Das Konzept kam offenbar an: kurz vor Beginn der Veranstaltung war auch der letzte Sessel besetzt und die Treppe zur zusätzlichen Sitzgelegenheit umfunktioniert worden.
Neben dem Oberbürgermeister, dem Rektor der Uni und dem Präsidenten der HTWG waren auch die Vorsitzenden der beiden Asten und der Geschäftsführer von Seezeit der Einladung der Campuls gefolgt.
Bevor die Diskussion für alle geöffnet wurde, hatten zunächst alle Teilnehmer die Gelegenheit, sich in einem kurzen Statement dazu zu äußern, ob Konstanz für sie eine Studierendenstadt sei. Oberbürgermeister Uli Burchardt setze hierbei auf Zahlen und vor allem auf den Vergleich zu anderen Städten, einer Linie, der er den ganzen Abend treu bleiben sollte. Kern seiner Argumentation war und blieb: Ja, in Konstanz läuft vieles nicht optimal, aber in anderen Städten ist es noch viel schlimmer, deshalb gibt es wenig Grund die Stadt zu kritisieren.
Rektor und Präsident waren sich einig, dass die Hochschulen die Stadt positiv prägen würden und es an der Stadt sei, das Potenzial der Studierenden aktiver zu nutzen. Helmut Baumgartl dagegen war anderer Meinung: Die Studis seien im städtischen Leben bisweilen zu wenig sichtbar und sollten mit Projekten zeigen, dass sie keine “randalierenden Partygänger” seien. Der Seezeit-Geschäftsführer gefiel sich auch den Rest des Abends in der Rolle des Provokateurs.
Die kritischsten Töne kamen von Daniel Färber, dem Vorsitzenden des AStA der Universität: Er sieht in Konstanz keine Studierendenstadt. Das Verhältnis zwischen den Studierenden und der Stadt müsse aus einem Gleichgewicht von Geben und Nehmen bestehen. Das sei aber nicht der Fall. Studentisches Engagement würde nicht geschätzt werden und studentische Themen fielen regelmäßig unter den Tisch. Konstanz sei eine Stadt, die in erster Linie die Interessen von Alten, Reichen und Schweizer Einkaufstouristen bediene.
OB Uli Burchhardt packte daraufhin eines seiner Lieblingsargumente aus: Wenn die Studierenden unzufrieden seien, dann sollten sie sich doch für die Gemeinderatswahlen aufstellen. Daniel Färber erklärte daraufhin, dass das für die meisten Studierenden innerhalb ihres dreijährigen, von Praktika und Auslandsaufenthalten zerstückelten, Bachelorstudium kaum möglich sei. Den Studis fehle nicht der grundsätzliche Wille für diese Art der Beteiligung, sondern einfach die Gelegenheit.
Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität, machte später am Abend den Vorschlag, eine Art Studierenden-Ausschuss einzurichten. So ein Gremium könnte Studierende, Vertreter der Stadt und den Gemeinderat regelmäßig zusammenbringen, ohne, dass Studierende von einer langfristigen Bindung, die eine Arbeit im Gemeinderat mit sich bringt, abgeschreckt werden. Der Vorschlag erntete viel Applaus und man hatte den Eindruck, dass hier eine Idee entstanden ist, die für die Beteiligung von Studierenden am Stadtgeschehen eine ganz neue Perspektive eröffnen könnte. Tanja Rebmann sitzt für die Juso-Hochschulgruppe im Studierendenparlament und will am Thema dranbleiben:
“Der Vorschlag einen Studierenden-Ausschuss einzurichten ist ein konkreter Ansatz, an dem man arbeiten kann. Wir nehmen heute Abend außerdem den Auftrag mit, die Arbeit des Studierendenparlaments stärker an den Gemeinderat heranzutragen.”
Anschließend drehte sich die Diskussion um das Dauerthema Wohnungsnot. Hier gab es wenig neue Erkenntnisse. Der OB zog erneut einen Vergleich; in anderen Städten sei es viel schlimmer. Helmut Baumgartl wusste zu berichten, dass Seezeit zwar eine Notunterkunft eingerichtet hätte, diese aber zum Glück leer geblieben sei. Die Lage scheint dramatisch, aber nicht hoffnungslos.
