanzlerin. Nach 5860 Tagen ist nun diese Ära zu Ende gegangen. Als Jahrgang 1997 kann ich mich nur noch dumpf an den Vorgänger Merkels, Gerhard Schröder, erinnern. Als ich in die dritte Klasse kam wurde sie Kanzlerin und damit die erste Frau in diesem Amt. Wie es vielleicht vielen anderen in meinem Alter geht, kenne ich nur diese eine Politik – und 16 Jahre ist schon eine lange Zeit, ich meine als fast 25-Jährige ist das mehr als mein halbes Leben!

Seit dem achten Dezember also regiert nun wieder ein Mann Deutschland. Wie in den letzten Wochen schon oft auf Social Media zu lesen war, wird allein schon das Umgewöhnen beim Gendern schwierig! Wir haben schließlich 16 Jahre lang „Kanzlerin“ gesagt und jetzt muss man auf einmal „Kanzler“ sagen? Nee, also das ist eine zu große Umstellung.

“Dann bleiben wir einfach dabei: Scholz ist die neue Kanzlerin.”

Und was machen eigentlich nun all die Leute, die seit Jahren „Merkel muss weg!“ gerufen haben? Brauchen die jetzt ein neues Hobby oder so? Aber bitte keine weiteren Verschwörungstheorien über Corona! Ich. Kann. Es. Nicht. Mehr. Hören! Olaf Scholz hatte sich auch groß auf die Fahne geschrieben, dass mit ihm die Parität ins Kabinett kommt, das heißt, gleich viele Frauen und Männer als Minister:innen. Nun ja, wenn er sich selbst nicht mitzählt, ist ihm das auch ganz gut geglückt – nur die CSU ist traurig, da kein einzige:r Minister:in aus Bayern kommt (*schnief*).

Aber nun mal zum wichtigen Teil: Was wird sich jetzt ändern? Oder anders gefragt: Wird sich überhaupt groß etwas ändern? Auf internationaler Ebene wird ja schon auf eine kontinuierliche deutsche Außenpolitik gesetzt. Im Inland hofft man, dass Karl Lauterbach nun endlich die Corona-Pandemie besiegen wird und sich in Sachen Klimaschutz mit einer grün-beteiligten Regierung endlich mal was bewegt. Also keinen Kohleausstieg „idealerweise“ im Jahr 2030 und ein Verkehrsministerium, das vielleicht doch mal was zur Digitalisierung gewuppt bekommt. Geht das? Also wenn die FDP das nicht schafft, dann ist das Amt vielleicht doch verflucht – ob das Andi Scheuers geheime Rache ist? Man weiß nie. Auch beim Thema Bildung erwarten wohl gerade wir Studierenden ein bisschen mehr als in der Corona-Krise, wo Schulen und Kitas vorne anstanden, die Situation der Studierenden aber irgendwie immer hinten runtergefallen lassen worden ist und immer noch wird.

Aber so zynisch möchte ich diese Kolumne dann doch nicht enden lassen. Ich meine Annalena Baerbock ist nun die erste deutsche Außenministerin und das ist im Jahr 2021 (leider) immer noch ein großes Ding! Nein, ich möchte mit diesem Bild abschließen: Cem Özdemir als einziger Minister, der den kurzen Weg zwischen Bundestag und Schloss Bellevue mit dem Rad zurückgelegt hat und seine Ernennungsurkunde auf den Gepäckträger geklemmt hat – während alle anderen in ihren dicken Limousinen vorfuhren und wieder zurückchauffiert worden sind. Ein kleiner Schritt für den Mensch, aber ein großer für die Menschheit? Vielleicht aber auch das Zeichen eines (minimalen) Aufbruchs…

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