Auf den Spuren des Weltalls: Dr. Stanley G. Love teilt seine Erfahrungen als Astronaut

Seitdem die Menschheit die Möglichkeit hat, Sterne und andere ferne Planeten am Nachthimmel näher zu betrachten, haben wir darauf hingearbeitet, den Weltraum zu erkunden. Nur wenige Menschen hatten die Chance, die Schönheit der Erde von oben zu sehen. NASA-Astronaut Stanley G. Love ist einer von ihnen. Während seines Besuchs an der Universität Konstanz hat er bildhaft von seiner Arbeit und den zukünftigen Plänen der NASA erzählt.


Vom 19. bis 21. Juni hat Dr. Stanley G. Love die Universität Konstanz besucht. Am Montag hat er einen Vortrag im „Konzil“ über seine beiden Weltraumspaziergänge gehalten, welche er während seinem achttägigen Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation (ISS) im Jahr 2008 unternommen hat. Während Love die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hat, ist der Raum mit Studierenden, Universitätsmitgliedern und Bürger:innen aus Konstanz gefüllt gewesen. Zwei Tage später haben „Campuls“ und der Podcast der Universität „9B“ zusammengearbeitet, um ein Interview mit ihm zu führen.

Mehr als nur ein geschriebener Artikel: Dr. Stanley G. Love wurde auch vor laufender Kamera interviewt.
Foto: Giorgio Krank

All das ist Dr. Maria Moreno-Villanueva, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Sportwissenschaft, zu verdanken. Sie hatte Love während ihrem Forschungsaufenthalt in Johnson Space Center kennengelernt und ihn nach Konstanz eingeladen. An dieser Stelle möchten wir auch hervorheben, dass dies gleichermaßen durch die Unterstützung der NASA sowie Love selbst durch das Teilen seines Wissens und seiner Erfahrungen ermöglicht wurde.

Sie hat es möglich gemacht: Dr. Maria Moreno-Villanueva.
Foto: Jonas Thimm.

Doch nicht nur in diesem Fall scheint es, als würden die Sterne richtig stehen. Love musste sich zweimal bei der NASA bewerben, um aufgenommen zu werden. Seitdem hat er angefangen, nach den Sternen zu greifen und nicht mehr aufgehört. Am Ende ist sein Traum wahr geworden und er kann sagen: „Es ist nicht nur Fantasie, man kann das tatsächlich tun.“
Neben seinen bisherigen Erfolgen kann er besonders stolz darauf sein, einer der wenigen Menschen zu sein, die am Lunar Gateway gearbeitet haben – einer Plattform, die hoffentlich in gewisser Weise die ISS ablösen wird. Im Gegensatz zur ISS wird sie nicht dauerhaft bemannt sein, sondern der Menschheit die Rückkehr zur Mondoberfläche ermöglichen und als Stützpunkt für die Erforschung des Weltraums dienen. Dies ist Teil der Artemis-Mission mit dem Ziel, eine langfristige Präsenz auf dem Mond zu etablieren.
So ambitioniert das auch klingen mag, der Erfolg der gesamten Mission wird viele Jahre in Anspruch nehmen und in der Zwischenzeit werden noch viele weitere Astronaut:innen in Loves Fußstapfen treten. „Was ich damals tun musste, um Astronaut zu werden, ist heute nicht mehr unbedingt dasselbe“, erklärt er. Die Teamarbeit war damals, als er eingestellt wurde, weniger wichtig als sie es heute ist. In jedem Fall ist der Prozess bis zur Aufnahme jedoch eine Herausforderung. Und wenn man angenommen wird, wird der Weg hoch zu den Sternen kein einfacher bleiben. Die ständige Weiterbildung gehört ebenso zum Job wie die Tatsache, dass kein Tag wie der andere ist: „Eines der Dinge, die ich an meinem Job am meisten schätze, ist, dass es keine tägliche Routine gibt.“

Als Love seinen Zuhörerenden während des Vortrags von seiner persönlichen Karrieregeschichte erzählt, wird deutlich, dass in seinem Fall die Wahl seines Studiums der Auslöser für seine Karriere war: „Dank Physik wusste ich, dass ich alles schaffen kann.“ Mit der Physik hat er es zur NASA und ins All geschafft, auch wenn er derzeit ein „Management-Astronaut“ ist, was bedeutet, dass er nicht für Flüge berechtigt ist. Er habe diese Entscheidung selbst getroffen, weil seine Kinder damals noch klein gewesen waren und er nicht bis zu einem halben Jahr von ihnen getrennt sein wollte. Anstatt ins All zu fliegen, erklärt er: „Mein aktueller Job besteht darin, Kontrollanzeigen für zukünftige Raumschiffe zu entwerfen.“

„Ein Teil meiner Arbeit am Boden bestand darin, die Raumschiffe zu entwerfen, vorzubereiten und anschließend zu testen, mit denen wir zum Mond zurückkehren. Ich arbeite seit fast zwanzig Jahren auf die eine oder andere Weise daran.“