Daniel Färber und Ulrich Rüdiger waren sich allerdings einig, dass die Stadt große Schwierigkeiten habe mit der Entwicklung der Universität Schritt zu halten. Während die HTWG in den nächsten Jahren wohl nicht wachsen wird, sieht es auf dem Gießberg ganz anders aus.
Färber warf der Stadt vor allem vor, den Ausbau des ÖPNV zu vernachlässigen. Wo bezahlbarer Wohnraum vorhanden sei, wie etwa in Dettingen oder Allmansdorf, sei die Busverbindung so schlecht, dass es kaum Anreize gebe dorthin zu ziehen. Burchhardt machte daraufhin das Angebot, er werde sich der Sache annehmen, man solle ihm doch eine E-Mail mit Ausbauwünschen für die Bus-Linien schicken. Auf der Facebook-Seite, des Hochschulpolitischen-Referats des AStA der Uni, findet sich inzwischen ein entsprechender Aufruf. Alle Studierenden sind dazu angehalten, dem OB per Mail mit zu teilen, für welche Buslinien sie sich auch einen Betrieb bis spät in die Nacht wünschen würden.
Bewegung vonseiten der Stadt scheint es vor allem beim Thema Aufenthaltsplätze im öffentlichen Raum zu geben. Die Stadt arbeite, so der OB, daran, auf beiden Seiten des Seerheins neue Flächen zu erschließen, um den Brennpunkt “Herose´-Park” zu entlasten.
Neben öffentlichen Aufenthaltsflächen für Studierende, dominierten vor allem die Sperrstunde und das kulturelle Angebot den zweiten Themenblock “Leben und Kultur”. Burchhardt wollte nicht ausschließen, dass die Sperrstunde irgendwann nach hinten verschoben werden könnte, allerdings sei das eine langwierige Diskussion, die Zeit brauche.
Interessant wurde es, als sich die Diskussion um mögliche Bars in den Wohnheimen drehte: Baumgartl meinte, dies sei rechtlich kaum machbar. Schon mit dem Betrieb der Strandbar bewege sich Seezeit in einer Grauzone und würde die rechtlichen Spielräume maximal ausnutzen. Abgesehen vom Betrieb der Strandbar, unterstütze Seezeit auch das Café Endlicht an der HTWG und habe großes Interesse daran, den Studierenden attraktive Räume zu bieten.
Burchhardt konnte lediglich auf die 19 Millionen Euro verweisen, die die Stadt jährlich in Kultur investiert. Dem Vorwurf, Kulturräume wie das Café Mondial oder der KULA würden davon nur wenig profitieren, während Lieblingsprojekte des Gemeinderats großzügig bedient würden, hatte er nur wenig entgegenzusetzen.
Insgesamt zeigte der Abend, dass es zwischen den Asten, den Hochschulen und Seezeit intensiven Austausch und enge Zusammenarbeit zu geben scheint. Vor allem Ulrich Rüdiger trat als starker Fürsprecher für eine lautere Stimme der Studierenden im städtischen Diskurs auf. Aber auch sein Kollege Carsten Manz von der HTWG wünschte sich, die Stadt würde die Studierenden aktiver mit ins Boot holen.
Im Rathaus scheint man sich seiner Rolle in diesem Dialog nicht sicher zu sein. Obwohl, wie Burchhardt anfangs erwähnte, rund ein Viertel aller Wahlbeteiligten Studierende seien, fühlt sich niemand im Rathaus recht dafür zuständig, auf diese Gruppe zu zugehen. Vor allem der OB betonte immer wieder, dass es vor allem an den Studierenden sei, sich stärker einzubringen.
Ob die Stadt den Studierenden möglicherweise einfach nicht genug Gehör schenkt, darüber wollte Burchardt nicht so gerne nachdenken. Johanna Heß, Referentin für Hochschulpolitik beim AStA der Uni, brachte es auf den Punkt:
“Diese Veranstaltung ist doch das beste Beispiel, für das Interesse und das Engagement der Studierenden.”
Nach Ende des offiziellen Teils ließen sich die Gäste noch Zeit, um sich mit dem Publikum auszutauschen. So konnte ein intensiver und spannender Abend gemütlich ausklingen.