– Dr. Stanley G. Love, NASA Astronaut

Die überraschendste Ankündigung: Er habe sich vor nicht allzu langer Zeit dazu entschlossen, einen Antrag zu stellen, um wieder als Astronaut aktiv zu werden. „Man hat nicht viel zu sagen, woran man bei einer Weltraummission arbeiten möchte. Die Aufgabe ist es, alles zu tun, was die Mission erfordert. Aber wenn ich es mir aussuchen könnte – wir haben ein neues Raumschiff, das zum Mond und zurückfliegen kann – und wenn ich die Chance dazu hätte, würde ich gerne den Mond besuchen.“Sollte sein Wunsch tatsächlich in Erfüllung gehen, würde er wahrscheinlich zwei Jahre im Voraus von seiner Mission erfahren. So kann die Crew lernen, im Team zusammenzuarbeiten und alle anstehenden Aufgaben im Weltraum üben. Sein Wunsch würde mutmaßlich während einer Mission Wirklichkeit werden, die Teil des „Artemis-Programms“ ist. Das Programm soll eine langfristige Präsenz auf dem Mond aufbauen, um sich auf Missionen zum Mars vorzubereiten.

So faszinierend seine eigene Karriere auch ist, Loves Weg ist nicht der Einzige, den es gibt: „Jede:r Astronaut:in wird eine ebenso lange, aber völlig unterschiedliche Antwort haben.“ Bei seinem Besuch hat er zudem immer wieder die Bedeutung transnationaler Arbeit betont. Das ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sein zwölftägiger Spaceshuttle-Flug im Jahr 2008 das „European Space Agencies‘ Laboratory Model” auf die Internationale Raumstation gebracht hat. „Das ist Europas wichtigster Hardware-Beitrag zur Internationalen Raumstation und es war auch das Tor für europäische Astronaut:innen, als Besatzungsmitglieder mit auf die Internationalen Raumstation zu fliegen.“

Sein Flug 2008 hat zwei Weltraumspaziergänge umfasst, was damals etwas war, was nicht jede:r Astronaut:in tun durfte. Heutzutage werden sie aus Wartungsgründen von der Besatzung auf der ISS regelmäßig durchgeführt. Dennoch ist nicht nur ein Weltraumspaziergang, sondern der gesamte Spaceshuttle-Flug ein bemerkenswerter Erfolg.

„Im Cockpit ist der erste Gedanke: ‚Wow, ich schwebe im Weltraum!‘ und der zweite Gedanke ist: ‚Ich muss mich sofort an die Arbeit machen.‘ – Weil wir viel zu tun hatten.“

– Dr. Stanley G. Love, NASA Astronaut

Fälschlicherweise hat Science Fiction viele irrtümliche Vorstellungen darüber vermittelt, wie die Arbeit eines Astronauten aussieht. „Alles im Weltraum geschieht viel, viel langsamer als in den Filmen.“ Auch Astronauten haben kaum Freizeit, wie es oft dargestellt wird. Ihr Zeitplan ist streng getaktet – wahrscheinlich genauso getaktet wie Loves Besuch in Konstanz. Während dieser drei Tage hat er nicht nur einen Vortrag gehalten, er gab Taekwondo-Unterricht in der historischen Gymnastikhalle der Uni, hat sich mit Mitarbeitenden der Sportfakultät getroffen, war Teil des Seminars „Fitness im Weltall“, hat an einem Grillabend für Sportstudierende teilgenommen und ist interviewt worden. „Eines der Dinge, die ich hier gesehen habe und die für mich interessant sind, ist die Art und Weise, wie die akademischen Abteilungen wie Sport nicht allein angewendet werden, sondern wie Sport mit Psychologie oder Sport mit Biologie verknüpft wird. Diese Art der Kollaboration habe ich an amerikanischen Universitäten noch nicht gesehen“, fasst er zusammen.

So streng der Besuch auch getaktet gewesen ist, der enorme Druck, den man nicht nur im Weltraum, sondern insbesondere während eines Weltraumspaziergangs verspürt, ist kaum mit den Aufgaben vergleichbar, die Astronauten auf der Erde haben. So erinnert sich Love an seine Weltraumspaziergänge: „Bei einem Weltraumspaziergang liegt die meiste Zeit deine Arbeit direkt vor dir und alles, was du siehst, ist Metall, aber gelegentlich kannst du nach oben schauen und sagen: ‚Oh mein Gott, ich bin im Weltraum.‘“ Er erklärt auch, dass jede Bewegung von der Besatzung innerhalb der ISS vordefiniert werde. „Wenn du auf einem Weltraumspaziergang bist, ist dein Gehirn ausgeschaltet als wäre es im Urlaub, damit du nicht zu viel nachdenkst, denn du willst alles richtig machen.“
Glücklicherweise hat er 2008 alles richtig gemacht, sodass er seine Aufgabe, nach der Lieferung des Columbus-Moduls zwei wissenschaftliche Nutzlasten außerhalb der Station anzubringen, erfüllen konnte. Während dieser Zeit habe er auch das Gefühl erleben können, wie es sei, im Weltraum zu sein und sich umzusehen. Auch wenn die Sterne aufgrund der Lichtverschmutzung durch die ISS nicht sichtbar seien, gebe es etwas anderes, das vielleicht noch beeindruckender sei: „Wenn Astronaut:innen? frei haben, was nicht oft vorkommt, ist es ihre Lieblingsbeschäftigung, sich die Erde anzuschauen. Die Erde ist wunderschön. Die Karibik, die blaue Farbe, das sieht man nirgendwo sonst auf der Erde. Es ist einfach absolut erstaunlich.“ Dann fügt Love überraschend hinzu: „Als Astronom dachte ich immer, alles Interessante sei draußen im Weltraum, und dann habe ich die Erde vom Weltraum aus gesehen und gesagt: ‚Nein, die Erde ist wirklich interessanter als jeder andere Anblick.‘“
Für jeden Menschen auf der Erde mag diese Aussage schwer zu glauben sein, insbesondere, weil wir seit jeher danach streben, den Weltraum zu erkunden – aber im Moment ist der Weltraum ein tödliche Herausforderung: „Die Antarktis kommt dem Leben im Weltraum hier auf der Erde am nächsten.“Auch wenn das zunächst unattraktiv klingen mag, sind die Monde und Planeten, die eines Tages erreichbar sein könnten, tatsächlich noch unbewohnbarer. Die Erde hingegen ist unser Zuhause, das uns so viel mehr bietet als nur das Nötigste zum Überleben. Kein Wunder, dass Love die Frage, ob wir auf dem Mars leben können, mit folgender Aussage abschließt: „Mein persönliches Gefühl ist, dass wir als Menschen eng mit unserem Biosystem unseres Planeten verbunden sind.“ Das bedeute natürlich nicht, dass es unmöglich sei, aber es sei noch ein langer Weg, bis die Menschheit in der Lage sein werde, getrennt von der Erde zu leben.

„Ich denke, wenn wir den Mars so verändert haben, dass wir Nektarinen anbauen und an den Strand gehen können, werden die Menschen zum Mars gehen.“

– Dr. Stanley G. Love, NASA Astronaut

Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg und der führt über den Mond. Ein Teil der Artemis-Mission ist das „Lunar Gateway“, oft auch nur „Gateway“ genannt. Nachdem sie erkannt haben, dass die ISS nicht für immer existieren würde, haben die internationalen Partner ein vierköpfiges Team zusammen gestellt, um das sogenannte Gateway zu entwickeln, das die langfristige Zusammenarbeit im Weltraum sichern soll. Love war einer von ihnen: „Ich habe mitgeholfen, das Gateway zu erfinden, also hoffe ich, dass es allen gefällt. Ich war Teil des Studienteams und wir haben einen, meiner Meinung nach, praktikablen Plan für eine kleine Station ausgearbeitet. Elf Monate im Jahr wird das Gateway unbemannt sein und von der Erde aus ferngesteuert. Wir implementieren eine Vielzahl von Automatisierungssystemen, um die Automatik für den Mars zu testen, da wir uns in Zukunft in einer Entfernung von der Missionskontrolle befinden, die es uns nicht erlaubt, bei Problemen ständig Rückfragen zu stellen.“


Bis es soweit ist, wird Love hoffentlich weitere Universitäten besuchen und die Menschen mit der kosmischen Reise der Menschheit verzaubern. Sein Besuch in Konstanz hat uns daran erinnert, dass der Weltraum eine faszinierende und unerforschte Grenze ist, die uns weiterhin herausfordert und inspiriert. Seine Worte und Erfahrungen werden zweifellos einen bleibenden Eindruck hinterlassen und möglicherweise junge Menschen dazu ermutigen, ihren Traum einer Karriere im Weltraum zu verwirklichen. Der Vortrag und das Interview von Dr. Stanley G. Love an der Universität Konstanz haben nicht nur Wissen und Informationen über den Weltraum vermittelt, sondern auch Begeisterung und Faszination für die Erforschung des Unbekannten entfacht. Sein Besuch wird zweifellos als bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Universität und der Stadt Konstanz in Erinnerung bleiben, während wir gespannt auf neue Entdeckungen und Abenteuer im Weltraum warten.

Das KIM Lecture Recording and Media Production / 9B Team und Dr. Stanley G. Love (v.l.n.r.): Stefan Gritsch, Fabian Knisel, Jamie-Lee Merkert, Dr. Stanley G. Love undRoland Fischer.
Foto: Giorgio Krank.

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